Michael Bücker

„Damit ist Grenke zurück in der Normalität“

Seit anderthalb Jahren ist die Grenke AG dabei, die Folgen einer Shortseller-Attacke um den Briten Fraser Perring abzuarbeiten. Nachdem die BaFin in der vergangenen Woche ihre Sonderprüfung abgeschlossen hat, sieht CEO Michael Bücker den Leasingspezialisten zurück in der Normalität.

„Damit ist Grenke zurück in der Normalität“

Die BaFin hat vergangene Woche bekannt gegeben, dass ihre Prüfungen bei der Grenke AG und der Grenke Bank AG abgeschlossen sind. Klappen Sie damit das Kapitel Fraser Perring und seine Short-Seller-Attacke zu?

Ja, die Sonderprüfung der BaFin ist abgeschlossen. Dazu hat die BaFin sich am Mittwoch geäußert und die aus ihrer Sicht erforderlichen Maßnahmen festgelegt. Diese beinhalten einen zusätzlichen SREP-Aufschlag. Wir arbeiten bereits mit Hochdruck daran, unsere Organisation entsprechend weiterzuentwickeln und pflegen einen intensiven und konstruktiven Diskurs mit der BaFin. Damit ist Grenke zurück in der Normalität.

Bringt Sie dieser zusätzliche Risikozuschlag, durch den Sie mehr Eigenkapital vorhalten müssen, nicht in die Bredouille?

Durch den zusätzlichen Aufschlag wird unser geplantes Neugeschäft in diesem Jahr nicht beeinträchtigt. Natürlich liegt es in unserem Interesse, dass dieser wieder aufgehoben wird. Das passiert, sobald sich die BaFin im Rahmen einer üblichen sogenannten Nachschauprüfung davon überzeugt hat, dass wir die adressierten Themen abgearbeitet haben.

Firmengründer Wolfgang Grenke hatte bereits am 21. September 2020 ein Verkaufsangebot für die ihm gehörende CTP gemacht, die zur Zwischenfinanzierung der Franchisefirmen der Grenke AG gedient hat. Das Angebot galt bis 31. Januar 2021. Wie ist denn nun der Zwischenstand bei Aufkauf und Konsolidierung der Franchisefirmen?

Zunächst einmal: In unserer Bilanz sind bereits alle Franchisegesellschaften konsolidiert. Noch nicht abgeschlossen ist der Übernahmeprozess, also der – aus unserer Sicht – Kauf der Gesellschaften. Da sind wir nicht so schnell wie gehofft. Es handelt sich schließlich um eine ganze Anzahl von Firmen in verschiedenen Entwicklungsstadien in unterschiedlichen Märkten mit differenzierten Wachstumsperspektiven. Dieser Prozess braucht seine Zeit.

Inwieweit hat die Grenke AG bisher Verluste aufgekaufter Franchisefirmen übernommen?

Wie gesagt, der Prozess ist noch nicht abgeschlossen.

Sie sagten nach Ihrem Start bei Grenke am 1. August 2021, Sie würden das erforderliche hohe Niveau der internen Kontrollfunktionen und -prozesse sicherstellen und dies nachhaltig in der Unternehmenskultur verankern. Diesen gebotenen Wandlungsprozess werde Grenke mit größtmöglicher Ernsthaftigkeit vorantreiben. Wie weit sind Sie damit bis heute konkret gekommen? Stichworte: Compliance und Geldwäscheprävention.

Es ist richtig, ich habe mir diese Herausforderung zu einer meiner persönlichen Aufgaben gemacht. Aber natürlich kann ich diese nicht allein stemmen. Dazu tragen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Grenke bei. Unter anderem meine Vorstandskollegin Isabel Rösler, die dieses Ressort operativ verantwortet. Und als Team, so viel kann ich sagen, haben wir schon enorm viel erreicht. Wir lassen aber nicht nach und treiben die Weiterentwicklung kontinuierlich voran.

Inwieweit haben Sie sich aktiv in den Dialog mit den Aufsichtsbehörden einbringen können?

