Finanzaufsicht

Effekte des Ukraine-Kriegs treffen auf stabile Kredit­wirtschaft

Europas Großbanken sehen Belastungen infolge des Krieges in der Ukraine in stabiler Verfassung entgegen, wie die aufsichtlichen Bankenstatistiken der EZB nahelegen. Die NPL-Quote hat mit 2,06 % ein Tief erreicht.

Effekte des Ukraine-Kriegs treffen auf stabile Kredit­wirtschaft

bn Frankfurt

Europas Großbanken sehen etwaigen Belastungen infolge des Krieges in der Ukraine in stabiler Verfassung entgegen. Diesen Schluss legen die aufsichtlichen Bankenstatistiken der Europäischen Zentralbank (EZB) für das vierte Quartal 2021 nahe. So ist der Anteil notleidender Forderungen (Non-Performing Loans/NPL) am Kreditvolumen vor dem Jahreswechsel den Angaben zufolge auf 2,06% von 2,17% im Vorquartal und 2,63% vor Jahresfrist gesunken. Dies ist das niedrigste Niveau seit Beginn der Statistik im zweiten Quartal 2015, wie die Aufseher unter Ägide von Andrea Enria mitteilen.

Konkret fiel der Bestand fauler Forderungen gegenüber dem dritten Quartal um 26 Mrd. auf 374 Mrd. Euro. Je nach Staat zeigen sich dabei nach wie vor deutliche Differenzen. Während die NPL-Quote in Luxemburg 0,58 % beträgt, stellt sie sich in Griechenland auf 7,04 %. Vor wenigen Jahren waren in Hellas indes Quoten um 45 % gang und gäbe. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine treibt europäische Banken und Anleger die Frage nach den Auswirkungen des Krieges auf die Bilanzen der Institute um. Während die direkten Exposures, von Ausnahmen wie der Raiffeisen Bank International (RBI) abgesehen, in der Regel überschaubar sind, stellt die Frage der Zweit- und Drittrundeneffekte die Branche vor Rätsel. Was potenzielle Belastungen angeht, so präsentierte die European Banking Authority (EBA) vor Wochenfrist eine lange Risikoliste. Diese reichte von Folgen einer nachlassenden Konjunktur für das Kreditgeschäft über eine mögliche neue Vorliebe der Kunden für sichere und weniger lukrative Produkte wie Einlagen, Marktrisiken infolge der Fair-Value-Bilanzierung von Staats-Exposures sowie eine sich verteuernde Refinanzierung bis hin zu erhöhten Compliance-Kosten in Sanktionszeiten sowie Schäden infolge etwaiger Cyberangriffe.

Die Sorgen um die Konjunktur äußerte vor wenigen Tagen auch Deutsche-Bank-Chef und Bankenpräsident Christian Sewing. Klar sei schon jetzt, dass die Konjunktur unter dem Krieg leiden werde, stellte er nach einer Vorstandssitzung beim Bundesverband deutscher Banken (BdB) fest. Die Energiepreise seien eine Bürde für viele Unternehmen, und auch wenn die Bundesregierung bereits Entlastungen auf den Weg gebracht habe, könnten steigende Preise erhebliche Auswirkungen nach sich ziehen. Zudem sei die Pandemie noch nicht ausgestanden, die Lieferketten seien einer Zerreißprobe ausgesetzt. Käme nun ein Lieferstopp für russisches Öl und Gas hinzu, wäre eine deutliche Rezession in Deutschland kaum zu vermeiden, und Fragen nach Hilfen würden dringender.

Ertragskraft nimmt zu

Im vergangenen Jahr erhöhte sich die Ertragskraft der Institute merklich. Die annualisierte Eigenkapitalrendite im Schlussquartal beziffert die Notenbank auf 6,72% nach 1,53% vor Jahresfrist. In diesem Sprung schlägt sich freilich mehr oder weniger ausschließlich nieder, dass die Institute in Erwartung hoher Belastungen durch die Pandemie 2020 eifrig Risikovorsorge gebildet hatten, die ihnen im vergangenen Jahr weitere Rückstellungen ersparte oder ihnen gar Auflösungen ermöglichte. Dies lässt sich am operativen Ergebnis ablesen, das die EZB als mit 121 Mrd. Euro stabil angibt.

Derweil gab die harte Kernkapitalquote der Großbanken auf 15,48 % von 15,65 % vor Jahresfrist nach. Die Spanne der nationalen Unterschiede reichte dabei von Spanien und Griechenland mit 12,8% bis 25,91 % in Estland. Im gesamten Zuständigkeitsgebiet der EZB-Bankenaufsicht zeigten dabei diversifizierte Kreditinstitute mit 14,17 % die niedrigste harte Quote, Förderbanken mit aggregiert 31,86 % hingegen die dickste Kapitaldecke. Das Verhältnis von Krediten zu Einlagen stellte sich im Schlussquartal auf 104,37 % nach 104,03 % im Quartal davor. Ein 105 Mrd. Euro schwerer Anstieg der Depositen sei durch eine Ausweitung der Ausreichungen an Unternehmen außerhalb des Finanzsektors sowie an Privathaushalte überkompensiert worden, teilt die Notenbank mit.

Das Volumen der von Corona-Hilfsprogrammen erfassten Forderungen sank im vierten Quartal um 50 Mrd. auf 444 Mrd. Euro, wie die EZB weiter mitteilt. Das unter ausgelaufenen Corona-Maßnahmen stehende Volumen sank erstmals, und zwar auf 738 Mrd. Euro. Davon haben 207 Mrd. oder 28% eine bedeutende Verschlechterung der Bonität erfahren (Stage2 nach IFRS9) und 52 Mrd. oder 7,02% sind leistungsgestört, wie es heißt.

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