Erst der Westen, dann Fernost, dann der Rest

Allianz: Nach Aufstieg Chinas dürfte globaler Wohlstand auch auf andere Länder überschwappen - Kursrutsch 2018 vorerst verdaut

Erst der Westen, dann Fernost, dann der Rest

Der Kurseinbruch an den Börsen Ende 2018 scheint vergessen: Der weltweite Aufwärtstrend der Geldvermögen setzt sich im laufenden Jahr fort, berichtet die Allianz. Das Wachstumspotenzial in etlichen Schwellenländern ist noch immer enorm. Die Deutschen sparen derweil tapfer gegen die Tiefzinsen an.jsc Frankfurt – Nach dem Kursrutsch an den Börsen im vergangenen Jahr wird das Wachstum des globalen Wohlstands nach Auffassung der Allianz wieder an Fahrt gewinnen und sich auf immer mehr Regionen der Erde verteilen. Zwar habe zuletzt der Aufstieg Chinas einen Dämpfer erlitten und die These eines “asiatischen Jahrhunderts” sei nun “mit einem kleinen Fragezeichen” versehen, sagte Arne Holzhausen, Leiter Insurance & Wealth Markets, anlässlich eines Berichts des Versicherers zum globalen Geldvermögen am Mittwoch in Frankfurt. Mit 1,62 Milliarden Menschen in der globalen Mittel- und Oberklasse sei das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. “Wenn jetzt andere bevölkerungsreiche Länder – Brasilien, Indonesien, Russland, vor allem Indien – eine ähnliche Vermögensentwicklung hätten wie China, dann hätten wir 350 Millionen Menschen mehr in der globalen Mittelklasse und 200 Millionen mehr in der Oberklasse.”Weil die Börsenkurse Ende 2018 abgesackt sind, stagnierte das globale Geldvermögen mit einem Minus von 0,1 % und erreichte per Jahresende brutto knapp 173 Bill. Euro. Doch bereits im laufenden Turnus werde sich das Wachstum auf knapp 7 % beschleunigen, auch wenn die Bilanz erst zum Jahresende gezogen werde, wie Chefvolkswirt Michael Heise sagte. Der Aufwärtstrend zeigte sich bisher langfristig stabil: In der Finanzkrise waren die globalen Geldvermögen weniger als 100 Bill. Euro wert, erst 2018 wurde der seither erste Rückgang verzeichnet. Milliarden Menschen sehen zuAllerdings besitzt trotz des rasanten Fortschritts auch weiter nur eine Minderheit auf der Welt ein vorzeigbares Geldvermögen. Etliche Länder tauchen im Bericht mangels Daten nicht auf. So ist der gesamte afrikanische Kontinent allein mit Südafrika vertreten. In China und anderen asiatischen Schwellenländern besitzen zwar mittlerweile mehr Menschen ein Geldvermögen als in Nordamerika, Westeuropa und Japan zusammen (siehe Grafik). Das Vermögen pro Kopf ist in den westlichen Ländern aber weiterhin deutlich höher.An der Spitze stehen wie in den Vorjahren die USA und die Schweiz: Nach Abzug der Schulden besitzen US-Amerikaner pro Kopf 184 410 Euro, während die Eidgenossen auf 173 840 Euro kommen. Sämtliche anderen Länder rangieren weit dahinter: Singapur kommt mit 100 370 Euro auf Rang 3, es folgen Taiwan, die Niederlande und Japan. Deutschland steht mit 52 860 Euro auf Rang 18 knapp hinter Italien und Österreich. Die Bundesrepublik spürt bis heute unter anderem die Wiedervereinigung, als etliche Bürger ohne Vermögen hinzukamen, während nicht kapitalgedeckte Ansprüche wie etwa die gesetzliche Rente gar nicht erst gezählt werden.Die Verteilung der Vermögen fällt von Land zu Land unterschiedlich aus: Die Schweiz, Japan, die Niederlande, Belgien und Taiwan weisen nicht nur ein hohes Durchschnittsvermögen, sondern auch eine eher gleichmäßige Verteilung auf, so dass auch ein Bürger in der Mitte der Gesellschaft – der Median – von einem relativ hohen Vermögen profitiert. Die USA, obwohl insgesamt Spitzenreiter, fallen in der Median-Betrachtung weit zurück, und auch Deutschland ist laut Allianz durch Ungleichheit geprägt.Allerdings nehme die Ungleichheit nicht überall zu, das Bild sei vielmehr durchwachsen, betont Holzhausen. In Deutschland habe sich die Verteilung seit der Jahrtausendwende kaum verändert. “Es gibt natürlich dieses schöne Narrativ: Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer”, sagte er. “Das stimmt nicht so ganz. Man muss eben genau hinsehen.” Global betrachtet, also über alle Länder hinweg, nehme die Ungleichheit wegen des Aufstrebens der Mittelschicht sogar eher ab. “Rubrik Populismus”In Deutschland falle die Vermögensbildung trotz hoher Sparquote noch immer schwer, sagte Chefvolkswirt Heise. Das liege auch an dem hohen Anteil der Bankeinlagen. Mittlerweile investierten die Deutschen aber verstärkt in Fonds und Wertpapiere, während sich Sparer anderswo im Euroraum aus dem Segment zurückzögen. Heise erläuterte den Bericht zum letzten Mal, denn im Oktober gibt er mit seinem Wechsel in den Ruhestand das Amt an Allianz-Ökonom Ludovic Subran ab.Um Anleger zu entlasten, ist nach dem Vorschlag des scheidenden Chefvolkswirts eine Erhöhung des Freibetrags für Kapitaleinkünfte denkbar, steuerliche Ausnahmen von Wertgewinnen von Aktien sowie eine Stärkung der geförderten privaten oder der betrieblichen Altersvorsorge. Von einem Verbot von Negativzinsen für Sparer, das etwa der CSU-Vorsitzende Markus Söder gefordert hatte, hält er nichts. “Das würde ich in die Rubrik Populismus einordnen.”