Wenn der Insolvenzverwalter am Gesellschaftertisch sitzt
Herr Prüfer, die potenziellen Vorteile von Joint Ventures sind hinlänglich bekannt – seien es Synergien bei Forschungsausgaben, Technologietransfer oder eine Portfoliodiversifikation. Wie steht es um ein Joint Venture, wenn einer der Partner in eine Krise gerät?
Joint Ventures können zweifelsohne strategische Vorteile bieten. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass das Management eines Gemeinschaftsunternehmens bereits in ruhigen Zeiten häufig hohe Anforderungen an die Beteiligten stellt – schließlich bleiben die Joint-Venture-Partner rechtlich und wirtschaftlich voneinander unabhängig und damit autonome Akteure. Gerät jedoch auch nur einer der Partner in wirtschaftlich schwieriges Fahrwasser, kann es besonders problematisch für das Gemeinschaftsunternehmen und die übrigen Partner werden.
Wo liegen die Stolperfallen?
Wenn ein Joint-Venture-Partner in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, bleibt das nicht ohne Folgen für das gemeinsame Unternehmen. Häufig werden dann die Managementkapazitäten des in Schwierigkeiten befindlichen Partners voll aufgezehrt, so dass dieser der Geschäftsentwicklung des Joint Venture allenfalls wenig Aufmerksamkeit schenkt. Hinzu kommt nicht selten, dass von ihm zugesagte Finanzmittel bestenfalls in spürbar reduziertem Umfang bereitgestellt werden. Spätestens wenn sich der strauchelnde Partner nach einem Käufer für seinen Anteil umsieht, ist das ein Alarmzeichen für die übrigen Teilhaber.
Welches Risiko droht bei der Insolvenz eines Partners den übrigen Teilhabern?
In diesem Fall müssen sich die anderen Partner darauf einstellen, dass schon bald ein Insolvenzverwalter Teil des Gesellschafterkreises wird. Die Beteiligung an einem Gemeinschaftsunternehmen fällt eindeutig in die Insolvenzmasse, die von einem Insolvenzverwalter beansprucht werden wird. Das grundlegende Problem dabei ist, dass ein Insolvenzverwalter ein grundsätzlich anderes Interesse verfolgt als die ursprünglichen Partner. Sein Ziel gilt der Befriedigung von Gläubigeransprüchen. Dazu kann er etwa nach einem Käufer für den Anteil des insolventen Teilhabers suchen – egal, ob dieser den übrigen Partnern mit seiner Agenda dann passt oder nicht. Dieses Szenario ist ein entscheidendes Risiko.
Aber doch nur, wenn eine Veräußerung der Anteile nicht der Zustimmung des Gesellschafterkreises unterliegt? Solche Klauseln sind weit verbreitet.
Solche Veräußerungsbeschränkungen, sogenannte Vinkulierungsklauseln in der Satzung der Gesellschaft oder im Konsortialvertrag der Teilhaber, kann ein Insolvenzverwalter mit dem Argument kontern, dass das Verwertungsinteresse der Gläubiger schwerer wiegt. Seine Erfolgsaussichten dabei sind gut.
Wie können sich Unternehmen vor dem Risiko unerbetener Teilhaber an ihrem Joint Venture schützen?
Schutz bieten letztlich nur Vertragsklauseln, die den Ausschluss eines insolventen Partners gegen eine grundsätzlich vollwertige Abfindung ermöglichen. Allerdings sind nicht alle Satzungen und Konsortialverträge diesbezüglich ausreichend ausgestattet. Außerdem belasten Abfindungen die Liquidität.
Wovon sollten es Unternehmen also nun abhängig machen, ob sie an einem Joint Venture festhalten?
Letztlich ist das eine rein wirtschaftliche Entscheidung, für die Kosten und Nutzen gegeneinander abgewogen werden müssen. Wenn das Joint Venture von strategischer Relevanz für die Entwicklung der übrigen beteiligten Unternehmen ist, kann es Sinn machen, den in die Bredouille geratenen Partner finanziell zu stützen. Diesen Kosten steht das Risiko eines unliebsamen neuen Mitgesellschafters gegenüber, den man schlecht in das Konsortium einbinden kann und den man gegebenenfalls sogar herauskaufen muss. Diese Kosten muss man im Einzelfall abwägen.
Dr. Sven Prüfer ist Partner bei Allen & Overy im Bereich Insolvenzrecht und Restrukturierung.
Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.