Grenzüberschreitende M&A-Transaktionen zunehmend unberechenbar
M&A-Transaktionen zunehmend unberechenbar
Verbot der Übernahme von U.S. Steel durch Nippon Steel symptomatisch für Investitionen ausländischer Unternehmen in den USA
Von Max Alles
und Edmund James Melzer *)
Am 3. Januar 2025 blockierte Ex-US-Präsident Joe Biden als eine seiner letzten Amtshandlungen die 14,9 Mrd. Dollar schwere Übernahme des Traditionsunternehmens U.S. Steel durch den japanischen Stahlkonzern Nippon Steel aus Gründen nationaler Sicherheit. Durch diesen Deal hätte Nippon Steel seine Position als globaler Marktführer weiter ausgebaut; U.S. Steel hätte die Übernahme erhebliche Mittel für Investitionen in Modernisierung und Nachhaltigkeit eingebracht.
Umfangreiche Zusagen
Nippon Steel machte im Rahmen eines Prüfverfahrens im Hinblick auf etwaige Sicherheitsbedenken – durchgeführt vom Committee on Foreign Investment in the United States („CFIUS“) – weitreichende Zusagen, darunter den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Besetzung von Führungspositionen mit US-Bürgern. Außerdem wurden Investitionen in Höhe von 2,7 Mrd. Dollar in Aussicht gestellt, einschließlich mindestens 1 Mrd. Dollar für das Mon Valley Works in Pennsylvania. Weitere 300 Mill. Dollar sollten der Modernisierung eines Hochofens an einem anderen Standort zukommen. Darüber hinaus wurden umfassende Verbesserungs- und Modernisierungsmaßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen zugesichert. Eindeutige Sicherheitsbedenken konnte das CFIUS nicht feststellen, dennoch kam es zu der Untersagung der Übernahme.
Im Licht der nationalen Sicherheit
Globale M&A-Transaktionen werden immer weniger berechenbar, insbesondere wenn es um Investitionen von Unternehmen nicht-westlicher Länder in westliche Unternehmen geht. Dies ist kein Novum und seit der Einführung der Foreign Direct Investment-Kontrolle längst bekannt. Die Grenzen dieses Instruments verschwimmen jedoch zunehmend und werden unklarer.
Die Stahlproduktion ist gemäß den durch die Executive Order vom September 2022 eingeführten Leitlinien weder als kritische Infrastruktur noch als kritische Technologie einzuordnen. Die Relevanz von US Steel für die Verteidigungsindustrie ist begrenzt, denn beide Werke, die Panzerplatten für Marineschiffe und Armeefahrzeuge herstellen, befinden sich im Besitz der Konkurrenz.
Hinzu kommen die bereits erwähnten weitreichenden Zusicherungen von Nippon Steel und die Tatsache, dass Japan ein langjähriger Verbündeter der USA ist und eine wesentliche Rolle in deren außen- und sicherheitspolitischer Agenda einnimmt. Zudem betreibt Nippon Steel mit Wheeling-Nippon Steel bereits ein Stahlunternehmen in West Virginia und ist damit bereits Teil des Produktionsstandortes USA.
Rechtliche Schritte
Nippon Steel und U.S. Steel leiteten auf das Verbot der Übernahme hin umgehend rechtliche Maßnahmen ein. Die blockierte Übernahme bedeutet für Nippon Steel nämlich die Zahlung der vereinbarten Break Fee an U.S. Steel in Höhe von 565 Mill. Dollar. Beide Unternehmen sehen sich in ihren Rechten verletzt und werfen der früheren US-Regierung politische Einflussnahme vor.
Es wurden zudem Klagen gegen den CEO des konkurrierenden Stahlproduzenten Cleveland-Cliffs sowie den Präsidenten der Gewerkschaft United Steelworkers eingereicht; diesen wirft man vor, durch Absprachen aktiv die Entscheidung zu dem Verbot der Übernahme beeinflusst zu haben.
Die ungewöhnliche Blockade der Übernahme wirft die Frage auf, inwiefern nationale Sicherheitsbedenken nur als Vorwand genutzt wurden oder ob in Wirklichkeit wirtschaftspolitische oder protektionistische Motive für die Entscheidung ausschlaggebend waren. Die Untersagung könnte weitreichende Folgen für das Wirtschaftsklima im transatlantischen Raum sowie die M&A-Praxis haben.
