ANLAGEPRODUKTE - IM INTERVIEW: THORSTEN MICHALIK, DEUTSCHE BANK

"Wir veröffentlichen täglich das Swap-Risiko"

ETF-Experte beklagt Imageschaden der Industrie durch aktuelle Diskussion - Forderung nach einem unabhängigen Verband

"Wir veröffentlichen täglich das Swap-Risiko"

Die ETF-Markt hat in den vergangenen Jahren einen kräftigen Aufschwung erlebt. Indexfonds stehen wegen des Swaprisikos und Intransparenz in der Kritik. Thorsten Michalik von DB X-Trackers äußert sich im Interview der Börsen-Zeitung zu Transparenzverbesserungen und einem ETF-Verband.- Herr Michalik, der Financial Stability Board (FSB), die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und die Bundesbank haben vor wenigen Wochen die Risiken in der Konstruktion vor allem der swapbasierten börsengehandelten Indexfonds kritisiert. Haben Sie bei Ihren Anlegern eine Verunsicherung festgestellt?Investoren zu schützen und zu informieren ist uns sehr wichtig. Deshalb begrüßen wir die derzeitige Diskussion, die von den verschiedensten Aufsichtsbehörden angestoßen worden ist. Interessanterweise werden aber die meisten jetzt angesprochenen Punkte schon seit Jahren in der ETF-Industrie diskutiert. Durch Anregungen aus Kundengesprächen haben wir in den vergangenen zwei Jahren – also schon weit vor der jetzigen Kritik – Produktverbesserungen eingeführt, die weit über die Mindeststandards hinausgehen, die jetzt für die Branche gefordert werden. Nehmen Sie hier nur die täglich aktualisierte Veröffentlichung der Sicherheiten für alle ETF auf unserer Webseite, aber auch die Qualitätsstandards, die wir für diese Sicherheiten ansetzen. Insgesamt sehen wir bei unseren DB-X-Trackers-Kunden weniger Verunsicherung, sie wünschen sich eher, dass unsere Konkurrenz unsere Standards übernimmt.- Wie hat sich die Staatsschuldenkrise in den vergangenen Wochen auf das Anlageverhalten der Investoren bei den ETF ausgewirkt?Deutsche Staatsanleihen, Gold- und Short-Produkte sind des Anlegers Lieblinge geworden.- Sie sind nun in Europa die Nummer 2 unter den ETF-Anbietern. Wie sehen Ihre weiteren Ziele aus?Erst einmal ist das Erreichen des zweiten Platzes in Europa nach dem in ETF verwalteten Vermögen eine tolle Auszeichnung für unser Team. Gerade wenn man bedenkt, dass wir erst seit viereinhalb Jahren richtig aktiv im ETF-Geschäft sind – die bisherige Nummer 1 und 2 dagegen seit mehr als zehn Jahren. Viel beeindruckender ist aber die Tatsache, dass alle Konkurrenten, die nach uns ins ETF-Geschäft in Europa eingestiegen sind, zusammengenommen nicht so viel Anlegergelder einsammeln konnten wie DB X-Trackers. Dieser Erfolg liegt vor allem in unserer Produktinnovation und -qualität und dem Service von DB X-Trackers begründet. Gerade über den Kundenservice wollen wir unsere Position als Nummer 2 in Europa festigen.- Mit mehr als 800 ETF ist das Angebot bei Indexfonds in Deutschland sehr groß. Wo sehen Sie denn noch sinnvolle Ergänzungen in dem Produktangebot?Auf der Rentenseite erwarte ich noch einige sinnvolle Ergänzungen. Wir arbeiten gerade an einem neuartigen Rentenprodukt mit dem Erfolgspotenzial unseres 2007 aufgelegten Eonia ETF. Damals hatte niemand vermutet, dass ein einfacher Geldmarkt-ETF innerhalb von 18 Monaten auf ein Volumen von 6,5 Mrd. Euro wachsen könnte. Oder schauen Sie sich unsere zehn neuen Sektor-ETF auf den MSCI Emerging Markets Index an. Die haben auch eine Daseinsberechtigung.- Sie bieten in mehreren Regionen dieser Welt ETF an. Gibt es einen Unterschied im Anlageverhalten beispielsweise von Asiaten und Europäern?Eindeutig ja. ETF in Europa sind eher langfristige Anlageinstrumente. ETF in Asien werden dagegen meist als Tradinginstrumente gesehen. ETF auf Indizes, die einen Markt außerhalb Asiens abdecken – zum Beispiel den US-Aktienindex S & P 500, der während der asiatischen Handelszeiten nicht gehandelt wird – werden von asiatischen Investoren nicht angerührt. Denn hier können die Anleger intraday keine Gewinne erzielen. Dagegen lieben es Anleger aus Japan oder Hongkong, ETF zu handeln, die den Aktienmarkt in Vietnam oder Indonesien abbilden. Hier sind hohe prozentuale Tagesschwankungen möglich, die die Anleger ausnutzen wollen.