Folgen der Credit-Suisse-Übernahme

Die Kapitalausstattung der UBS ist der Elefant im Raum

Die Zahlenvorlage der UBS am Dienstag verlief nicht nach dem Drehbuch des Managements. Die negative Börsenreaktion zeigt, dass die Investoren ihre Rechnung nicht ohne die Schweizer Politik machen.

Die Kapitalausstattung der UBS ist der Elefant im Raum

UBS-Bilanz-Nachlese

Kapitalausstattung der UBS ist der Elefant im Raum

Die Eigenmittel der Bank stehen auf der politischen Agenda in der Schweiz – Mindestanforderungen werden steigen

Die Vorlage der Jahreszahlen durch die UBS am Dienstag verlief keineswegs nach dem Drehbuch des Managements. Die negative Börsenreaktion zeigt, dass die Investoren ihre Rechnung nicht ohne die Schweizer Politik machen.

dz Zürich
Von Daniel Zulauf, Zürich

„Viele denken irrtümlicherweise, die Credit Suisse sei uns geschenkt worden“, sagte UBS-Chef Sergio Ermotti diese Woche dem „Corriere del Ticino“, der Zeitung seiner Heimatstadt Lugano. Der Manager machte eine simple und durchaus plausibel erscheinende Rechnung auf: Damals, im März 2023, habe man sich auf einen Kaufpreis von etwa 3,2 Mrd. Dollar geeinigt. Aber ohne den Deal hätte die UBS bei der Zahlenvorlage am Dienstag vielleicht, wie im Vorjahr, einen Gewinn von 7,6 Mrd. Dollar ausweisen können.

Verluste der Credit Suisse abdecken

Doch UBS habe ihren Gewinn zum großen Teil zur Deckung der Verluste der Credit Suisse verwenden müssen. So gesehen ließe sich auch behaupten, die Credit Suisse habe die UBS bis jetzt 11 Mrd. Dollar gekostet.

Investoren werden vorsichtiger

Die Diskussion um den Kaufpreis bleibt relevant, obschon das Geschäft längst gemacht ist. Denn es geht um die Frage, ob die Schweiz der UBS dankbar sein sollte, dass sie dem Land geholfen hat, die Schmach einer gewaltigen Bankenpleite zu verhindern, oder ob umgekehrt die UBS der Schweiz etwas schuldig bleibt dafür, dass das Land das Jahrhundertgeschäft möglich gemacht hat. Die negative Börsenreaktion auf das nun von der UBS vorgelegte Jahresergebnis zeigt, dass die Investoren nach der ersten Euphorie im Herbst vorsichtiger werden.

Der Elefant im Raum ist die künftige Kapitalausstattung der Großbank. Dass die Minimalanforderungen an die UBS steigen werden, steht im Prinzip fest. Die UBS selbst rechnet für die risikogewichtete Quote des Kernkapitals in den nächsten Jahren mit einem Zuschlag von etwa 2% auf die aktuelle Minimalanforderung von 10,6%.

14 Prozent angepeilt

Die von der UBS aktuell ausgewiesene Kernkapitalquote beträgt 14,5%, und die Bank plant diese mit Blick auf die erwartete Erhöhung langfristig bei etwa 14% zu halten. Im Herbst sagte Sergio Ermotti auf einer Investorenkonferenz, ein Zuschlag gegenüber der Minimalanforderung in Höhe von etwa 1,5% stehe im Einklang mit der Konkurrenz.

Tatsächlich bewegt sich die aktuelle Kapitalausstattung der UBS im internationalen Konkurrenzvergleich etwa im Mittelfeld. Ob und in welchem Umfang die UBS ihre Kapitalvorsorge weiter verstärken muss, wird die Politik in den nächsten Jahren entscheiden.

Bericht mit Spannung erwartet

Mit Spannung erwartet wird Anfang April ein Bericht der Regierung (Bundesrat), der die aktuelle Too-big-to-fail-Regulierung evaluiert und Empfehlungen für Reformen enthalten wird. Der Bericht stützt sich auf verschiedene Expertenmeinungen, darunter eine Analyse der Expertengruppe Bankenstabilität unter dem Vorsitz von Wirtschaftsprofessor Yvan Lengwiler (Uni Basel) zum Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse sowie auf ein Gutachten von Professor Manuel Ammann (Uni St. Gallen). Beide Berichte wurden vom Finanzministerium in Auftrag gegeben.

Unterschiedliche Schlussfolgerungen

Die Berichte gelangen in der Eigenmittelfrage zu unterschiedlichen Schlüssen, was deutlich macht, wie groß der Spielraum in der politischen Debatte ist und wie hoch die Unsicherheit für die UBS-Aktionäre noch werden kann.

