Von Aktienpaketverkäufen profitieren auch Emittenten
Von Aktienpaketverkäufen profitieren auch Emittenten
Hohe Aktivität am deutschen Sekundärmarkt – Größere Abschläge auf den Börsenkurs als bei neuen Aktien möglich – Insiderrechtliche Relevanz prüfen
Von Julian Schulze De la Cruz
und Philip M. Schmoll *)
Viele Aktionäre haben gestiegene Aktienkurse europäischer Unternehmen zuletzt verstärkt dazu genutzt, ihre Beteiligungen zu reduzieren und Gewinne bzw. Erlöse zu realisieren. In Europa platzierten Aktionäre in diesem Jahr bereits Aktienpakete im Gegenwert von rund 31 Mrd. Dollar. Dieser Betrag liegt rund 50% über dem Vorjahreswert und wurde erstmalig im ersten Quartal eines Jahres erzielt (siehe Artikel in der Börsen-Zeitung mit dem Titel „Aktienpaketverkäufe klettern auf Rekordwert“ vom 24. März 2025).
Hohe Aktivität am Sekundärmarkt
Auch am deutschen Sekundärmarkt, d.h. am Markt für bereits gehandelte Wertpapiere, wurden zuletzt große Pakete von Aktien namhafter Emittenten platziert: Erste bedeutende Transaktionen waren bereits im Jahr 2024 zu beobachten, wo insbesondere die Umplatzierung eines 4,49-%-Aktienpakets des Bundes an der Commerzbank an die italienische Unicredit im Gesamtwert von 702 Mill. Euro für besonderes Aufsehen sorgte. Zudem verkauften die beiden Großaktionäre der im SDAX und TecDAX notierten Atoss Software mehrere Aktienpakete im Volumen von 130 Mill. Euro (6,81%) und der Private Equity-Investor Warburg Pincus ein 4,5-%-Paket an Ionos für 230 Mill. Euro.
Siemens und Triton reduzieren
Seit Jahresbeginn 2025 verstärkten sich diese Aktivitäten noch einmal: Im Januar reduzierte Siemens ihre Beteiligung an Siemens Energy. Im Februar senkte der Private-Equity-Investor Triton seine Mehrheitsbeteiligung an Renk auf nunmehr rund 15% ab. Ebenfalls im Februar platzierte Siemens ein 2,4-%-Aktienpaket an Siemens Healthineers für insgesamt rund 1,45 Mrd. Euro.
Fresenius sorgt für Höhepunkt
Im März sorgte Fresenius mit der Platzierung von rund 10,6 Mill. Aktien der Fresenius Medical Care sowie weiterer in Aktien der Fresenius Medical Care umtauschbarer Wandelschuldverschreibungen im Gesamtwert von rund 1,1 Mrd. Euro für einen viel beachteten Höhepunkt. Die Transaktion ermöglicht Fresenius eine Beteiligungsreduzierung von 32,2% auf 25,1% bis spätestens 2028. Zudem platzierte VW erstmals Aktien von Traton im Gegenwert von 360 Mill. Euro und Warburg Pincus veräußerte ihr verbleibendes Aktienpaket an Ionos von 8,6% für rund 300 Mill. Euro. Schließlich reduzierte der Private-Equity-Investor Mutares seine Beteiligung an der österreichischen Steyr Motors von ca. 75% auf rund 40% durch Aktienverkäufe und eine Umplatzierung gegen einen Bruttoemissionserlös von 74 Mill. Euro.
Flaute am Primärmarkt
Die hohen Transaktionsvolumina und die Anzahl erfolgreicher Platzierungen belegen die derzeit hohe Aufnahmefähigkeit des Sekundärmarkts, der sich mit Blick auf das weiterhin sehr volatile Marktumfeld, insbesondere in den USA, als erstaunlich resilient erweist.
Anders stellt sich hingegen der deutsche Primärmarkt, d.h. der Markt für Neuemissionen, dar: So verschob der Arzneimittelhersteller Stada seinen geplanten Börsengang aufgrund von Marktunsicherheiten. Der andere mutmaßliche IPO-Kandidat Oldenburgische Landesbank wurde von der Targobank gekauft. Damit lässt der erste Börsengang in Deutschland im laufenden Jahr weiter auf sich warten. Angekündigt ist ein IPO des Stromnetzzulieferers Pfisterer im Freiverkehrssegment Scale.
Block Trades
Der Verkauf größerer Aktienpakete erfolgt in der Regel im Wege einer prospektfreien Umplatzierung (sog. Block Trade), die sich als Privatplatzierung ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet. Zur Preisbestimmung wird dabei häufig ein beschleunigtes Platzierungsverfahren (sog. Accelerated Bookbuilding) auf Grundlage öffentlich verfügbarer Informationen durchgeführt. Dazu erfolgt unmittelbar nach Handelsschluss eine Bekanntgabe der Verkaufsabsicht sowie eine Ansprache möglicher Investoren durch die beteiligten Banken mit der Bitte, Angebote im Rahmen einer festgelegten Preisspanne abzugeben.