Das ist eigentlich ganz einfach. Ich war bei vielen wichtigen Gesprächen mit der BaFin selbst dabei. Mir war wichtig, das Signal zu geben: Die Aufarbeitung der Feststellungen ist bei uns Chefsache. Ergebnis des konstruktiven und transparenten Dialogs war der jüngste Meilenstein – der Abschluss des intensiven Prüfverfahrens.

Wie hoch sind die bisher angefallenen Kosten für die Sondergutachter und für jeglichen sonstigen Aufwand für juristische Expertise im Kontext von Fraser Perring?

Kumuliert dürfte bis heute ein Betrag in der Größenordnung von etwa 15 Mill. Euro liegen, wobei eine eindeutige Zuordnung schwierig ist.  

Sind juristische Schritte gegen Perring endgültig vom Tisch?

Wir prüfen das weiterhin.

Perring hatte suggeriert, dass der Grenke Bank der Rauswurf aus dem Einlagensicherungsfonds der privaten Banken drohe. Eine entsprechende Prüfung hatte es ja offenbar laut Kapitalmarktprospekt auch gegeben. Wie ist dies einzuordnen?

Eine Prüfung zur Einlagensicherung ist für eine Bank nichts Ungewöhnliches. Richtigerweise hatten wir die Prüfung damals in unseren Prospekt aufgenommen. Aus meiner langjährigen beruflichen Praxis als Vorstand unterschiedlicher Finanzinstitute weiß ich, dass es auch in der Normalität immer wieder zu Prüfungen kommt.

Ihr Neugeschäft 2021 liegt deutlich unter dem Vorjahreswert, aber immerhin gab’s einen starken Jahresschlussspurt. Wie ist die Entwicklung zu erklären?

Das vergangene Jahr war geprägt von direkten Auswirkungen der Corona-Pandemie und den indirekten – wie insbesondere den Lieferengpässen. Grenke erlebt die Wirtschaftsentwicklungen unmittelbar, quasi als Frühindikator. Bei unseren Kunden haben wir in den letzten Monaten des Vorjahres eine wieder wachsende Investitionsbereitschaft gespürt. In den Ländern, in denen zuvor ein sehr starker Rückgang festzustellen war, spüren wir nun deutliche Erholungen. Aus diesem Nachholbedarf, den wir mit einer starken Vertriebsoffensive mobilisiert haben, resultierte unser erfolgreicher Jahresendspurt.

Ihre Gewinnprognose hatten Sie im November mit Blick auf den außerordentlichen Ertrag aus einem Fintech-Verkauf erhöht. Auf welchem Niveau wäre Grenke ohne diesen Verkauf?

Die Differenz entspricht annähernd dem erzielten Kaufpreis in Höhe von rund 20 Mill. Euro. Wir hatten unsere Gewinnprognose übrigens ein weiteres Mal erhöht, und zwar wegen einer besseren Risikovorsorge.

Für 2021 hat sich Ihre Risikovorsorge und Schadensabwicklung positiv entwickelt. Warum geraten aber gleichzeitig Ihre Margen unter Druck?

Dass wir weniger für Risikovorsorge und Schadensentwicklung aufwenden müssen, liegt an der Solidität unserer Kundenbasis, die sich gerade in der zurückliegenden Krisensituation bezahlt gemacht hat. Unser ausgefeiltes Scoring-System und das Know-how der Mannschaften in unseren Märkten verschafft uns hier einen zusätzlichen Wettbewerbsvorsprung. Unsere Marge ist lediglich im Vergleich zum Vorjahr, das von Sondereffekten geprägt war, zurückgegangen.

Welche Perspektiven sehen Sie für 2022 bezüglich des Neugeschäfts und der Ergebnisentwicklung?

Als börsennotiertes Unternehmen sind wir gehalten, neue Prognosen nur nach strengen Regeln zu veröffentlichen. Die Mutationsdynamik des Coronavirus birgt einige Unsicherheiten. Aber unter Berücksichtigung aller vorliegenden Informationen sind wir für das laufende Geschäftsjahr optimistisch. 

Welches Geschäftsmodell verfolgt die Grenke Bank künftig mit dem neuen Vorstand? Die Vergabe von Krediten an Klein- und Mittelstand hat die Bank ja eingestellt. Welche Bedeutung hat die Bank für die Refinanzierung des Konzerns?

