EZB treibt Berichtsreform voran

Banken zeigen sich aufgeschlossen, fürchten aber hohen Aufwand - Umsetzung soll bis 2027 dauern - EBA operiert parallel

EZB treibt Berichtsreform voran

Die Europäische Zentralbank treibt ihr Vorhaben einer Harmonisierung des Berichtswesens voran. Ihre Umsetzung ist für die Jahre 2024 bis 2027 geplant. Banken begrüßen das Vorhaben, verweisen aber auf hohe Belastungen. Zugleich macht sich auch die European Banking Authority an eine Vereinheitlichung. Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie Europäische Zentralbank (EZB) treibt ihren Plan einer ebenso langfristigen wie tiefgreifenden Reform des statistischen Berichtswesens voran. Bei Europas Banken stößt das Vorhaben einer Harmonisierung grundsätzlich auf Zustimmung, auch wenn die Institute in einer Umfrage auf einen hohen Aufwand für die Umsetzung eines Integrated Reporting Framework (IReF) verwiesen haben. Unterdessen laufen auch auf Ebene der Europäischen Union Vorbereitungen für eine Vereinheitlichung der Meldungen.Abhängig vom Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Analyse dürfte das geplante Integrated Reporting Framework (IReF) fürs statistische Berichtswesen in den Jahren 2024 bis 2027 umgesetzt werden, heißt es in einem Papier, das die EZB vor wenigen Tagen online gestellt hat. Mit der Präferenz für eine Realisierung in fünf bis acht Jahren will die Notenbank die Lebenszyklen bestehender IT-Systeme berücksichtigen und Banken genügend Zeit einräumen, wie es heißt. Bis dahin will das Europäische System der Zentralbanken in Zusammenarbeit mit der Branche auch technische Merkmale definieren und die Art der Datenübertragung regeln. Selbst diese Frist könnte bald knapp werden, wird im Markt schon gemahnt. Wildwuchs an AnforderungenDerzeit sehen sich Europas Banken zahlreichen Berichtsanforderungen gegenüber, von Datensammlungen für makroökonomische Statistiken bis hin zu aufsichtlichen Meldungen. Festgelegt sind diese Anforderungen in separaten Verordnungen, etwa Bilanz-, zur Zins-, zur Wertpapierstatistik oder zum Kreditregister Anacredit. Hinzu kommen Regelwerke zum aufsichtlichen Meldewesen, etwa zu Finanzinformationen (Finrep), sowie technische Standards der European Banking Authority (EBA). Vielfach werden dabei für unterschiedliche Meldungen dieselben Fragen gestellt. Diese Heterogenität führt im selben Bestand von Daten zu Inkonsistenzen, je nachdem ob diese in Meldungen aus dem Risikobereich oder dem Rechnungswesen einfließen – der Abgleich von Daten ist heutzutage kein geringer Kostenblock in Banken.Im IReF will die EZB nun zumindest die statistischen Datenanforderungen an die Banken bündeln. Dies dürfte nicht zuletzt grenzüberschreitend tätigen Instituten entgegenkommen, die sich derzeit von Land zu Land differierenden Anforderungen gegenübersehen.Die Umsetzung allerdings wird Banken, auch wenn IReF auf lange Sicht hohe Einsparungen verheißt, einiges abverlangen. In der Befragung der EZB haben die sich daran beteiligenden Banken, die laut Notenbank 78 % der Bilanzsumme in Euroland repräsentieren, einer Vereinheitlichung der Konzepte und Methoden im statistischen Meldewesen zwar hohe Priorität eingeräumt und den Vorstoß im Grunde begrüßt, aber auch auf Probleme hingewiesen. “In der operativen Phase wird das größte Problem die Konzentration von Arbeitsbelastung in kurzer Zeit sein”, fasst die EZB die Angaben der befragten Banken zusammen. So müssten für die ins IReF zu integrierenden Datensätze parallele Systeme unterhalten werden, bevor der integrierte Berichtsrahmen stabil laufe. Nicht wenige Banken dürften zudem vor der Aufgabe stehen, noch an ihrem momentanen Berichtssystem Änderungen vorzunehmen, kurz bevor dieses das