Klaus Naeve, Berenberg

„Im Sturm keine radikale Veränderung der Strategie“

Der Private-Banking-Chef der Berenberg Bank über verunsicherte Kunden und den Umbruch in seinem Geschäftsfeld. Die Nachfrage nach Terminen der Top-Kunden sei stark gestiegen.

„Im Sturm keine radikale Veränderung der Strategie“

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Die schwierigen Märkte haben Spuren am verwalteten Vermögen von Banken und Finanzdienstleistern hinterlassen. Seit Jahresbeginn haben deutsche Bundesanleihen und Standardaktien rund 10 % verloren. Vermögen schrumpften, Kunden blieben weg. „Im Moment sind viele Kunden aufgrund der herausfordernden Marktsituation verunsichert und tun sich schwer, Geld in Risiko-Assets zu investieren. Das führt dazu, dass das in Fonds gehaltene Volumen seit Ausbruch des Krieges rückläufig ist – generell im Markt und auch bei uns“, sagt Klaus Naeve, der bei Berenberg seit 2020 mit Matthias Born für das Wealth & Asset Management zuständig ist. Dabei hat sich das Geschäft mit der Beratung und die Vermögensverwaltung von sehr wohlhabenden Familien und Unternehmens stabilisierend ausgewirkt. Im Wealth Management seien die Assets konstant geblieben.

Bei der ältesten Privatbank Deutschlands ist Wealth und Asset Management einer von drei Geschäftsbereichen neben Investmentbank und Corporate Banking. Während andere Banken die Vermögensverwaltung aufteilen, führt Berenberg beides in einer Hand. „Asset und Wealth Management unter einem Dach zu haben, hat generell große Vorteile“, sagt Naeve. „Wenn beide Einheiten eng zusammenarbeiten, lassen sich die Lösungsvorschläge für die Vermögensanlage schlüssiger und überzeugender darstellen. Gerade in kritischen Phasen ist es gut, wenn beide Einheiten zu Wort kommen.“ Das sei insbesondere von Relevanz, wenn man als kombinierter Anbieter die Erfordernisse von Privatkunden, Versicherungen und Unternehmen erfüllen muss. Insgesamt liegt das verwaltete Vermögen bei Berenberg im Asset und Wealth Management bei rund 45 Mrd. Euro.

Generell gilt das Geschäft mit Wealth-Management-Kunden als Wachstumssegment. Dem Bereich stehe die nächste Evolutionsstufe bevor, so das Beratungshaus Oliver Wyman in Kooperation mit Morgan Stanley. Oliver Wyman erwartet, dass der Anteil des Vermögensverwaltungs- und Privatkundensegments am gesamten verwalteten Vermögen in den nächsten fünf Jahren von 58 auf 64 % steigen werde. „Die Technologie demokratisiert die Vermögensverwaltung. Erheblich größere Kunden- und Ertragspools werden zugänglich“, heißt es in der Studie. Die nächste Phase werde durch eine Modularisierung von Angeboten gekennzeichnet sein.

Bei Berenberg setzt man indes im Wealth Management weiter auf eine individuelle Betreuung. „Aktuell haben die Kunden einen großen Beratungsbedarf, denn sie wollen verstehen, was an den Märkten geschieht“, sagt Naeve und weist auf eine große Verunsicherung hin. „In dieser Phase sagen wir aber, dass man mitten im Sturm keine radikale Veränderung der Anlagestrategie durchführen sollte, wenn man dies nicht aus wichtigen Gründen tun muss. Wir diskutieren mit den Kunden individuell, wo jetzt nachjustiert werden sollte.“

Dass sich der Markt für Wealth Management im Umbruch befindet, spürt man bei Berenberg. „Zu uns kommen gerade jetzt viele Neukunden, die an anderer Stelle unzufrieden sind, die verunsichert sind und sich nicht gut aufgehoben fühlen. Das mag auch an Veränderungen bei einigen Banken liegen, beispielsweise im Wealth Management bei Mitbewerbern“, sagt Naeve. Diese Kunden würden Alternativen suchen, und das führe dazu, dass Berenberg aktuell deutlich mehr Neukundentermine habe. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl um einen zweistelligen Prozentsatz gestiegen. „Allerdings wird aus einem Termin nicht gleich eine Kundenbeziehung. Bei einem erfolgreichen Abschluss fangen wir meist mit Teilbeträgen des Gesamtvermögens an, damit der Kunde prüfen kann, ob er mit unserer Dienstleistung zufrieden ist“, sagt Naeve. Ein solches Herantasten sei in dem Geschäft üblich. „Bezogen auf unsere Anlagephilosophie haben wir festgestellt, dass wir Kunden von unserem Ansatz besonders gut überzeugen können, wenn diese unternehmerisch und langfristig denken. Mehr als die Hälfte unserer Kunden haben einen unternehmerischen Hintergrund.“ Dort liegt generell das Kundenpotenzial, auf das die Wealth-Manager schielen. Auch andere Häuser wie etwa die Commerzbank haben den unternehmerischen Kunden in Blick.

Während das schwierige Jahr 2022 eher mit Verunsicherung und Druck auf das Vermögen zu Ende geht, so war der Markt für Asset & Wealth Management über viele Jahre hinweg von positiven Marktentwicklungen und zunehmenden Vermögenswerten geprägt. Jetzt kommen ESG-Kriterien als Wachstumsmotor hinzu. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Asset and Wealth Management Revolution 2022“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland. Nachhaltigkeit werde auch im Asset & Wealth Management zum „beherrschenden Imperativ“ schreibt PwC.

Für Berenberg ist Nachhaltigkeit bereits seit langem ein Thema. „Die Kunden im Wealth Management sind grundsätzlich interessiert, nachhaltig zu investieren. Zugleich wollen sie sich aber nicht über die Maßen in ihren Anlagemöglichkeiten einschränken“, sagt Naeve. Hier liege die Herausforderung, die richtige Lösung zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu finden. „Auffällig ist, dass Nachhaltigkeit besonders bei jenen Familienvermögen ein sehr großes Thema ist, bei denen mehrere Generationen in die Vermögensanlage involviert sind“, beschreibt Naeve die generationenübergreifende Diskussion, mit der das Bankhaus konfrontiert ist.

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