Henning Bergmann

Derivate­verband würde Verschiebung gutheißen

Ab August 2022 sollen Anlageberater verpflichtet sein, Kunden nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen. Da es dann aber nach Einschätzung des Deutschen Derivate Verbands noch keine vollständige Informationsbasis gibt, plädiert der DDV für eine Verschiebung.

Derivate­verband würde Verschiebung gutheißen

Von Detlef Fechtner und

Jan Schrader, Frankfurt

Der Deutsche Derivate Verband würde es begrüßen, wenn die ab August dieses Jahres vorgesehene Pflicht, private Kunden in der Anlageberatung nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen, erst etwas später in Kraft treten würde. „Wir würden eine Verschiebung gutheißen“, sagt Henning Bergmann, der ge­schäftsführende Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV) im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Zugleich fügt er an: „Aber nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.“

Die Mitglieder des Verbands stellten sich zwar darauf ein, dass im August Nachhaltigkeit in der Anlageberatung verankert wird. „Es gibt dann aber noch keine vollständige Informationsbasis, da andere regulatorische Vorgaben erst noch in Kraft treten müssen“, begründet Bergmann den Wunsch nach einer Verschiebung des Startschusses für die künftige Pflicht. Viele Daten sind erst später für die Finanzbranche verfügbar, etwa weil die EU-Taxonomie nach und nach vollendet wird und Berichtspflichten für Unternehmen noch verhandelt werden.

Im Verband sind die wichtigsten Emittenten von Zertifikaten in Deutschland zusammengeschlossen. Zugleich sind Broker und Börsen als Fördermitglieder mit an Bord. Vor diesem Hintergrund gibt es innerhalb des Verbands durchaus unterschiedliche Perspektiven auf aktuelle regulatorische Themen. Das gilt insbesondere für das auch auf politischer Ebene noch sehr umstrittene Thema Payment for Orderflow, also Zahlungen von Market-Makern an Broker, die im Wertpapierhandel die Order ihrer Kunden weiterleiten.

Der Branchenverband fordert daher, dass die Debatte über Payment for Orderflow auf Basis einer genauen Analyse geführt werden müsse. Vor allem sollte zunächst genau untersucht werden, welche Folgen es insbesondere für die Anleger hat, wenn man diese Form der Provisionierung beschränken würde. „Der DDV ist sehr skeptisch, ob ein pauschales Verbot ein angemessenes Mittel ist“, sagt Bergmann. „Wir halten es aber für sinnvoll, wenn Regulierer oder Aufseher an den Stellen nachschärfen, wo etwas nicht passen sollte.“

Anpassungen denkbar

Der DDV-Vorstand hebt hervor, nach seiner Einschätzung haben Neobroker einen Anteil daran, dass es mehr Wertpapieranleger gibt. „Ein Verbot von Payment for Orderflow, wie es im November von der EU-Kom­mission vorgeschlagen worden ist, läuft Gefahr, diese erfreu­liche Entwicklung abzuwürgen“, mahnt Bergmann. Er hält zugleich Anpassungen im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens für denkbar. „Im EU-Parlament wird der Payment-for-Orderflow-Vorschlag der EU-Kommission diskutiert. Dort gab es schon skeptische Stimmen“, erinnert sich Bergmann. Auch das Bundesfinanzministerium habe sich kritisch geäußert. „Vor diesem Hintergrund halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass der Vorschlag der EU-Kommission im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens noch merklich verändert wird“, lautet sein Ausblick.

Zankapfel Provisionsberatung

Mit Blick auf die Agenda der EU-Kom­mission geht Bergmann davon aus, dass dieses Jahr ein altes Streitthema neu in Brüssel aufflammt – der Streit über Provisions- versus Honorarberatung. Denn die EU-Kommission werde den Gesetzgebungsvorschlag für Retailinvestoren vorlegen. „Wir sind gegen ein Provisionsverbot“, stellt Bergmann klar. In Deutschland gebe es ein vielfältiges Angebot. Längst nicht alle Privat­leute aber könnten auf eine provisionsbasierte Beratung verzichten. „Ein Beratungsangebot für die Breite der Bevölkerung funktioniert nicht ohne Zuwendungen“, zeigt sich Bergmann überzeugt.  

Zu einem ganz anderen politischen Zankapfel, der ebenfalls schon seit langer Zeit in Brüssel diskutiert wird, hat der DDV-Vorstand eine ganz klare Position: „Die Finanztransaktionssteuer gehört endlich vom Tisch.“ Die Finanztransaktionssteuer sei ein Thema, „das wie ein Untoter immer wieder in der politischen Diskussion auftaucht.“

Statt darüber weiter zu verhandeln, wären die Finanzminister und das EU-Parlament nach Bergmanns Ansicht gut beraten, über die grundlegende Ausrichtung der Finanzmarktregulierung und Aufsicht nachzudenken: „Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit der Finanzbranche als weitere Aufgabe der Finanzaufsicht verankern – neben Anlegerschutz und Finanzstabilität“, fordert Bergmann. Ähnlich äußert sich auch der deutsche Fondsverband BVI. Die Chefin der EU-Wertpapieraufsicht ESMA, Verena Ross, steht der Forderung hingegen skeptisch gegenüber und warnt vor einem Zielkonflikt.

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