Tariq Noori und Johannes Koch, DZ Bank

Ein Mammutprozess ohne sichtbares Ende

Die DZ Bank kommt bei der nachhaltigen Transformation erste wichtige Schritte voran. Doch die Aufgabenliste ist noch lang, berichten die Manager Johannes Koch und Tariq Noori.

Ein Mammutprozess ohne sichtbares Ende

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

Der Wandel in Richtung nachhaltige Finanzwirtschaft gestaltet sich für die Akteure auf regulatorischer wie auch auf geschäftspolitischer Ebene zu einem Mammutprozess, dessen Ende auf Jahre hinweg nicht in Sicht ist. Neue Kriterien und (Risiko-)Einstufungen bei der Kreditvergabe, veränderte Konzernstrukturen, neue Berichtspflichten in Richtung Aufsicht und Öffentlichkeit oder neue Dialogpartner sind nur einige Stichworte in diesem Zusammenhang, die Banken derzeit umtreiben. Und das, obwohl der Personalmarkt leer gefegt ist, wenn es um ESG-Kenntnisse im Risikomanagement geht, wie Johannes Koch und Tariq Noori von der DZ Bank berichten.

Eine Ahnung von der Komplexität bekommt man beim Blick auf die Anzahl der Beteiligten im Weiterentwicklungsprogramm Nachhaltigkeit des genossenschaftlichen Zentralinstituts: 200 Mitarbeiter von insgesamt rund 5 500 seien teilweise oder ganz damit beschäftigt, so Koch, der Bereichsleiter Strategie und Konzernentwicklung ist. Noch vor zwei Jahren waren es nur fünf Personen gewesen. 2021 wuchs die Taskforce schon auf 40 Mitarbeiter plus die beiden Co-Bankchefs Cornelius Riese und Uwe Fröhlich. „Das Thema Nachhaltigkeit braucht unbedingt eine hohe Aufmerksamkeit auf Vorstandsebene, weil es eine zentrale strategische Frage ist und mit hoher Geschwindigkeit umgesetzt werden muss. Aber ein speziell für die Nachhaltigkeit zuständiger Vorstand wäre zu kurz gegriffen, weil es wirklich die gesamte Bank durchdringt“, sagt Koch zur aktuell laufenden Debatte in der Finanzbranche, welche Strukturen und Zuständigkeiten es braucht.

Team wird aufgeteilt

Das Kernteam wiederum mit rund 20 Leuten wird von Noori geführt, Abteilungsleiter Strategie & Nachhaltigkeit. Im Mai wird dieser Bereich allerdings aufgeteilt in ein Stakeholder-Reporting-Team sowie ein Strategieteam. „Das ist ein Trend, der sich auch bei den Mitbewerbern so etabliert“, berichtet Noori.

Bei der DZ Bank hat man den Transformationsprozess in einen strategischen und einen regulatorischen Handlungsstrang unterteilt. Dem darüber stehenden Lenkungsausschuss gehören fünf der acht Vorstandsmitglieder­ an. Der strate­gische Bereich wiederum ist unterteilt in Fokusthemen (Transparenz, grundlegende Ziele, Geschäftsop­portunitäten und Berichterstattung), Analyse (CO2-Accounting und Sek­tor­pfade, Risikoklassifizierung), Ge­schäfts­entscheidungen (Sektorstrategien, Kreditvergabestrategien) so­wie Daten(-Infrastruktur) und Ge­samt-IT-Architektur. Unter dem Oberbegriff Regulatorik sind alle aufsichtlichen Prozesse vereint: Klimastresstest, Taxonomie, EBA-Offenlegung sowie das Nachhaltigkeits-Risikomanagement.

Als Basis dient die Ermittlung verschiedener Kennzahlen, um eine Einstufung der DZ Bank als Bank wie auch als Gruppe mit dem aktuellen Stand der Nachhaltigkeit zu erhalten – auch mit Blick auf Ziele wie die CO2-Neutralität nach dem Pariser Klimaabkommen oder Maßstäbe wie die EU-Taxonomie. In welchen Sektoren ist das Kreditportfolio investiert, wie sieht der CO2-Fußabdruck des Kreditbuchs aus, wie ist die Klassifizierung nach den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen, wie das eigene Verständnis der noch sehr schwammigen Standards der EU-Nachhaltigkeitsregulierung, wie Konzepte für die Klassifizierung und Scorecard? All dies sind dabei zentrale Fragen.

Für die Banken wie auch für die Aufsicht ist dabei der laufende Klimastresstest auch der erste Gehversuch im Hinblick „auf Best Practice und Benchmark“, wie Noori ausführt. Ein Problem hierbei wie auch beim gesamten Thema Nachhaltigkeit: Wo kommen die Daten her? „Öffentlich verfügbare CO2-Daten sind momentan kaum vorhanden. Wir mussten für unsere Kunden externe CO2-Daten einkaufen“, sagt Noori.

