Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Uwe Hartmann

"Einlagensicherungsfonds der Banken schützt nach wie vor komfortabel"

In der Aufsicht ist aufgrund der Finanzkrise mit weiteren Regularien zu rechnen

"Einlagensicherungsfonds der Banken schützt nach wie vor komfortabel"

– Herr Hartmann, die Kreditkrise und die Probleme zahlreicher Großbanken führen zu der Frage: Ist der Einlagensicherungsfonds der privaten Banken in seiner heutigen Form noch zeitgemäß?Dies wird immer wieder in Frage gestellt. Tatsache ist, dass die derzeitige Einlagensicherung der deutschen Privatbanken über den europarechtlich geforderten und tatsächlichen Mindestschutz in anderen EU-Staaten deutlich hinausgeht. In der Krise deutscher Privatbanken greift nach der gesetzlichen Einlagensicherung die freiwillige Sicherung durch den freiwilligen Einlagensicherungsfonds, kurz ESF. Der ESF schützt einzelne Kundeneinlagen von jeweils bis zu 30 % des haftenden Eigenkapitals der Bank. Aus Kundensicht besteht somit ein auch im internationalen Vergleich komfortabler Schutz. – Das Spektrum des Einlagensicherungsfonds zur Krisenbewältigung ist groß: Es reicht von der Abwicklung, wie bei der Weserbank, bis zur Übernahme, um eine Reorganisation zu gewährleisten, wie bei der Düsseldorf Hyp. Ist das künftig noch tragbar?Ja, und sogar erforderlich, weil eine Bankenkrise keinem bestimmten Muster folgt. Daher bewahrt ein breites Spektrum die notwendige Flexibilität. Zunächst gibt es eine Reihe von Maßnahmen zur Krisenvermeidung, nicht nur durch den ESF. Dazu gehören regelmäßige Buchprüfungen und Einstufungen durch den Prüfungsverband deutscher Banken, laufende Aufsicht durch die BaFin, Sonderprüfungen. Garantien zur Risikoabschirmung, Liquiditätshilfen und Gläubigerbefriedigung sowie Übernahme der Kontrolle durch den ESF mögen greifen, wenn die Krise nicht mehr abzuwenden ist. In der Aufsicht ist aufgrund der Finanzkrise mit weiteren Regularien zu rechnen. – Die Sozialisierung der Verluste durch die spezielle Form der Einlagensicherung: Welche Alternative wäre denkbar? – Die Übernahme von durch den ESF erlittenen Verlusten durch dessen Mitgliedsbanken ist nicht systematisch angelegt. Immerhin sollen direkt oder indirekt kontrollierende Gesellschafter einer Bank den ESF von erlittenen Verlusten freistellen. Dies ist als Risikoallokation auch angemessen, soweit eine Krise in deren Verantwortungsbereich entsteht. Doch greift dies nicht, wenn es keine Mehrheitsgesellschafter gibt oder ein solcher selbst überfordert wäre. Eine weitere Maßnahme zur Verlustminimierung liegt in der Auslagerung der Sanierung und der Heranziehung externer Expertise, wie z. B. durch erfahrene Finanzinvestoren. Die erfolgreiche Sanierung der ehemaligen AHBR hat gezeigt, dass Krisen nicht zwingend durch die Bankengemeinschaft selbst bewältigt werden muss. Auch der Verkauf der IKB folgt dieser Überlegung, zumal der ESF und das Finanzsystem im Falle einer Abwicklung der IKB an ihre Grenzen gestoßen wären. Ich erwarte in dieser Hinsicht künftig eine weitere Öffnung in Richtung Finanzinvestoren – auch außerhalb konkreter Sanierungsszenarien. – Welche Rolle spielt die Einlagensicherung für Übernahmen von deutschen Privatbanken durch Finanzinvestoren? Was wäre zu ändern aus Ihrer Sicht?Der ESF wirkt für eine Mitgliedsbank in der Krise stabilisierend, sei es auch nur aufgrund seines bloßen Bestehens. Die Sicherung ermöglicht häufig immer noch die Refinanzierung über Kundeneinlagen und wirkt daher liquiditätsstützend. Dies kommt indirekt auch einem Finanzinvestor zugute. Der ESF fordert von allen direkt oder indirekt kontrollierenden Gesellschaftern eine unbefristete und unbeschränkte Haftung. – Und die besteht?Ungeachtet dessen, ob die Ursache der Krise vor dem Einstieg des Investors liegt und damit außerhalb von dessen Einflussmöglichkeit oder erst danach – und damit in seiner Verantwortung. Im Interesse verantwortungsorientierter Risikoallokation sollte der neue Gesellschafter für Ursachen aus der Zeit vor der Übernahme, die sich innerhalb einer bestimmten Zeit danach verwirklichen, gegenüber dem ESF nicht haften. Hierfür sollte allein der Altgesellschafter verantwortlich bleiben. Bisher kann der ESF beide in Anspruch nehmen. Darüber hinaus wäre im Interesse besserer Transparenz zu überlegen, die Haftung gegenüber dem ESF zu begrenzen, z. B. entsprechend den geschützten Einlagen im Zeitpunkt der Krise. – Könnte der Einlagensicherungsfonds die Abwicklung einer Großbank finanziell bewerkstelligen?Nein. Die Solvenz einer Sicherungseinrichtung ist nur so gut wie deren Dotierung. Die satzungsgemäße Möglichkeit des ESF zu Umlagen auf seine Mitgliedsbanken ist begrenzt. Die Mittel des ESF sind es demnach auch. Seine derzeitige Liquidität wird auf zum Teil deutlich unter 10 Mrd. Euro geschätzt. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Zur Verdeutlichung: Für 2007 belaufen sich die geschützten Kundeneinlagen bei deutschen Großbanken auf über 1 000 Mrd. Euro. Daher reichte die Liquidität des ESF für die Abwicklung einer Großbank nicht aus, um deren Kundeneinlagen zurückzuzahlen.Dr. Uwe Hartmann ist Anwalt bei Weil Gotshal & Manges in Frankfurt.Die Fragen stellte Walther Becker.