Ende seines Lebenszyklus erreiche, oder für IReF gleich ein komplett neues System zu entwickeln. Schätzungen zu konkreten Kosten pro Institut finden sich nicht im 36-seitigen Papier der EZB.Angesichts dieser Gemengelage laufen sich im Markt schon die ersten Dienstleister warm, denen mit Einführung von IReF Umsatz winkt. So hat EY eine Partnerschaft mit SAP vereinbart, um gemeinsam die Anforderungen von IReF abdecken zu können. In diesen Tagen bereits wolle SAP bereits Tests starten, um die Anforderungen der Zukunft in ihrem neuen Produkt Financial Services Data Management abzubilden, heißt es im Markt. Das Software-Unternehmen äußert sich dazu auf Anfrage nicht.Den in der Geldpolitik und der Aufsicht der Notenbank versammelten Statistikern geht es nicht nur um ein harmonisiertes, sondern um ein weitaus detaillierteres Berichtswesen als bislang. Dies entspräche dem Trend der vergangenen Jahre, in welchen der Umfang der Anforderungen der verschiedenen Behörden, wenn auch wenig koordiniert, stetig zugenommen hat. Wie eine Umfrage der Europäischen Kommission zutage gefördert hat, ist die Anzahl der mit Meldepflichten beschäftigten Mitarbeiter in Banken zwischen 2009 und 2016 im Durchschnitt um die Hälfte gestiegen.Derweil laufen auch auf Ebene der EU Vorbereitungen für eine Harmonisierung des aufsichtlichen Meldewesens. So hat die EBA vom Rat und dem Europäischen Parlament den Auftrag erhalten, die Chancen für den Aufbau einer zentralen Datensammelstelle fürs aufsichtliche Meldewesen zu prüfen, zugleich Optionen, wie die Meldebelastung reduziert werden könnte. Während der Fokus der EZB auf dem statistischen Meldewesen liegt, kümmert sich die EBA vor allem ums aufsichtliche Meldewesen.In Anbetracht des Nebeneinanders der Harmonisierungsanstrengungen im statistischen und aufsichtlichen Meldewesen fordert der Bundesverband deutscher Banken unterdessen eine Verzahnung beider Projekte: “Das Nebeneinander von statistischen und aufsichtlichen Meldungen sollte langfristig überwunden werden.” Grundvoraussetzung sei, dass “alle relevanten Behörden tatsächlich wirkungsvoll zusammenarbeiten”, heißt es in einem für die “Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen” verfassten Gastbeitrag. Das momentane System halten laut der Umfrage der EU-Kommission jedenfalls mehr als die Hälfte der befragten Banken für einigermaßen ineffizient. Dies deckt sich mit der Einschätzung bei Aufsehern. Der Rahmen für die Dateninfrastruktur sei mancherorts noch immer erbärmlich, moniert dort ein hochrangiger Vertreter.Auf deutsche Banken dürfte im Zuge einer Harmonisierung Umstellungsaufwand sowohl mit Blick auf das statistische als auch auf das aufsichtliche Berichtswesen zukommen. In Ländern wie Österreich, Italien oder Finnland existiert bereits auf nationaler Ebene ein integriertes Systeme fürs statistische Berichtswesen. Und zum anderen galt das aufsichtliche Meldewesen in Deutschland schon vor Einführung der europäischen Bankenaufsicht Ende 2014 nicht als das granularste. Noch im November vergangenen Jahres kündigte Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), eine standardisierte Dauerabfrage zur Vergabe von Immobilienkrediten an – nachdem der Europäische Systemrisikorat Druck gemacht hatte. “Es gibt sehr wenige Länder, in denen man so wenig über die Immobilienkreditvergabe weiß wie in Deutschland”, erklärte Hufeld. “Wir stehen da eindeutig ein wenig am Pranger – ich würde sagen: zu Recht.”Solche Entwicklungen dürften sich damit zumindest hierzulande auch auf den Markt für Meldesysteme auswirken. Der ist ohnehin in Bewegung geraten, seitdem der dominierende Anbieter, die Bearing-Point-Tochter Abacus, Probleme mit der Einführung einer neuen Melde-Software