Im Raum steht die Forderung einer sozialdemokratischen Abgeordneten, die schon 2021 einen Vorstoß zur Einführung einer ungewichteten Eigenkapitalquote (Leverage Ratio) von 15% für global tätige Großbanken eingereicht hatte. Zwei Monate nach der Notübernahme der Credit Suisse hat die große Parlamentskammer (Nationalrat) – vermutlich noch unter Schockeinwirkung – den Vorstoß angenommen. Entschieden ist damit noch gar nichts.

93 Mrd. Dollar verlustabsorbierendes Kapital

Die UBS verfügt aktuell über ein verlustabsorbierendes Kapital für den Going-Concern-Fall (Kernkapital plus AT1-Kapital) von 93 Mrd. Dollar, was 5,5% der Bilanzsumme entspricht (Leverage Ratio). Die geforderte 15-%-Quote könnte die UBS theoretisch mit einer Verdreifachung ihres Kapitals auf 279 Mrd. Dollar oder mit einer Verkleinerung der Bilanzsumme von aktuell 1.718 Mrd. auf 622 Mrd. Dollar erreichen. Auch eine Zwischenlösung wäre möglich.

Es ist klar, dass die UBS mit einer solchen Verschärfung der Kapitalvorschriften ihre Ambitionen als Global Player im Bankengeschäft beerdigen müsste. Eine derartige Zäsur hat politisch deshalb kaum Chancen, zumal sich das Land die hinzugewonnene Finanzstabilität mit einem Verlust an Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen erkaufen müsste.

Sorge vor Schaden

Selbstredend würde sich auch das UBS-Management im Namen der Aktionäre mit aller Kraft gegen eine Beschneidung wehren und das Argument ins Feld führen, dass sie mit einer solchen Kapitalvorgabe international absolut nicht mehr wettbewerbsfähig wäre. Und dass sie auch im Heimatmarkt gezwungen würde, die Vergabe von Krediten an Unternehmen und Private massiv einzuschränken.

Folgen für Finanzierungskosten umstritten

Solche Argumente wiegen schwer, aber mindestens aus wissenschaftlicher Sicht sind sie nicht sakrosankt. Professor Ammann verweist in seinem Gutachten auf wichtige Quellen in der internationalen Wissenschaftsliteratur, nach denen erhöhte Kapitalanforderungen die Finanzierungskosten von Banken – wenn überhaupt – nicht erheblich erhöhen. Allerdings seien die Befunde über die Kreditvergabe weniger positiv, schreibt er.

„Eine maßvolle, aber doch substanzielle weitere Erhöhung der Eigenmittelanforderungen“ sollte dennoch Teil der überarbeiteten Too-big-to-fail-Regulierung bleiben, empfiehlt Ammann. Eine minimale Leverage Ratio in der Größenordnung von 10% könne mittelfristig als Zielsetzung für die größten systemrelevanten Banken betrachtet werden, findet der Bankenexperte.

Horrorszenario für die Bank

Aber auch eine Leverage Ratio von 10% wäre für die UBS ein Horrorszenario. Aktienrückkäufe und großzügige Dividendenzahlungen, wie sie die Bank eben erst angekündigt hat, wären auf Jahre hinaus kaum mehr möglich.

Mit umso größerer Befriedigung wird die UBS-Führung deshalb zur Kenntnis genommen haben, dass die Expertengruppe Bankenstabilität in ihrem Bericht „keine offensichtlichen Argumente“ gefunden hat, die Eigenmittelvorschriften in der Schweiz generell quantitativ zu verschärfen. „Zudem sollte, wenn überhaupt, eine Verschärfung auf die risikogewichteten Aktiva abstellen.“ Eine Erhöhung der Leverage Ratio, wie sie der Nationalrat im Mai gutgeheißen hatte, vermindere den Anreiz der Banken, sichere Anlagen zu forcieren, und schaffe eher einen Anreiz, riskante Projekte zu verfolgen.

Bilanzsumme mehr als doppelt so hoch wie das BIP

Selbst unter Experten ist das Meinungsspektrum über die optimale Eigenmittelausstattung der UBS also groß. Klar ist aber: Die Bilanzsumme der Bank ist mehr als doppelt so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Die Risiken für die Steuerzahler sind hoch und in der Credit-Suisse-Krise mehr als deutlich sichtbar geworden. Manche UBS-Aktionäre scheinen sich inzwischen zu fragen, ob sie mit der Credit Suisse ein Danaergeschenk erhalten haben.  

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