Die Grenke Bank ist und bleibt eine strategisch sehr wichtige Säule für den Konzern, auch und gerade für eine stabile und günstige Refinanzierung im Rahmen unseres Gesamtfundings. Dies wird gerade in Zeiten höherer Inflation und steigender Zinsen besondere Bedeutung für unser geplantes Wachstum haben. 

Sehen Sie eine Chance, dass Grenke wieder in den MDax zurückkehrt?

Jetzt sind wir erst einmal sehr dankbar, dass diese Zeit der intensiven Prüfungen während der letzten anderthalb Jahre vorbei ist. Als Nächstes steht das Heben unserer Potenziale – also unseres Geschäftsmodells und unserer Marktposition – ganz oben auf der Tagesordnung. Damit wollen wir Ertrags- und Gewinnwachstum generieren und so automatisch den Wert des Unternehmens steigern – was eines der zentralen Kriterien für den Wiederaufstieg in den MDax ist.

Herr Bücker, seit Ihrem Eintritt bei Grenke am 1. August 2021 ist mehr als ein halbes Jahr vergangen. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?

Bereits bei meinem Antritt war mir klar, dass das Geschäftsmodell von Grenke nicht nur sehr robust ist, sondern auch nachhaltiges Potenzial bietet. Wir haben ein einzigartiges Kunden- und Händlerportfolio und starke Mannschaften in unseren Märkten. Diese Position gilt es nun zu nutzen.

Also alles in bester Ordnung?

Unsere Marktposition ist ausgezeichnet. Es reicht allerdings nicht, Grenke zur alten Stärke zurückzuführen. Vielmehr wollen wir unser Grenke-Kundenerlebnis ausbauen und uns entlang der relevanten Zukunftsthemen, also auf die Megatrends in Wirtschaft und Gesellschaft ausrichten.

Und welche sind das in Ihren Augen?

Es wird einige Bereiche geben, in denen wir stärker als bisher wachsen wollen. In anderen Bereichen geht es eher darum, zu konsolidieren. Wir haben eine „Vorstandsagenda“ aufgestellt, in deren Rahmen wir unsere Organisation weiterentwickeln wollen und gleichzeitig intensiv an der Ausrichtung auf Themen wie Digitalisierung, ESG und Service-Modellen arbeiten.

Wo sehen Sie noch Optimierungsbedarf in Ihrer Organisation?

 Wir wollen das Operating Model unserer Organisation weiter schärfen. Ziel ist, unsere Kosten- und Marktführerschaft auszubauen. Grenke steht für Technologie und die passenden Finanzierungslösungen für unsere Kunden. Schnelligkeit, Einfachheit und die Nähe zu unseren Kunden und Partnern, verbunden mit einem wettbewerbsfähigen Angebot, sind unsere historischen Stärken. Wir verstehen das Geschäft unserer Partner. Um zukunftsfähig zu bleiben, wollen wir alle digitalen Möglichkeiten für die Vernetzung mit unseren Kunden und Partnern entwickeln und dort entsprechend investieren. So ist und bleibt Grenke die Nummer 1 im Small-Ticket-Leasing – und damit einer der wichtigsten Finanzierer für kleine und mittlere Unternehmen.

Was heißt das konkret?

Wir finanzieren das Rückgrat der europäischen Wirtschaft. Und immer mehr finanzieren wir auch die grüne Transformation. Laut einer Studie von Boston Consulting vom Oktober vergangenen Jahres ergibt sich aus den Plänen der vorherigen Bundesregierung ein Investitionsbedarf von rund 860 Mrd. Euro bis zum Jahr 2030. Dieser Betrag dürfte unter der neuen Bundesregierung noch erheblich größer werden. Weltweit werden für die gewollte und alternativlose Klimaneutralität Billionen investiert werden.

Und Sie meinen, angesichts dieser gewaltigen Summen ist auch die Leasingindustrie gefordert?

