Fondsgeschäft

Börse hält Immobilien­fonds den Spiegel vor

Zinswende und Energiekrise prägen zunehmend auch das Segment offener Immobilienfonds: An der Börse werden die Anteile mit Abschlägen gehandelt, was auf Probleme hindeutet. Fondshäuser relativieren die Bedeutung der Kurse.

Börse hält Immobilien­fonds den Spiegel vor

Über den Wert von Immobilienfonds herrscht Verwirrung. Der offizielle Anteilswert der Fondsgesellschaften vermittelt zwar Ordnung: Fondsanbieter wie Union Investment Real Estate, Deka Immobilien, Commerz Real und DWS weisen ähnlich wie auch kleinere Wettbewerber stetig steigende Wertverläufe der Fondsanteile aus. Der deutsche Fondsverband BVI meldet für das Segment auf Sicht von zwölf Monaten bis Ende Oktober eine solide Rendite von 2,5%, die lediglich moderat unter dem langjährigen Durchschnitt liegt.

Doch kaum fällt der Blick auf die Börse, drängt sich ein anderes Urteil auf. Anteile von Immobilienfonds werden hier mit Abschlägen zum offiziell ausgewiesenen Rücknahmepreis gehandelt. Der größte deutsche Immobilienfonds, der 17,9 Mrd. Euro schwere „Deka-Immobilien ­Europa“, wurde an der Börse Frankfurt am Mittwoch mit einen Schlusskurs von 44,12 Euro versehen, was einem Abschlag von 7% entspricht. Die Nummern 2 und 3 im Markt, der 17,4 Mrd. Euro umfassende „Haus­invest“ der Commerz Real und der 16,3 Mrd. Euro schwere „UniImmo: Deutschland“, kommen auf minus 6% und annähernd minus 5%. Das Immobilien-Flaggschiff der DWS, der auf 9,1 Mrd. Euro taxierte „Grundbesitz Europa“, weist wie der Deka-Fonds ebenfalls minus 7% aus. Insgesamt bringen offene Publikumsimmobilienfonds laut Bundesbank derzeit 130 Mrd. Euro auf die Waage. Wären Börsenkurse ausschlaggebend, wäre das Segment um etliche Milliarden leichter.

Während die Fondsgesellschaften ihre Immobilienwerte von Sachverständigen schätzen lassen und den Wert des Portfolios somit nicht abrupt anpassen können, reagiert die Börse sofort auf Marktentwicklungen. Die Wertverluste passen somit ins Bild: Denn die Preise am Immobilienmarkt gehen in Deutschland in der Breite zurück, Aktien- und Anleihemärkte stehen unter Druck. Vor allem zur Jahresmitte, als die Zinswende der EZB unmittelbar bevorstand, fielen die Kurse der Immobilienfondsanteile ab. Wertverluste sind eine naheliegende Folge steigender Zinsen: Mit einem höheren Satz ändert sich die Bewertung, weil künftige Einnahmen – etwa aus Mieten – aus heutiger Sicht rechnerisch weniger wert sind. Mit Zinsprodukten und neu erworbenen Anleihen lassen sich mittlerweile ebenfalls vorzeigbare Renditen erzielen, so dass Immobilienfonds ihren Glanz verlieren. Eine drohende Rezession, die den Immobilienmarkt belasten könnte, kommt hinzu.

Allerdings ist umstritten, wie sehr Börsenpreise den Wert der Sachwertefonds widerspiegeln. Fondsgesellschaften verweisen auf Nachfrage der Börsen-Zeitung auf geringe Handels­umsätze. So erzielte der „Deka-Immobilien Europa“ im Oktober an der Börse in Frankfurt lediglich einen Umsatz von rund 3 Mill. Euro, der „Hausinvest“ kommt auf 2Mill. Euro, der „UniImmo: Deutschland“ auf lediglich 1 Mill. Euro. Ein aussagekräftiges Bild entsteht also erst über mehrere Fonds hinweg und über einen längeren Zeitraum.