hat und neuerdings sogar im Schaufenster steht, während sich erste Großkunden wie Commerzbank, DZ Bank und LBBW nach alternativen Anbietern umsehen.Unterdessen ist die EZB den ersten Schritt hin zu einem integrierten Berichtsrahmen bereits gegangen, und zwar mit ihrer Initiative für ein Banks Integrated Reporting Dictionary (BIRD), einer Art IReF-Vorstufe. BIRD definiert für bestimmte Berichte jeweils die relevanten Datenelemente und soll, ergänzt durch Transformationsregeln, die Produktion der entsprechenden Reports ermöglichen. Es bildet damit einen Nukleus, der sich, ergänzt etwa um Daten zum Legal Entity Identifier (LEI) sowie mit Hilfe der Sprache von Extensible Business Reporting Language, zu einem IReF ausbauen lässt.In der BIRD-Version, welche die EZB gemeinsam mit großen Banken bereits entwickelt hat, sind dabei statistische Meldungen wie zum Kreditregister Anacredit sowie zu Wertpapierbeständen ebenso berücksichtigt wie bankaufsichtliche Angaben zu Finanzinformationen (Finrep). Zu Monatsbeginn sind Daten zur kurzfristigen Liquiditätskennziffer LCR hinzugekommen. Kaum präsentDie Einführung von BIRD ist zwar nicht verpflichtend, anders als dies bei IReF der Fall sein dürfte. Schematische Darstellungen der EZB legen gleichwohl den Schluss nahe, dass das eine Voraussetzung dafür sein sollte, das andere überhaupt bewältigen zu können (siehe Grafiken).Vor dem Hintergrund, dass das deutsche Meldewesen schon bisher nicht zu den detailliertesten zählte, zeigt man sich bei Beobachtern verwundert darüber, dass in den von der EZB zu BIRD angebotenen Arbeitskreisen bislang zwar viele Vertreter von Banken etwa aus Portugal, Spanen, Malta und Italien, weniger indes aus Deutschland zu sehen waren.Viele Vorstände schöben dieses strategische Thema von sich weg, heißt es im Markt. Schließlich eröffne IReF Banken zwar enormes Potenzial zur Senkung von Aufwand, wenn es erst einmal eingespielt sei. Zuvor aber stünden Investitionen und ein hoher Umstellungsaufwand an. Die EZB wiederum setze das Thema nicht oben auf die Agenda, da sie in diesem Fall die öffentliche Aufmerksamkeit scheue und den Banken IReF zunächst schmackhaft machen müsse. Auf längere Sicht wird BIRD laut Beobachtern fürs Meldewesen dasselbe bieten, was Regulierer und Aufsicht mit dem Baseler Standard BCBS 239 schon im Risikomanagement forciert haben: Transparenz gleichsam auf Knopfdruck. Der EZB schweben schon seit längerem Banken vor, deren Datenhaushalte es ihr ermöglichen, sich in den Beständen ohne weiteres selbst zu bedienen. Instrumente der künstlichen Intelligen bieten dabei überdies die Perspektive, etwa die Verteilung des Ratings für ein und denselben Kunden über mehrere Banken hinweg zu analysieren. Statt sich auf Stichproben verlassen zu müssen, könnten sich Aufseher zu Vollprüfungen entschließen, ist im Markt zu hören.Wenn Banken etwa ihre Informationen zu ihren Krediten schon bei deren Vergabe speicherten und dann auf granularer Basis meldeten, könne die EZB selbst mit diesen rechnen und mit Hilfe dieses integrierten Systems “alle Erhebungen aus einem internen Meldesystem speisen”, hatte schon Anfang 2017 der damalige EZB-Generaldirektor Statistik, Aurel Schubert, der Börsen-Zeitung erklärt. Dies gelte nicht nur für das Kreditregister Anacredit, sondern etwa auch die Zahlungsbilanz oder im Prinzip auch die Meldung von Finanzinformationen (Finrep). EY-Partner Gunther Tillmann spricht von einem “wichtigen Transformationsschritt”. Müssen Banken derzeit ja nach Land oftmals divergierende Datenfelder der jeweiligen Aufsicht ausfüllen, geht es künftig um ein standardisiertes Modell, das die Banken mit Rohdaten beliefern, aus denen die Aufsicht je nach Bedarf ihre Statistiken erstellt.