RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: HERMANN KNOTT

Entwarnung für Unternehmen Klagen in den USA eingeschränkt

Supreme Court nimmt den Fall Daimler zur Überprüfung an

Entwarnung für Unternehmen Klagen in den USA eingeschränkt

– Herr Dr. Knott, unter welchen Voraussetzungen können deutsche Muttergesellschaften vor US-Gerichten verklagt werden?Die Berührungspunkte zu den USA müssen so eng sein, dass es unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist, das Verfahren vor amerikanischen Gerichten zu führen. Dieses Kriterium wurde in der Vergangenheit weit ausgelegt, also zugunsten der Kläger. Der US Supreme Court hat nun ein Urteil des Bundesgerichts in Kalifornien zur Überprüfung angenommen, nach dem die Daimler AG wegen angeblich in Argentinien begangener Menschenrechtsverletzungen vor US-Gerichten verklagt werden kann. Die Entscheidung wird für den Herbst erwartet und soll wesentliche Aufschlüsse zur Frage liefern, unter welchen Voraussetzungen US-Gerichte für Klagen gegen ausländische Konzernmütter zuständig sind.- Welche Fälle gab es zuletzt?Die Rechtsprechung des US Supreme Court zeigt in jüngster Zeit eine erfreuliche Zurückhaltung, wenn es um die Zuständigkeit in Verfahren mit geringem US-Bezug geht. So lehnte das Gericht kürzlich im Fall Kiobel die Zuständigkeit der US-Gerichte für Ansprüche wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen von Shell in Nigeria ab. In der Entscheidung Goodyear wurden US-Gerichte als unzuständig angesehen, sich mit einer Klage gegen im Ausland ansässige Gesellschaften der Goodyear-Unternehmensgruppe zu befassen. Diese hatten angeblich fehlerhafte Reifen hergestellt, die in Frankreich einen Unfall verursacht hatten, zu dessen Opfern US-Staatsbürger gehörten. Im Fall Morrison hat der US Supreme Court die Zuständigkeit für Klagen wegen Kursmanipulationen abgelehnt, wenn die betroffenen Wertpapiere an ausländischen Börsen gehandelt werden.- Können deutsche Konzerne für das Fehlverhalten einer US-Tochtergesellschaft nach US-Recht belangt werden?Die Praxis der einzelnen Berufungsgerichte war bisher nicht eindeutig: Die meisten lassen eine Klage gegen die deutsche Obergesellschaft nur zu, wenn diese eine besondere Kontrolle über die US-Tochtergesellschaft ausübt (Alter-Ego-Test). Die Gerichte in den Bezirken, zu denen die Staaten Kalifornien und New York gehören, halten die US-Gerichte für Klagen gegen die Muttergesellschaft auch in denjenigen Fällen für zuständig, in welchen die US-Tochter eine Geschäftstätigkeit entfaltet, die für die Unternehmensgruppe so wichtig ist, dass die Muttergesellschaft sie selbst wahrnehmen würde, wenn es die US-Tochtergesellschaft nicht gäbe (Agency-Test). Die Zuständigkeit aufgrund des Agency-Tests steht im Fall Daimler zur Überprüfung an.- Inwiefern?Das Berufungsgericht in Kalifornien hatte den Verkauf von Automobilen durch die US-Tochter von Daimler als so wesentlich angesehen, dass die Kriterien des Agency-Tests erfüllt seien: Wenn es die US-Tochter nicht gäbe, hätte Daimler selbst den Verkauf von Automobilen in den USA betrieben.- Welche Aussichten bestehen für deutsche Unternehmen aufgrund des Falls Daimler?In Kiobel hatte der Supreme Court die Zuständigkeit für die Klage der Opfer mit der Begründung abgewiesen, das entsprechende Spezialgesetz erfasse nur in den USA begangene Menschenrechtsverletzungen. Mit dem Fall Daimler nimmt das Gericht nun erneut einen Fall zur Überprüfung an, der im Ausland begangene Menschenrechtsverletzungen betrifft. Das Gericht könnte den Fall daher dazu nutzen, die Zuständigkeit der US-Gerichte für Klagen gegen ausländische Konzernmütter generell abzulehnen, wenn es um Handlungen – wie hier die angeblichen Menschenrechtsverletzungen in Argentinien – geht, die keinen Bezug zur Tätigkeit der Unternehmensgruppe im Gerichtsstaat haben – in diesem Fall Kalifornien. Ein solches Ergebnis wäre aus Sicht der deutschen Unternehmen sehr zu begrüßen. So könnte die große Unsicherheit beseitigt werden, die bisher besteht, weil Konzernmuttergesellschaften wegen Handlungen, die sich ganz woanders ereignen, vor US-Gerichten verklagt werden können, nur weil sie mit diesen Handlungen nicht in Zusammenhang stehende Geschäftstätigkeiten in den USA verfolgen.—-Dr. Hermann Knott ist Partner bei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft. Die Fragen stellte Walther Becker.