Cum-ex

Schweiz will Hanno Berger ausliefern

Der in Schweizer Auslieferungshaft sitzende Steueranwalt Hanno Berger muss sich wegen seiner Beteiligung an Cum-ex-Geschäften zulasten des Fiskus wohl bald vor deutschen Gerichten verantworten.

Schweiz will Hanno Berger ausliefern

Von Antje Kullrich, Düsseldorf, und Anna Sleegers, Frankfurt

Der als Architekt der Cum-ex-Geschäfte durch schwerreiche Privatinvestoren geltende Steueranwalt Hanno Berger wird sich wohl bald vor der deutschen Justiz verantworten müssen. Wie am Dienstag bekannt wurde, hat das Schweizer Bundesamt für Justiz die Auslieferung von Steuerrechtsanwalt Hanno Berger bewilligt, nachdem er seine Rechtsmittel ausgeschöpft hat. Berger hatte sich in den vergangenen Monaten mit allen ihm zur Verfügung stehenden Instrumenten gegen eine Auslieferung gewehrt.

Den Auslieferungsantrag gestellt hatte sowohl die hessische als auch die nordrhein-westfälische Justiz. Beiden Begehren wurde nach An­gaben der Sprecherin des NRW-Ministeriums und des Sprechers der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt stattgegeben. Der nächste Schritt ist die Überstellung des Beschuldigten an die deutsche Justiz. Das Schweizer Bundesamt äußerte sich zunächst nicht zu dem Fall. Aus Sicherheitsgründen informiere man nie vor dem Vollzug einer Auslieferung.

Berger, der zunächst in der Frankfurter Finanzbehörde Karriere gemacht hat, gilt als Schlüsselfigur des Cum-ex-Skandals. Nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst beriet er zunächst als Partner der mittlerweile insolventen US-Kanzlei Dewey & LeBoeuf, von 2010 an mit der eigenen Kanzlei Berger Steck & Kollegen Banken und verfasste Rechtsgutachten zu Cum-ex-Transaktionen. Zudem vermittelte er reiche Privatinvestoren an Cum-ex-Fonds mehrerer Finanzdienstleister.

Der mittlerweile 71-Jährige gehört zu den Angeklagten im Cum-ex-Strafprozess am Landgericht Wiesbaden. Dort geht es um 61 Leerverkaufstransaktionen mit Dax-Titeln, die Wertpapierhändler der HVB zwischen 2006 und 2008 für das Family Office des verstorbenen Immobilieninvestors Rafael Roth umsetzten. Berger soll nicht nur den Kontakt zwischen der HVB und Roth hergestellt haben, sondern sich auch maßgeblich an der Konzeption der Geschäfte beteiligt haben, die einen Steuerschaden von rund 106 Mill. Euro verursachten. Das Verfahren gegen Berger wurde im März 2021 abgetrennt, weil dieser nicht vor Gericht erschien (Az. 6 KLs – 1111 Js 27125/12).

Auch das Landgericht Bonn hat bereits vor einem Jahr ein Verfahren gegen Berger eröffnet (Az. 62 KLs 2/20). Die Staatsanwaltschaft Köln wirft Berger besonders schwere Steuerhinterziehung in drei Fällen vor, bei denen ein Schaden für die Staatskasse von 278 Mill. Euro entstanden sein soll.

In diesem Verfahren geht es wie bei den bereits abgeschlossenen drei Cum-ex-Strafprozessen am Landgericht Bonn um die Transaktionen der Hamburger Privatbank M.M. Warburg. Berger soll auch hier den Kontakt zwischen den Akteuren hergestellt haben. Laut den dort vernommenen Zeugen war er es, der die Geschäfte an Warburg herangetragen und eingefädelt hatte.

Der aus der hessischen Provinz stammende Berger lebt seit mehreren Jahren mit seiner Ehefrau in der Schweiz. Nach Überzeugung der Ermittlungsbehörden war er dorthin Ende 2012 geflüchtet, als er von einer Razzia in seiner Kanzlei erfahren hatte. Seit seiner Festnahme im Kanton Graubünden im vergangenen Sommer sitzt er in Auslieferungshaft.

Beschwerden abgelehnt

Seine Beschwerden gegen die Auslieferung nach Deutschland sind von mehreren Instanzen abgelehnt worden. Berger und sein Anwalt hatten unter anderem damit argumentiert, dass die ihm vorgeworfenen Delikte in der Schweiz nicht strafbar gewesen wären. Das hatte das Schweizer Bundesstrafgericht zurückgewiesen. „Es kann offensichtlich nicht richtig sein, dass eine einbehaltene Steuer zweimal ausgezahlt wird“, so das Gericht. Das Vorgehen sei als arglistig zu bezeichnen.

Bei Cum-ex-Geschäften schoben Banken und Investoren Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttungsanspruch unter Einbeziehung von Leerverkäufern rund um den Dividendenstichtag hin und her. Der Gesamtschaden für den deutschen Fiskus ist immer noch nicht klar. Er soll bei mindestens 12 Mrd. Euro liegen, könnte aber auch drei Mal so hoch ausgefallen sein.

Über die bereits eröffneten Verfahren an den Landgerichten Frankfurt und Wiesbaden hinaus ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt in insgesamt 13 Cum-ex-Komplexen. Unterdessen kommen in Köln die Ermittlungen zu weiteren Steuerhinterziehungsmodellen voran. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) hat in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ darauf hingewiesen, dass auch mit anderen Handelsstrategien ausschließlich Steuergewinne erzielt worden seien. Es gebe starke Verdachtsmomente, dass Cum-ex nur die Spitze des Eisbergs gewesen sei.

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