- Sie haben in den vergangenen Monaten mit Direktbanken kooperiert, um vermehrt Privatanleger für das Produkt Indexfonds zu interessieren. Wird der ETF nun auch ein Privatanlegerprodukt?Bei Privatkunden gibt es einerseits Kunden, die Beratung brauchen, und diese muss dann auch vergütet werden. Sollte hier das Vergütungsmodell von Ausgabeaufschlägen auf eine laufende Beratungsgebühr umgestellt werden, dann haben ETF hier eine Chance. Dann gibt es andererseits noch den selbst entscheidenden Privatkunden, dieser ist schon stark in ETF engagiert. Diese Kundengruppe hat aber auch eine hohe Affinität zur Börse und Finanzinstrumenten. Aber klar festzuhalten bleibt, dass in Europa ETF von Kunden “gekauft” werden und nicht an Kunden “verkauft”. Diese Tatsache relativiert teilweise auch die momentane Kritik zu ETF.- Es wurde zuletzt von der Bundesbank kritisiert, dass es zu einem Interessenkonflikt kommen kann, wenn Swapanbieter und ETF-Anbieter aus einem Haus kommen. Was spricht dagegen, unterschiedliche (nicht hauseigene) Swapanbieter zu nutzen?Viel. Es ist es eine unserer Kernbotschaften, dass alle Services rund um den ETF von der Deutschen Bank kommen. Aus allen Kundengesprächen wissen wir, Kunden bevorzugen eine klare und einfache Aussage zu den Risiken von ETF. Bei einem DB-X-Trackers-ETF ist Deutsche Bank der Anbieter des dahinterliegenden Swaps. Das Risiko daraus darf nicht mehr als 10 % betragen, bei den meisten ETF liegt sogar eine Übersicherung vor. Der Kunde muss also nicht durch kompliziertes Suchen und Erfragen herausfinden, wer hinter welchen ETF steht, wie das bei Anbietern “multipler” Swap-ETF der Fall ist. Dort kann das Swaprisiko viel höher als maximal 10 % sein. Dazu kommt: Viele ETF könnten wir gar nicht anbieten, wenn nicht die Deutsche Bank als Swappartner fungierte, da nur die Deutsche Bank imstande ist, zum Beispiel unsere Rohstoff- oder Hedgefonds abzubilden.- Es wird häufig die Intransparenz von swapbasierten wie auch von physischen ETF kritisiert. Wie ließe sich die Transparenz der Indexfonds noch steigern?Wir veröffentlichen täglich das Swaprisiko und die dazugehörigen Sicherheiten im Internet und bieten zusätzlich mit unseren Sicherheiten eine höhere Qualität, als der Gesetzgeber fordert – mit dieser Transparenzinitiative haben wir die Messlatte sehr hoch gelegt. Mir ist kein anderer ETF-Anbieter bekannt, der aktuell einen solchen Standard bietet, vor allem gerade bei den physischen ETF, wenn es um die Wertpapierleihe geht. Was aber nicht heißen soll, dass wir nicht noch weitere Standards setzen könnten.- Gemäß den Ucits-III-Regeln darf das Risiko bei swapbasierten ETF nicht größer als 10 % sein. Ist das Risiko tatsächlich nicht doch größer, wie Andreas Dombret von der Deutschen Bundesbank vermutet, wenn mehrere Vertragspartner gleichzeitig ausfallen und die Sicherheiten im Kollateralbasket illiquide sind?Wie oben schon angesprochen kann das bei DB X-Trackers nicht der Fall sein, da unsere ETF nur einen Vertragspartner haben. Außerdem sind unsere Sicherheiten bei sehr vielen Aktien-ETF sogar noch liquider als die Aktien aus dem zugrunde liegenden Index. Bei Staatsanleihen-ETF gehen wir sogar noch einen Schritt weiter. Dort liegen im Fondsvermögen zum großen Teil dieselben Wertpapiere, die vom unterliegenden Index abgebildet werden.- Ein großer europäischer Verband der ETF-Anbieter ist offenbar nicht durchsetzbar. Stattdessen sollen sich die großen Fondsverbände wie der BVI in Deutschland oder der Efama (European Fund and Asset Management Association) auch für die ETF einsetzen. Ist das praktikabel?In jeder ETF-Präsentation finden Sie eine Seite, die zeigt, ein ETF definiert sich aus einem Fonds- und einem Handelsteil. Wenn es rein um das Asset Management geht, sind klar BVI und Efama im “Driving Seat” und machen hier auch hervorragende Arbeit. ETF werden aber in Europa wie schon in Amerika immer mehr zu einem Handelsinstrument. Hier brauchen wir einen unabhängigen Verband, der alle Teilnehmer der ETF-Industrie an einen Tisch bringt. Die ETF-Industrie kann sich nicht noch einmal so einen Imageschaden erlauben wie die derzeitige Diskussion um die ETF-Strukturen. Hätte man als Verband früher agiert und nicht wie jetzt durch einzelne Initiativen reagiert, würde die momentane Diskussion auf einem anderen Niveau geführt. Beim Thema Handel sollte das in der Zukunft nicht noch einmal passieren.- Wie wollen Sie ohne Verband einheitliche Standards in der ETF-Branche durchsetzen?Standards für die ETF-Industrie sind dringend nötig. Es wird sich zeigen, ob die bestehenden Verbände diese zeitnah liefern können, sonst wird sich die ETF-Industrie nach Alternativen umsehen müssen.—-Das Interview führte Armin Schmitz.