Thomas Katzenmayer, Evangelische Bank

„ESG wird bislang auf CO₂-Ersparnisreduziert“

Als Chef der Evangelischen Bank hat Thomas Katzenmayer soziale Faktoren im Blick, während sich die ESG-Regulierung bislang überwiegend mit Umweltfragen beschäftigt. Das betrifft auch die Taxonomie.

„ESG wird bislang auf CO₂-Ersparnisreduziert“

Wolf Brandes.

Die Evangelische Bank ist von der Taxonomie, die die Unternehmen in nachhaltig und nicht-nachhaltig sortiert, betroffen. Was halten Sie von dem Projekt, Herr Katzenmayer?

Wir begrüßen die Taxonomie ausdrücklich, denn unser Geschäftsmodell ist auf Nachhaltigkeit abgestellt. Dieses Regelwerk ist notwendig, denn Appelle reichen nicht aus, das hat die bisherige Entwicklung gezeigt. Der Weg geht nun von einer bislang eher qualitativ-subjektiven hin zu einer mehr quantitativ-objektiven Bewertung von Nachhaltigkeit. Schwierig ist es, ein Regelwerk für alle Unternehmensgrößen zu schaffen. Es gibt viele kleine Unternehmen, die von künftigen Berichtspflichten ausgenommen sind, die aber spätestens bei einer Finanzierung Daten liefern müssen. Unsere Kunden wiederum sind oft große Sozialunternehmen, die glauben, die Taxonomie betreffe sie nicht.

Die Bank ist schon immer bestimmten Werten verpflichtet und verfolgt ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Frustriert Sie das jetzt, das mit vielen kleinen Zahlen unterfüttern zu müssen?

Ich denke, die übergeordneten Ziele machen das notwendig. In unserer Bank haben wir in der Vergangenheit auch schon sehr viele ESG-Daten erhoben. Wir haben uns zur Nachhaltigkeit auch zertifizieren lassen. Gleichzeitig entscheiden wir immer nach strengen ökonomischen Kriterien. Wenn man Nachhaltigkeit jetzt in einer bestimmten Kennzahl wie etwa der Green Asset Ratio ausdrücken will, dann wird uns das nicht gerecht.

Welche Besonderheiten gibt es in der Finanzierung sozialer Unternehmen?

Die Sozialwirtschaft bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen sozialen und ökonomischen Kriterien. Klar ist, ohne Geld findet auch in dem Sektor nichts statt. Das miteinander Ringen um die beste Lösung ist die DNA, die man zur Umsetzung von Nachhaltigkeit braucht.

Bei der Nachhaltigkeit kann es schnell zu Interessenkonflikten kommen, zum Beispiel zwischen Umweltfragen und Arbeitsplätzen. Besteht die Gefahr, mit einem zu starken Fokus auf das E das S zu vernachlässigen?

Wer heute energieeffizient investiert, bewegt sich Taxonomie-konform. Tätigkeiten im sozialen Bereich werden aber von der Taxonomie bislang nicht erfasst. ESG wird leider bislang auf CO2-Reduktion reduziert. Das ist eine Fehlentwicklung, denn man kann Investitionen nicht nur hinsichtlich der CO2-Relevanz bewerten. Die Ausgewogenheit und das Nebeneinander der Kriterien ist für uns bei Nachhaltigkeit das Allerwichtigste.

Können Sie ein Beispiel geben?

In der Sozialwirtschaft finanzieren wir verschiedene Einrichtungen von Krankenhäusern über Pflegeheime bis zum privaten Wohnungsbau. Bei einem Blick auf CO2 wird der soziale Beitrag, den die Einrichtungen leisten, nicht bewertet. Und bei der Finanzierung einer Bestandsimmo­bilie steht die Reduzierung des CO2-Fuß­abdrucks in der Regel gar nicht im Fokus – wird uns aber als Bank im Rahmen der Scope-3-Emissionen trotzdem zugerechnet. Das kann schon ein Problem werden, denn während heute noch Eigenkapital das knappe Gut ist, wird künftig womöglich der CO2-Fußabdruck der entscheidende Faktor bei der Kreditfinanzierung sein. Das schwächt die Bonität der Bank und der Kunden. Eine solch einseitige Sicht ist schlecht für die Finanzwirtschaft.

Ist die Finanzierung von sozialen Einrichtungen ein Sonderfall?

Mag sein, denn in dem Segment geht es in erster Linie nach den Regeln der Sozialgesetzbücher und nicht nach marktwirtschaftlichen Kriterien. Es ändert aber nichts daran, dass die Einrichtungen finanziert werden müssen und dass Nachhaltigkeit uns keine Steine in den Weg legen sollte.

Was sollte man in Sachen ESG-Regulierung generell tun?

Wir haben mit dieser Regulierung einfach noch keine Erfahrung. Es ist ein Marathon, die Ziele zu erfüllen. Bisher gab es das Thema Nachhaltigkeit in der Breite nicht, jetzt gibt es einen engen Zeitplan. Problematisch ist es auch, dass viele relevante Marktakteure und die Sozialwirtschaft in die Gespräche zur Taxonomie nicht einbezogen worden sind. Das muss sich ändern, und insgesamt sollte man sich mehr Zeit nehmen.

Sie haben die Folgen für die Banken angesprochen, die beispielsweise künftig neue grüne Kennzahlen errechnen müssen. Ist das sinnvoll?

Was soll die Green Asset Ratio aussagen? Unser Portfolio hat einen Anteil von 3 bis 4%, denn wir haben viele Sozialimmobilien, aber wenig grüne Immobilien. Was bringt es, diese Unmengen an Daten zu sammeln. Es hilft nicht weiter, die Banken mit einem neuen Dschungel von Kennzahlen zu steuern. Das betrifft auch die Wirtschaft. Man sollte sich davor hüten, Unternehmen nur wegen schlechter Kennzahlen als schlecht zu bewerten.

Seit Anfang August gibt es die grüne Anlageberatung. Wie sieht es bei Ihnen im Haus aus?

Nachhaltige Investments betreffen uns in mehreren Ebenen. Dazu arbeiten wir schon lange mit im Arbeitskreis kirchlicher Investoren, der für verschiedene Anlageklassen Empfehlungen entwickelt. Daran orientieren wir uns bei den Eigenanlagen, die mehr als 3 Mrd. Euro betragen. Unsere langjährigen Privatkunden sind schon immer gekommen, weil die Bank mit ihrem Geld nachhaltige und soziale Einrichtungen finanziert. Die jüngeren Privatkunden, die bei uns Geld anlegen, sind Überzeugungstäter. Wenn wir jetzt die Nachhaltigkeitspräferenz abfragen, verstehen die Kunden nicht, was wir von ihnen wollen. Es ist ein Dokumentationsmonster, aber die Beratung ist natürlich kein Problem.

Das Interview führte

BZ+
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