Peter Orszag und Marcus Schenck, Lazard

Einige M&A-Deals dürften die Ziellinie nicht erreichen

Ungeachtet eines verunsicherten Marktes prognostiziert Lazard grundsätzlich weiterhin rege M&A-Aktivitäten. Marcus Schenck, seit Anfang Juni Head of Financial Advisory im deutschsprachigen Raum, sagt indes zugleich voraus, dass einige Deals, über die verhandelt wird, kaum Realität werden dürften.

Einige M&A-Deals dürften die Ziellinie nicht erreichen

Von Detlef Fechtner und

Bernd Neubacher, Frankfurt

Bangemachen gilt nicht: In einem Umfeld, das sich mit Beginn des Ukraine-Krieges deutlich eingetrübt hat, zeigt sich die US-Investmentbank Lazard weiter optimistisch, wenngleich mit Einschränkungen. Ungeachtet großer Unsicherheit und hoher Volatilität sehe man „nach wie vor viel Aktivität“, sagt Peter Orszag, CEO of Financial Advisory der an der Börse mit knapp 4 Mrd. Dollar bewerteten Gesellschaft, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Technologie, die Transformation der Energiewirtschaft und die postpandemische Organisation der Geschäftsmodelle hin zu neuen operativen Formen trieben den Markt. Zudem stellten Investoren Firmen zunehmend abseits der Börse via Private Credit und Private Debt Fremdkapital bereit. „Die Dinge können sich schnell ändern – und auch Preiserwartungen“, räumt der Manager ein: „Naturgemäß dauert es eine Zeit, bis sich Managements und Vorstände auf veränderte Bewertungsniveaus eingestellt haben. Das kann manchmal Transaktionsdiskussionen verlangsamen, weil es Unterschiede bei den Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern gibt.“

Marcus Schenck, der zu Monatsbeginn Weinberg Perella verlassen hat und seither Head of Financial Advisory für den deutschsprachigen Raum sowie Member of the Global Management Committee Financial Advisory von Lazard ist, prognostiziert: „Wir erwarten zwar weiterhin ein hohes Niveau an Aktivitäten in der gesamten Branche. Aber es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass einige der Deals, die gerade verhandelt werden, die Ziellinie nicht erreichen werden.“ Er rechne in diesem Jahr mit einer weiterhin hohen M&A-Aktivität, wenn auch nicht so hoch wie 2021. Dabei gibt der ehemalige Finanzvorstand der Deutschen Bank zu bedenken: „Das Jahr 2021 war eines der aktivsten M&A-Jahre, die ich in meinem Berufsleben erlebt habe.“ Gleichwohl wirke sich das Umfeld auf die Bewertungen aus: „Wenn der Tech-Sektor an der Börse verliert, hat das natürlich Implikationen für Privatplatzierungen – zumal die Börse ja eine Exit-Option ist. Das heißt nicht, dass Investoren vor Investments zurückschrecken. Aber man muss gegebenenfalls seine Erwartungen anpassen, was einen späteren Exit aus Engagements angeht.“

Mit der Berufung Schencks, an den die vier Geschäftsführer der Lazard & Co GmbH um Ken Oliver Fritz-Früh berichten, will Lazard das Deutschland-Geschäft stimulieren. Auf der von Refinitiv nach Provisionseinnahmen erstellten Rennliste für das deutsche M&A-Geschäft ist Lazard 2021 mit einer Beteiligung an elf Transaktionen und mit auf 28 Mill. Dollar halbierten Einnahmen und einem Marktanteil von 2,7% vom sechsten auf den achten Rang zurückgefallen. Laut jüngstem im Bundesanzeiger publizierten Abschluss hatte Lazard 2020 den Umsatz von gut 19 Mill. auf 25 Mill. Euro gesteigert und dank rückläufigen Personalaufwands das Nachsteuerergebnis von −2,5 Mill. auf 900000 Euro ins Plus gedreht.

Orszag und Schenck relativieren die Bedeutung von Rennlisten: „Ich glaube nicht an League Tables“, sagt Schenck: „Das interessiert die Kunden auch nicht wirklich. Ich glaube an Umsatz und Produktivität.“ Orszag pflichtet ihm bei: „Relevanz ist eine der wichtigsten Messgrößen in Vorstandsetagen. Man kann Relevanz nicht nur anhand von League Tables messen.“

Strategisch positioniert sich Lazard als Gesellschaft, die laut Orszag „auf beiden Seiten des Atlantiks auf einmalige Weise stark aufgestellt ist“ und daher profitieren werde, wenn die Märkte in den USA und Europa in den nächsten Jahren noch viel enger verbunden seien. Schenck gibt als ein strategisches Ziel denn auch aus, „die Stärke des Franchise-Netzwerks zu nutzen – transatlantisch und in Europa.“

Allerdings sind die Aussichten für die Konjunktur gerade in Europa wenig rosig. Dort sei das Risiko höher, in eine Rezession abzugleiten, sagt Orszag. Unter anderem komme es in dieser Frage darauf an, ob bzw. welche weiteren Sanktionen gegen Russland erlassen werden und ob es zu einem abrupten Stopp der Energieimporte kommen werde. Zwar hat sich Lazard immer zugutegehalten, Talsohlen im Investment Banking mit Hilfe ihrer Restrukturierungsberatung abfedern zu können. So weit ist es allerdings noch nicht. Orszag zufolge nimmt die Zahl der Diskussionen über Restrukturierungen zwar bereits zu. „Aber bislang verlagern wir unsere Leute nicht in die Restrukturierungsberatung“, stellt er die Prioritäten klar. Als interessanten Trend in den USA macht er derweil den Boom der sogenannten Continuation Funds aus: „Continuation Funds bieten Liquidität und eröffnen neue Möglichkeiten für Sponsoren, auch wenn der IPO-Kanal etwas komplizierter ist“, kommentiert er die Konjunktur dieser Vehikel, die Mittel von neuen Anlegern auf sich vereinen, die in einen bestehenden Altfonds investieren, sowie Mittel von Investoren dieses Altfonds, die reinvestieren.

Daneben hat Orszag das regulatorische Umfeld in den USA im Auge. Dieses habe sich geändert: „Es gibt zwar keine neuen Gesetze. Aber in den USA interpretieren die Behörden Antitrust heute anders als früher und bringen Transaktionen vor Gericht. Nun entscheiden die Richter, ob die Geschäfte zustande kommen oder nicht.“

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