Green-Bond-Standard

Goldwashing

Beim Green-Bond-Standard, auf den sich EU-Staaten und Europaparlament geeinigt haben, ist Pragmatismus Trumpf. Doch es bleiben Tücken.

Goldwashing

Von einem „Goldstandard“ ist allenthalben die Rede, auf den sich EU-Staaten und Europaparlament im Grundsatz ge­einigt haben: In der Tat setzt der Green-Bond-Standard Maßstäbe in Sachen grüner Finanzierungen. Dabei ist die Teilnahme grundsätzlich freiwillig, was Vertretern der Finanzbranche besonders wichtig ist: Niemand zwingt Unternehmen, sich dem Label „European Green Bond“ zu unterwerfen. Gleichwohl dürfte das Siegel unter Emittenten angesichts des Booms von Sustainable Finance enorme Sogwirkung erzeugen – aus dem simplen Bestreben, für Investoren attraktiv zu bleiben.

Ein EU-weiter Green-Bond-Standard ist allerdings auch überfällig. Unternehmen sind aufgerufen, mithilfe von EU-Förderprogrammen allein in den kommenden drei Jahren Hunderte Milliarden Euro zu mobilisieren, um in den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft im Allgemeinen und der Energieversorgung im Speziellen zu investieren. An grünen Investitionsprojekten besteht kein Mangel. Die EU-Gesetzgeber liefern nun das passende Etikett für die Kapitalmärkte nach.

Einzelheiten der Übereinkunft zum Green-Bond-Standard sind zwar noch nicht bekannt. Die veröffentlichten Eckpunkte stimmen Vertreter der Finanzindus­trie indes zuversichtlich. Sie atmen den Geist des Pragmatismus. Das Prinzip der Freiwilligkeit garantiert den Unternehmen Wahlfreiheit: Längst existieren verschiedene Nachhaltigkeitsstandards, allen voran die Green Bond Principles (GBP) des internationalen Kapitalmarktverbands ICMA. Der „European Green Bond Standard“ (EGBS) muss seinen Nutzen also im Wettbewerb an den Kapitalmärkten beweisen – gut so.

Pragmatisch sind die Co-Gesetzgeber auch an anderen Stellen. Einmal begebene Anleihen erhalten Bestandsschutz: Das verleiht Unternehmen Rechtssicherheit und Investoren die Garantie, dass ein Bond in ihrem Depot bis zum Ende der Laufzeit das Green-Bond-Siegel behält – auch falls sich die Rechtslage ändern sollte. Das schafft Vertrauen. Eine weitere zentrale Komponente des Deals kommt dem Wunsch nach Flexibilität und Praxistauglichkeit nach: Die meisten, aber nicht alle gemäß Green-Bond-Standard begebenen Anleihen müssen von vorneherein im Einklang mit der Taxonomie stehen.

Die Taxonomie – Maßstab für nachhaltige Finanzprodukte – ist der zentrale Bezugspunkt des als „Goldstandard“ gepriesenen European Green Bond. Das Problem: Sie ist nicht nur unvollendet, sondern auch anfällig für politische Mauscheleien. Die Entscheidung, Gas und Atomkraft als grüne Investments im Sinne der Taxonomie einzustufen, hat Empörung ausgelöst. Praktisch hat das nun zur Folge, dass solche Investitionen künftig das europäische Green-Bond-Siegel erhalten könnten, wenn Unternehmen dafür Kapital am Anleihemarkt einsammeln.

Das unterstreicht eindrucksvoll, warum die EU-Kommission tunlichst darauf bedacht ist, ein vergleichbares Fiasko wie mit Gas und Atomkraft beim Ausbau der Taxonomie zu vermeiden. Und es lässt wohlklingende politische Statements ein Stück weit hohl klingen, mit dem „Goldstandard“ European Green Bond gegen Greenwashing angehen zu wollen. Investoren müssen jedenfalls auch beim Green-Bond-Standard genau hinschauen, damit aus Greenwashing kein Goldwashing wird.

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