Der Eindruck der zunehmenden Politisierung wirtschaftlicher Entscheidungen in den USA verfestigt sich. Ein klares erstes Zeichen dafür setzte die präsidiale Blockade einer Transaktion im Mai 2024, bei der ein chinesisches Krypto-Mining-Unternehmen Grundstücke nahe eines US-Luftwaffenstützpunkts in Wyoming erwerben wollte. Die US-Regierung betonte dabei die Bedeutung nationaler Sicherheitsaspekte bei ausländischen Investitionen.
Risikoanalyse angeraten
Die Politisierung wurde durch das America First Investment Policy National Security Presidential Memorandum (NSPM) vom Februar 2025 bestätigt, das umfassende Änderungen des CFIUS-Prozesses vorsieht. Investitionen aus nicht verbündeten Ländern in bestimmten Sektoren sollen strenger kontrolliert werden, während das Verfahren für Investoren, die keine Geschäftsbeziehungen mit nicht verbündeten Ländern unterhalten und mit den sicherheitspolitischen Interessen der USA übereinstimmen, vereinfacht und beschleunigt wird.
Die Umsetzung der durch das NSPM angekündigten Änderungen bleibt abzuwarten – dann wird sich auch zeigen, wie sich die Trump-Regierung zu vergleichbaren Transaktionsvorhaben positionieren wird.
Nicht-amerikanische Unternehmen, die Übernahmen oder Investitionen in den USA planen, sollten die zunehmende Unvorhersehbarkeit des CFIUS-Verfahrens bei ihren Vorhaben berücksichtigen und nach Möglichkeit versuchen, dessen regulatorische Hürden zu antizipieren. Eine umfassende Risikoanalyse und frühzeitige anwaltliche Beratung sind unerlässlich.
Die Analyse sollte mit einer Machbarkeitsstudie starten, die kartellrechtliche Aspekte und Investitionskontrolle umfasst. Dabei sind mögliche Szenarien, Verfahrensverläufe und Transaktionsrisiken abzubilden. Politische Tagesthemen und Interessen unterschiedlicher Stakeholder, einschließlich Kunden, Arbeitnehmerorganisationen, Wettbewerber und Regierungsstellen, sollten ebenfalls berücksichtigt werden.
Vertragliche Optionen
Da Sicherheitsbedenken (auch für der Investitionskontrolle nicht unterfallende Sektoren) alleine dadurch entstehen können, dass es sich um einen ausländischen Investor handelt, sollte geprüft werden, ob die Transaktion eine Industrie betrifft, die als wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit der USA eingestuft werden könnte.
Nationale Sicherheitsbedenken können als Begründung für protektionistische Maßnahmen dienen; daher sollten im Rahmen der Machbarkeitsanalyse der Transaktion auch nicht-sicherheitsrelevante Aspekte Berücksichtigung finden. Die Risiken einer Untersagung der Transaktion sollten sorgfältig geprüft und im Vertragswerk zwischen dem Verkäufer und Investor allokiert werden. Etwaige Zusagen an Regierungen und Nebenabreden des Investors mit Stakeholdern sollten dabei ebenfalls Niederschlag finden.
Fragebögen in Bezug auf geografische Tätigkeiten und Umsätze helfen die Wahrscheinlichkeit und Risiken des CFIUS-Verfahrens einzuschätzen und das Vorprüfungsverfahren zu strukturieren. Diese sollten – nach Möglichkeit – von allen beteiligten Parteien ausgefüllt werden.
Die Transaktionsdokumentation muss präzise und auf die konkrete Transaktion abgestimmt sein und Regelungen u.a. zu Vollzugsbedingungen, Kündigungsrechten, Break Fee und Kooperationspflichten bei Rückabwicklung enthalten.
Globale Verschärfungen
Neben dem CFIUS-Verfahren für Investitionsvorhaben in den USA tragen auch andere globale regulatorische Regime, wie die verschärfte Investitionskontrolle in der EU und die Drittstaatensubventionsverordnung, zur zunehmenden Komplexität grenzüberschreitender M&A-Transaktionen bei.
Diese Entwicklungen führen in der Praxis zu einem erheblich erhöhten Begründungsaufwand und erfordern den Einsatz von Experten mit spezieller Branchenkenntnis. Sie verlängern Genehmigungsprozesse nicht nur auf der Zeitschiene, sondern erhöhen auch das Risiko nachträglicher Untersagungen bereits vollzogener Transaktionen.
Die von Donald Trump am 27. März 2025 beschlossenen Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte in die USA bekräftigen den bereits unter der Biden-Regierung eingeschlagenen Kurs.
*) Dr. Max Alles ist Counsel im Bereich Corporate/M&A im Münchener Büro von Clifford Chance, Dr. Edmund James Melzer ist Associate in der Praxisgruppe Kartellrecht im Düsseldorfer Büro der Kanzlei.