RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: CHRISTOPH ABELN

Wie Manager sich um Kopf und Kragen reden

Vorsicht bei vermeintlichen und unterstellten Compliance-Verstößen geboten

Wie Manager sich um Kopf und Kragen reden

In Compliance-Untersuchungen werden Manager immer öfter zu scheinbar harmlos erscheinenden Gesprächen eingeladen. Besonders heikel sind derartige Unterredungen, wenn sie auf Initiative der US-Börsenaufsicht SEC und unter Anwesenheit von deren Mitarbeitern und Anwälten stattfinden. Im Glauben, nichts zu verbergen zu haben, laufen gutgläubige Führungskräfte Gefahr, ihren Job zu verlieren, weil Bauernopfer gefunden werden müssen.- Herr Dr. Abeln, was sollten Führungskräfte beachten?Führungskräfte sollte sich zunächst klarmachen, dass nicht jeder angebliche Verstoß gegen Compliance-Vorschriften das Unternehmen berechtigt, das Anstellungsverhältnis zu beenden. Sie meinen zum Teil, dass Unternehmen unter Berufung auf Compliance-Verstöße sich losgelöst vom Kündigungsschutzgesetz von Mitarbeitern trennen können. Dies ist jedoch nicht der Fall und beruht auf weit verbreiteten Irrtümern.- Welchen?Zum einen genießen Führungskräfte vollen Kündigungsschutz. Zum anderen muss im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung ein arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß festgestellt werden. Bei einem Compliance-Verstoß ist deshalb zu fragen, ob die vorgebliche Pflichtverletzung so schwer ist, dass ein Kündigungsgrund vorliegt. Nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverstößen, etwa im Falle eines Betruges oder bei erwiesenen Korruptionsfällen, kann eine sofortige Beendigung des Vertrages gerechtfertigt sein. Bei minder schweren Fällen bedarf es auch bei Führungskräften in der Regel einer vorherigen Abmahnung. Das wird jedoch von den wenigsten Unternehmen beachtet. Schließlich muss differenziert werden, ob ein Verstoß gegen Compliance-Regelungen vorliegt oder dem Compliance Officer ein Vorwurf gemacht wird.- Wo liegt die besondere Gefahr für Gesprächseinladungen ?Unternehmen sind sich oftmals nicht sicher, wem etwas vorgeworfen werden kann. Führungskräfte meinen, dass Sie sich ja richtig verhalten haben und erteilen bereitwillig Auskunft. Oftmals ergibt sich aus derartigen Gesprächen erst ein Verdacht auch gegen vorher unbedarfte Führungskräfte. Dies ist umso gefährlicher als es um Sachverhalte geht, die lange zurückliegen. Das Gespräch wird in der Regel protokolliert und dann gegen den Betroffenen verwertet. In der Regel greifen Unternehmen dann, soweit nur ein Verdacht vorliegt, zum Mittel der so genannten Verdachtskündigung.- Was ist daran falsch?Die Verdachtskündigung muss auf konkrete und überprüfbare Indizien gestützt werden. Dem Verdächtigen muss Gelegenheit gegeben werden, zuvor sämtliche Unterlagen die Gegenstand des Verdachts sind, zu prüfen, um erst dann eine gegebenenfalls schriftliche Erklärung abzugeben. Der Verdächtige hat sogar das Recht, die Stellungnahme unter Hinzuziehung eines Anwalts abzugeben. Dies sollte er auch tun, da es je nach Einzelfall nicht nur um arbeitsrechtliche, sondern auch um strafrechtliche Fragen gehen kann. Diese Rechte werden der Führungskraft genommen, wenn die Gesprächssituation nicht zuvor geklärt wird.- Was sollten Führungskräfte tun?Sich nicht überraschen lassen. Zunächst sollte geklärt werden, was Thema ist und wer an dem Gespräch teilnimmt. Keine Führungskraft muss derartige Unter redungen ohne Zeugen führen. Es sollte geklärt werden, ob die Führungskraft als Verdächtiger oder Zeuge gilt. Eine Stellungnahme sollte nicht ohne schriftliche Vorlage der Unterlagen durch das Unternehmen erfolgen, die vorgeblich Grundlage der Vorwürfe oder vermeintlichen Pflichtverstöße sind. Spontane Äußerungen zu lang zurückliegenden Sachverhalten sollten unterlassen werden. Sind Sie Beschuldigter, sollte ohne Unterstützung einer erfahrenen rechtlichen Beratung keine Stellungnahme abgegeben werden. Sollten Sie sich tatsächlich an Einzelheiten nicht erinnern, so äußern Sie dies; nichts ist schädlicher, als sich um Kopf und Kragen zu reden. Protokolle, die Sie am Ende eines solchen Gesprächs unterschreiben sollen, sind mit Vorsicht zu genießen.—-Dr. Christoph Abeln ist Partner der Abeln Rechtsanwaltsgesellschaft. Die Fragen stellte Walther Becker.