Grundsätzlich bewegen sich die Kurse aber in erwartbaren Bahnen. Bereits im Jahr 2020, als die Pandemie in Europa erstmals um sich griff, hatten die Fondsanteile deutlich an Wert verloren. Die meisten Fonds halten insbesondere Büroobjekte, aber häufig auch Hotels und Einzelhandelsimmobilien – jene Segmente also, die gerade zu Beginn der Pandemie unter Druck standen. Der damals noch ungebrochene Boom der Wohnimmobilien sorgte unterdessen dafür, dass der „Fokus Wohnen Deutschland“ der Industria Wohnen in der Pandemie zunächst im Börsenhandel sogar zulegte. In diesem Jahr spürt aber auch dieser Fonds die Krise. Der Abschlag zum Rücknahmepreis beträgt rund 4%.

Schwierige Kurslese

Immobilienfonds-Expertin Sonja Knorr, die für die Analysegesellschaft Scope das Segment bewertet, sieht in den Börsenkursen verschiedene Kräfte am Werk. Nicht alle Anleger, so lautet ihre Vermutung, reagieren aktuell lediglich auf das Marktumfeld. Manche Menschen seien in der Krise möglicherweise schlicht ge­zwungen, ihre Anteile schnell zu Geld zu machen. Weil sie sonst meistens eine Kündigungsfrist von einem Jahr einhalten müssten, sind Anleger notgedrungen zu einem Abschlag bereit, wie sie argumentiert. Auch der Vertrieb spielt demnach eine Rolle: So haben etwa einige Fondsgesellschaften den Verkauf gerade in der Boomphase vor der Pandemie be­schränkt, so dass Fonds mitunter nur noch an der Börse zugänglich waren. Bis zur Corona­krise wurden die Anteile daher häufig noch mit einem Aufschlag gehandelt, die Käufer zahlten also drauf. Die Commerz Real vermutet, dass viele Anleger heute lieber einen Abschlag bei Verkauf ihrer Immobilienfondsanteile akzeptieren, als in anderen Vermögensklassen noch höhere Wertverluste zu realisieren.

Trotz Abschlägen sind die Fonds von einem Debakel wie zur Finanzkrise vor eineinhalb Jahrzehnten entfernt. Damals gab es keine Mindesthalte- und Kündigungsfristen. Als Anleger die Flucht ergriffen, gaben zahlreiche Fonds ihr Geschäft auf, darunter Milliardenvehikel wie „SEB Immoinvest“, „Kanam Grundinvest“, „CS Euroreal“ und „Axa Immoselect“. Nach einer Reform 2013 gelten für die meisten Anleger Mindesthalte- und Kündigungsfristen, nur Alteinleger sind teilweise ausgenommen. Seither blieben hohe Abflüsse aus.

Das Neugeschäft zeigt sich stabil: 4,3 Mrd. Euro sammelten offene Immobilienfonds laut Bundesbank im laufenden Jahr bis Ende September ein. Das ist jeweils etwas weniger als in den zurückliegenden drei Jahren, doch zeigt sich das Segment damit stabiler als die Gruppe der Aktien- und Mischfonds. Und auch die Bewertung lässt zwar nach, bleibt aber solide. Die Analysegesellschaft Scope hatte im Juni aus 17 Fonds sechs Produkte herabgestuft und nur zwei aufgewertet. Damit verschlechterte sich die Notenbilanz zum dritten Mal in Folge. Trotzdem zeige das Segment „weiterhin ein gutes Rendite-Risiko-Profil“.

Die Fondshäuser räumen ein schwieriges Marktumfeld ein, präsentieren sich aber als robust aufgestellt: Sie verweisen etwa auf indexierte Mieten, die mit der Inflation steigen, sowie auf geringe Quoten an Fremdkapital, so dass höhere Zinsen verkraftbar seien. Union Investment und Commerz Real nehmen für sich eine „konservative“ Bewertungspolitik bei den Immobilien in Anspruch, die DWS hebt eine breite Streuung des Immobilienportfolios hervor, Deka Immobilien will die Marktphase für „antizyklische Investitionen“ nutzen und im laufenden Turnus eine höhere Rendite einfahren als im vergangenen Jahr.

Bereinigt um den üblichen Optimismus der Fondsbranche heißt das wohl: Die Lage ist schwierig, aber nicht hoffnungslos. Sonst wären die Abschläge an den Börsen höher.

Von Jan Schrader, Frankfurt

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