Nach Auswertung der erhaltenen Angebote werden aufgrund des Orderbuchs ein einheitlicher Preis und das Platzierungsvolumen festgelegt und die Aktien den Investoren zugeteilt. Um eine hinreichende Transaktionssicherheit herzustellen, kann vor Bekanntgabe der Verkaufsabsicht auch die vertrauliche Ansprache ausgewählter Investoren erfolgen, um die Platzierbarkeit des Aktienpakets zu prüfen (sog. Market Sounding). Auf diese Weise kann selbst die Umplatzierung größerer Aktienpakte ohne große Vorbereitung in kürzester Zeit erfolgen („Quick-to-market“).
Höhere Abschläge möglich
Die Platzierung bestehender Aktien hat gegenüber der Platzierung neuer Aktien den Vorteil, dass die Preisfestlegung keinen gesetzlichen Beschränkungen unterliegt. Erfolgt die Platzierung neuer Aktien unter Bezugsrechtsausschluss in Höhe von bis zu 20% des Grundkapitals, so darf der Platzierungspreis der neuen Aktien „den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreiten“ (§ 186 Abs. 3 S. 4 AktG). Dabei wird ein Abschlag von bis zu 5% in der Regel noch als zulässig angesehen. Die damit verbundene Einschränkung der Preisfestlegung im Rahmen von Kapitalerhöhungen wird zunehmend kritisiert. Andere europäische Rechtsordnungen wie beispielsweise Luxemburg oder die Niederlande kennen eine solch rigide Beschränkung von Abschlägen nicht und bieten bei der Vermarktung daher deutlich mehr Spielraum.
Liquidität nimmt zu
Bei den jüngsten Platzierungen bestehender Aktienpakete lagen die Abschläge auf den letzten Schlusskurs der Aktie in der Regel über 5%. Die Investoren konnten die Aktien daher zu einem günstigeren Preis erwerben, als dies bei einer Platzierung neuer Aktien unter Bezugsrechtsausschluss möglich gewesen wäre. Einen Ausnahmefall stellte die Platzierung des Aktienpakets an der Commerzbank durch den Bund an die Unicredit dar, das zu einem Preis über dem letzten Schlusskurs veräußert werden konnte. In diesem Zusammenhang erklärte die Deutsche Finanzagentur, dass das Angebot der Unicredit die übrigen Angebote deutlich überboten habe.
In der öffentlichen Wahrnehmung von Umplatzierungen stehen häufig die Gewinnmitnahmen bzw. Erlöse der Aktionäre im Vordergrund. Weniger Beachtung finden hingegen die weiteren Effekte wie die Diversifizierung der Aktionärsbasis und die mögliche Steigerung der Liquidität durch Erhöhung des Streubesitzes.
Wechsel des Ankeraktionärs
Wird das Aktienpaket breit gestreut und nicht nur an einen oder wenige Investoren veräußert, profitiert damit auch der Emittent, dessen Aktien für institutionelle Investoren attraktiver werden. Dieser Effekt ist für Emittenten nicht zu unterschätzen, kommt der Liquidität einer Aktie doch besonderes Gewicht bei der Investitionsentscheidung institutioneller Investoren zu. Dies gilt insbesondere in Zeiten höherer Volatilität, da liquide Aktien den Investoren ermöglichen, ihre Position kurzfristig marktschonend zu reduzieren.
Zum Nachteil für den Emittenten gerät eine Beteiligungsreduzierung erst dann, wenn hiermit der Verlust eines Ankeraktionärs einhergeht. Besteht daher ein Interesse an einem (vollständigen) Abverkauf, wie dies z.B. häufig bei Private-Equity-Investoren der Fall ist, hat der Emittent daher ggf. ein Interesse, gleichzeitig einen oder mehrere neue Ankeraktionäre zu gewinnen.
Ein Beispiel für einen gelungenen Wechsel des Ankeraktionärs war die jüngste Umplatzierung bei Renk: Durch die letzte wesentliche Umplatzierung im Februar wechselte die größte Beteiligungsposition an Renk vom Private-Equity-Investor Triton zum deutsch-französischen Konzern KNDS, der nunmehr rund 25% hält.
Insiderrechtliche Relevanz prüfen
Im Vorfeld eines möglichen Paketverkaufs ist stets auch das Vorliegen einer möglichen Insiderinformation zu prüfen. Unterliegt auch der Verkäufer der Ad-hoc-Publizität, kann ein Paketverkauf eine den Verkäufer und/oder den Emittenten betreffende Insiderinformation darstellen.
Ersteres ist der Fall, wenn dem möglichen Verkaufserlös mit Blick auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Verkäufers ein Kursbeeinflussungspotential zukommt oder der Abverkauf für den Verkäufer von strategischer Bedeutung ist. Letzteres ist der Fall, wenn mit dem Paketverkauf (i) eine wesentliche Änderung in der Aktionärsstruktur zu erwarten ist, (ii) strategische Zielsetzungen des Aktionärs verfolgt werden, welche die künftige Entwicklung des Emittenten beeinflussen, oder (iii) potenzielle Auswirkungen auf die Unternehmensplanung zu erwarten sind. Diese Aspekte sind bei der Strukturierung und Kommunikation der Transaktion sowie der Ansprache der Investoren zu beachten.
*) Dr. Julian Schulze De la Cruz ist Partner und Dr. Philip M. Schmoll ist Associated Partner der Kanzlei Noerr in Frankfurt am Main.