Verschiedene Ansätze

Bei der Nachhaltigkeitsklassifizierung des Kreditbuchs, was perspektivisch neben den Emissionen viele weitere Umweltthemen, soziale wie Governance-Aspekte umfassen sollte, verfolgt derzeit jede Bank ihren eigenen Ansatz. Zudem fehlen in diesem Zusammenhang Berichterstattungsstandards für die Unternehmen. Diese schwere Aufgabe hat der in Frankfurt beheimatete neue Standardsetzer ISSB.

Bei der DZ Bank AG wiederum gibt es seit dem ersten Nachhaltigkeitsbericht 2020 eine SDG-Klassifizierung des Kreditbuchs. In der diesjährigen Ausgabe des Berichts für 2021 werden dabei auch erstmals die sogenannten adversen, also negativen Auswirkungen von Kreditbeständen einbezogen. Damit sei man in Deutschland Vorreiter, so Koch und Noori. Perspektivisch soll die Klassifizierung des Kreditbuchs weiterentwickelt werden, etwa durch die Einbindung der EU-Taxonomie. Nach der Offenlegungsverordnung ist die Transparenz über adverse Auswirkungen der Engagements künftig sowieso verpflichtend.

Das vergangene Jahr wurde bei der DZ Bank auch dazu genutzt, die Ausschlusskriterien durch konkrete Detailangaben zu präzisieren – auch nach Kritik von NGOs. Als Investitionsbereiche ausgeschlossen sind in der DZ Bank Gruppe etwa Waffenhandel, das Rotlichtmilieu oder Glücksspiel.

Ein Sektor nach dem anderen

Mit Blick auf die Ziele des Pariser Klimaabkommen und das CO2-Accounting geht die DZ Bank derzeit Sektor für Sektor vor. So ist etwa der Sektor Elektrizitätserzeugung Testballon für die CO2-Berechnung. Erst wenn die einzelnen Bewertungen der Wirtschaftssektoren feststehen, lassen sich auch die Werte insgesamt für die Gruppe der DZ Bank feststellen, so Koch und Noori. Die Bewertung der einzelnen Sektoren im Portfolio soll per Ende 2022 im nächsten Nachhaltigkeitsbericht zu finden sein. Dieser Prozess ist auch Basis für die künftige Pflicht der aufsichtlichen Berichterstattung Nachhaltigkeit für die EU-Bankenaufsicht EBA, die erstmals 2024 per Ende 2023 erfolgen muss. Ein zentraler Bereich in Sachen Nachhaltigkeit mit Blick auf Risikomanagement wie Ge­schäftschancen ist die Kreditvergabe. Zum einen soll es einen Risiko-Score für die einzelnen Firmenkunden geben, zumindest in den besonders von der Nachhaltigkeit betroffenen Branchen. Neben Liquidität und Eigenkapital kommt dieser Wert, der die Betroffenheit durch Klima- und Umweltrisiken messen soll, mit bei der Kreditentscheidung dazu. Hier spielen aber nicht nur der Ist-Zustand, sondern auch die unternehmensspezifischen Umweltziele eine Rolle.

Perspektivisch werden damit die Nachhaltigkeitseinstufung sowie die Transformationsperspektive Faktoren bei den Kreditkonditionen. Zu­gleich hilft der Risiko-Score auch, Geschäftschancen in der Kreditvergabe etwa für besonders aussichtsreiche Kandidaten zu entdecken.

Strittiges Thema

Gerade die Finanzierung der Transformation, die aus aktuell „braunen“ perspektivisch „grüne“ Unternehmen machen soll, ist ein heftig umstrittenes Thema im Dialog mit NGOs, berichtet Koch. „Das ist unsere Position, und die vertreten wir gegenüber allen Anspruchsgruppen“, stellt er klar. Während NGOs es teilweise am liebsten hätten, wenn Banken oder Fondsgesellschaften den braunen Unternehmen von jetzt auf gleich den Geldhahn abdrehen würden, betont die Finanzbranche die Notwendigkeit, den Wandel der Wirtschaft finanzieren zu müssen, um keine Massenarbeitslosigkeit durch abgewürgte Unternehmen hervorzurufen. Dazu passt, dass derzeit bei der DZ Bank nicht geplant ist, einen schlechten ESG-Score als Grund für die Ablehnung eines Kreditantrags zu verstehen. Damit ist das genossenschaftliche Spitzeninstitut konform mit der Branche.

Während also die DZ Bank selbst schon an vielen Fronten zu kämpfen hat, gilt es als zweite große Herausforderung, die Nachhaltigkeit konzernweit zu koordinieren. Bis voraussichtlich Ende des Jahres soll daher ein Konzerngremium für Nachhaltigkeit geschaffen werden und damit das seit September 2021 bestehende Group Corporate Re­sponsibility Committee auf Vorstandsebene fest verankert werden. Neben Riese und Fröhlich sitzen dort die acht Bereichsleiter der Töchter und der Steuerungseinheit Nachhaltigkeit. Hier geht es um gegenseitige Transparenz, wie die einzelnen Töchter bei der Nachhaltigkeit vorgehen. Welche Faktoren sind für das Rating von Relevanz, wie könnten gemeinsame Standards aussehen, welche nachhaltigen Themen halten Einzug in die Geschäftspolitik? Über solche und weitere Aspekte soll es einen regelmäßigen Austausch geben.

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