Richtig! Und bei der Finanzierung wird die Leasingbranche eine sehr wichtige Aufgabe übernehmen. Davon sind auch das Europäische Parlament und der Europäische Rat überzeugt. Sie erkennen Leasing als ein Geschäftsmodell an, das zur Kreislaufwirtschaft beiträgt und deshalb weiter ausgebaut werden sollte. Das wird unserer Branche noch mehr Schwung geben. Gleichzeitig wird Leasing ein Katalysator für Umweltinnovationen sein – und dies umso mehr für kleinere und mittlere Unternehmen.

Warum ausgerechnet für KMUs?

Weil gerade kleinere Unternehmen nicht die Kapazitäten und vielleicht auch nicht das Know-how haben, sich intensiv mit ihrem Corporate Footprint zu beschäftigen. Die Kosten der grünen Transformation müssen von der öffentlichen Hand, privaten Haushalten und der Industrie aufgebracht werden – aber vor allem auch vom Mittelstand.

… der Kernzielgruppe von Grenke.

Richtig. Da ergibt sich eine Riesenchance für uns. Denn als Eigentümer kennen wir ja den Footprint unserer Leasingobjekte und können dies in unsere gesamte Geschäftsbeziehung einkalkulieren. Die Objekt- und Branchenkompetenz von Grenke – gekoppelt mit dem Wissen über den Zeitpunkt der anstehenden Ersatzinvestition – ermöglicht uns, den anstehenden Transformationsprozess passgenau im Mittelstand zu begleiten.

Welche Rolle wollen Sie bei der ESG-Strategie Ihrer Kunden spielen?

Für Grenke steckt in diesem Megatrend großes Potenzial, weil wir als Leasinggeber immer Eigentümer des Objektes bleiben. Wir haben die Möglichkeit einer professionellen Verwertung des Objektes. Das ist ein weiterer wichtiger Baustein für praktizierte Kreislaufwirtschaft: Anstatt dass gebrauchte Objekte auf dem Schrott landen, organisieren wir die Wiederverwertung. Unsere Vertriebsaufstellung und unseren Marktauftritt wollen wir mit grünem Transformations-Know-how anreichern. Mit diesem Dreisprung aus Objekt-, Transformations- und Kunden-Know-how werden wir sowohl zur Erreichung der ESG-Ziele beitragen als auch unsere Marktführerschaft ausbauen.

Welche Perspektiven rechnen Sie sich für den Leasingmarkt aus?

Leasing hat eine – nicht zuletzt wegen ESG – wachsende volkswirtschaftliche Bedeutung. Insbesondere kleineren Kunden mit örtlichen Hausbanken hilft Leasing mit erhöhtem Liquiditätsspielraum, Ausgaben schonend auf der Zeitachse zu verteilen. Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen wollen ihre für das operative Geschäft kostbaren Betriebsmittellinien nicht mit Investitionen strapazieren. Darüber hinaus bieten Leasing- und Mietmodelle zusätzliche Dienstleistungen wie Wartung oder integrierte Services, sind also „Rundum-sorglos-Pakete“. Hinzu kommt: Wir leben immer mehr in einer Share Economy. Die Digitalisierung beflügelt Managed-Service-Angebote, Abo- oder Pay-per-Use-Modelle. Dieser Trend ist quasi die DNA der Leasingbranche.

Dennoch haben Sie es mit einem immer härteren Wettbewerb zu tun.

Er wird zumindest vielfältiger. Marktanbieter differenzieren ihr Angebot zunehmend. Leasing hat eine mehr als 60-jährige Geschichte – davon 40 Jahre Small Ticketing mit und durch Grenke, denn das ist eine Erfindung von Unternehmensgründer Wolfgang Grenke. Wir sind in diesem Segment mit unserem internationalen Angebot immer noch die Einzigen und damit sozusagen automatisch Marktführer. Außerdem sind unsere Märkte nicht gesättigt und entwickeln sich dynamisch. Da ist es letztlich die Hauptaufgabe, gut aufgestellt zu sein. Das sind wir und wir bringen großes Know-how in unsere Märkte. Unser Schwerpunkt liegt auf den Kernmärkten in Europa. Seit kurzem ist Grenke auch in den USA präsent, dem größten Leasingmarkt der Welt.

Das Interview führte Thomas Spengler.