Nachhaltigkeit

Im Anleihemarkt hat eine neue Ära begonnen

Der Kapitalmarkt kann Branchen und Unternehmen bei einer nachhaltigen Transformation unterstützen. Dabei können Investmentinstrumente und ein aktiver Dialog helfen.

Im Anleihemarkt hat eine neue Ära begonnen

Eine nachhaltige Realwirtschaft wird es nur geben, wenn die notwendige Transformation auch kritische Branchen und Unternehmen umfasst. Insbesondere CO2-intensive Firmen haben das Potenzial, durch eine grundlegende Veränderung ihrer Geschäftsmodelle und Prozesse eine große positive ökologische Wirkung zu erzielen. Der Kapitalmarkt kann ihnen den Weg ebnen.

Banken sind dabei als Finanzierer und als Intermediäre gefragt. Sie können die Wirtschaft nicht nur im Hinblick auf ihren Weg in eine nachhaltige Zukunft beraten, sondern auch mit neuen Finanzprodukten die Transformation aktiv unterstützen. Auch Investoren entdecken ihr Potenzial, den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit mitzugestalten.

Die deutsche Realwirtschaft durchlebt gegenwärtig einen fundamentalen Transformationsprozess. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Ansprüche an unternehmerisches Handeln verändern sich durch ökologische und soziale Herausforderungen sowie durch die Digitalisierung und Globalisierung. Massive Investitionen sind erforderlich, um Ge­schäftsmodelle, Produktionsmethoden und Prozesse zukunftsfähig zu machen und so die Chancen der nachhaltigen Entwicklung zu nutzen.

Dass Transitionsfinanzierungen im Hinblick auf eine erfolgreiche Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsagenda notwendig sind, ist daher unbestritten. Doch das kann nur gelingen, wenn dem „Schwarz-Weiß-Denken“ ein Ende ge­setzt wird. Wir können eine dekarbonisierte und nachhaltigere Welt nicht erreichen, indem wir uns ausschließlich auf wirtschaftliche Aktivitäten, Geschäftsmodelle und Sektoren konzentrieren, die bereits „dunkelgrün“ sind.

Wir können einen viel größeren positiven Einfluss auf die globale Nachhaltigkeitsagenda ausüben, indem wir dazu beitragen, „braune“ Wirtschaftsaktivitäten, Geschäftsmodelle und Industrien „hellbraun“ oder „hellgrün“ werden zu lassen, anstatt bereits „dunkelgrüne“ Aktivitäten, Modelle und Sektoren noch eine Nuance grüner zu streichen. Vor diesem Hintergrund sollte niemand, der einen realistischen, ambitionierten und transparenten Transformationspfad vorweisen kann, von nachhaltigen Finanzierungen ausgeschlossen werden.

Der Finanzsektor in seiner neuen Funktion als Sustainable-Finance-Intermediär spielt dabei eine Schlüsselrolle. Er sollte als verlässlicher Finanzierungspartner fungieren, um auch kritische Akteure und Industrien bei einer nachhaltigen und glaubwürdigen Transformation zu unterstützen. Im Sinne eines nachhaltigen Strukturwandels sollte er dazu beitragen, strategisches Know-how und Wertschöpfung zu erhalten, zu stärken und auszubauen. Zudem sollte er helfen, die Wettbewerbsposition vieler Unternehmen langfristig zu sichern. Nicht zuletzt muss der Finanzsektor die Future Champions auf ihrem Weg in die nachhaltige Marktführerschaft begleiten.

Die erfolgreiche Transformation der deutschen Realwirtschaft ist zudem nicht nur eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung Deutschlands zu einem führenden Hub für Sustainable Finance, sondern auch für die Sicherung und Stärkung Deutschlands als führenden Standort für nachhaltige Produkte und Technologien.

Relativ junges Instrument

Durch Transitionsanleihen können auch CO2-intensive Unternehmen bei ihrer Transformation unterstützt werden. Dabei handelt es sich um ein relativ junges Fixed-Income-Instrument, welches sich in die Reihe zweckgebundener, nachhaltiger An­leihen wie Green Bonds und Social Bonds einreiht. Transitionsanleihen sollen es Emittenten aus weniger nachhaltigen Sektoren ermöglichen, eine schrittweise Umstellung auf ein nachhaltigeres Geschäftsmodell zu finanzieren. Dazu zählen beispielsweise kohlenstoffintensive Indus­trien wie Öl und Gas, Eisen und Stahl, Chemie, Luftfahrt und Schifffahrt. Die Erlöse aus der Emission von Transitionsanleihen werden für nachhaltige Zwecke aufgewendet, beispielsweise zur Finanzierung von Transformationstechnologien, die den Übergang zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell ermöglichen.

Kritiker bemängeln, dass Emittenten solcher Instrumente versuchen würden, durch die Transaktion ein grüneres Image zu erlangen, ohne entsprechende strategische Maßnahmen im gesamten operativen Geschäft systematisch zu verankern. Tatsächlich lässt sich aber die Transformation der Wirtschaft nicht durch ein Schwarz-Weiß-Denken bewältigen, bei dem beispielsweise ganze Industriezweige von der Finanzierung ausgeschlossen werden. Durch die eindeutige Kennzeichnung einer Anleihe als „Transition Bond“ wird zudem Transparenz gegenüber Investoren geschaffen und eine klare Differenzierung gegenüber Green Bonds vorgenommen.

Zur Erfolgsstory des Sustainable-Bond-Marktes haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Innovationen beigetragen. So erfreuen sich seit geraumer Zeit sogenannte Target-Linked-Strukturen großer Beliebtheit. 2021 haben sie bereits rund 10% des Neuemissionsvolumens im globalen Markt für nachhaltige Anleihen ausgemacht. Viele Investoren sehen in ihnen ein geeignetes Instrument zur Transitionsfinanzierung. Im Gegensatz zu Transitionsanleihen mit zweckgebundener Mittelverwendung fokussieren sie sich auf die Transformation des Emittenten als Ganzes.

Target-Linked-Bonds sind zu­kunftsgerichtete und leistungsorientierte Finanzinstrumente, bei denen sich die Emittenten explizit zu Verbesserungen ihrer Nachhaltigkeit innerhalb eines Zeitrahmens verpflichten. Die Nachhaltigkeitsentwicklung wird anhand von vordefinierten Kennzahlen, sogenannten Key-Performance-Indikatoren, gemessen und anhand von Nachhaltigkeitszielen, den sogenannten Sustainability-Performance-Targets, bewertet.

Die Finanzierungskosten von Target-Linked-Bonds sind an das (Nicht-)Erreichen dieser Nachhaltigkeitsziele gekoppelt. Verfehlt der Emittent die Ziele, wird die Finanzierung für ihn teurer. Die Emissionserlöse von Target-Linked-Bonds sind nicht zweckgebunden und stehen somit auch für die allgemeine Unternehmensfinanzierung zur Verfügung. Deshalb eignen sie sich auch für weniger assetintensive Emittenten, die nicht über das erforderliche Volumen für eine Transitionsanleihe verfügen.

Für eine glaubwürdige Transitionsfinanzierung mit Hilfe von Target- Linked-Anleihen ist es wichtig, Key-Performance-Indikatoren zu wählen, die für den Transformationsprozess des Emittenten relevant, messbar, vergleichbar, zentral und wesentlich sind. Außerdem sollten sie eine hohe strategische Bedeutung für das zu­künftige operative Geschäft des Emittenten haben. Zudem sollten die Nachhaltigkeitsziele mit der Transformationsstrategie des Emittenten übereinstimmen und über ein „Business-as-usual-Szenario“ hinausgehen.

Auch Investoren spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Finanzierung der Transformation der Realwirtschaft. Sie werden zunehmend zu Begleitern derjenigen Unternehmen, die sich glaubwürdig transformieren. Bei vielen Assetmanagern gibt es daher ein neues Credo: Transformieren statt verkaufen.

In der Vergangenheit fokussierte sich eine große Anzahl nachhaltiger Investoren auf Strategien wie Ausschlüsse oder Best-in-Class-Ansätze. Diejenigen Unternehmen, die nicht in das Raster passten, wurden aus dem Portfolio verbannt. Heutzutage interessieren sich Investoren zunehmend für das Transformationspotenzial der Realwirtschaft. Die Transformation ist dabei nicht ausschließlich auf ökologische Aspekte beschränkt, sondern wird auch auf ökonomische, soziale und Governance-Dimensionen ausgeweitet.

Dialog gesucht

Statt zu desinvestieren, treten mehr und mehr Assetmanager mit kritischen Industrien in einen aktiven Dialog. Im Sinne des Active Owner­ship nutzen sie zunehmend ihre Stimmrechte und ihren Einfluss auf der Hauptversammlung von Unternehmen, um Forderungen mit Blick auf eine nachhaltigere Ausrichtung deutlich zu machen. Als Eigentümer üben sie somit aktiv Einfluss auf die künftige Orientierung der Realwirtschaft aus.

Auch immer mehr Fixed-Income-Investoren entdecken in ihrer Funktion als wichtiger Stakeholder die Möglichkeit des Engagements mit vielversprechenden Transformationskandidaten. Sie haben zwar kein Stimmrecht, können aber in einen aktiven Dialog mit dem Management der Unternehmen treten, entweder allein oder durch eine gemeinsame Kooperation mit anderen nachhaltig orientierten Investoren. Durch dieses aktive Auftreten können sie Unternehmen ermutigen, bei der Offenlegung von ESG-Faktoren (Environment, Social, Governance – kurz ESG) transparenter zu sein, wesentliche Nachhaltigkeitsrisiken besser zu managen und einen glaubwürdigen Transformationspfad zu beschreiten.