SCHATTENBANKEN AUSGELEUCHTET (3)

"Kraut und Rüben in einem Topf"

BVI-Geschäftsführer Richter erklärt im Interview, warum europäische Geldmarktfonds keine Schattenbanken und ihre Risiken limitiert sind

"Kraut und Rüben in einem Topf"

– Herr Richter, Geldmarktfonds gelten dem Finanzstabilitätsrat und anderen Aufsehern zufolge als Schattenbanken, die auch endlich reguliert werden sollen. Zunächst: Welche Gründe können Sie nachvollziehen, dass insbesondere bei den US-Geldmarktfonds von systemischen Risiken die Rede ist?Zum einen die Größe dieser Fonds. Die US-Geldmarktfonds bewegen sich in einer Größenordnung von insgesamt rund 2,6 Bill. Dollar. Die Konzentration in der Branche ist hoch. Einzelne Fondsgesellschaften verwalten über 100 Mrd. Dollar Fondsvermögen. Zum anderen die Konstruktion der amerikanischen Produkte: Sie habe einen Constant Net Asset Value (CNAV), also einen fixen Anteilswert, normalerweise von 1 Dollar. Dieser Dollar muss immer gehalten werden, sonst wird der Fonds abgewickelt.- Inwieweit treffen denn die Kriterien des Finanzstabilitätsrats für Schattenbanken auf die US-Geldmarktfonds zu, nämlich Fristen- oder Liquiditätstransformation, Übernahme von Kreditrisiken oder Leverage?Die Fristen- und Liquiditätstransformation ist eher gering. In den Portfolien sind sehr kurzlaufende Geldmarktinstrumente, dreimonatige Commercial Papers von Unternehmen beispielsweise. Allerdings können Käufer in den USA von ihrem Fondsdepot wie von einem Bankkonto Geld abheben oder darauf eine Kreditkarte erhalten. Damit ist es ein einlagen- und garantieähnliches Produkt. Nun gab es in der Finanzkrise 2008 eine Flucht der Anleger aus einem sehr großen Fonds, der in Lehman-Papiere investiert hatte. Die anderen Fonds sahen die Gefahr eines Runs ihrer Anleger. Um nicht illiquide zu werden, hielten viele Fonds fast nur noch Kasse. Die Fonds konnten daher nicht mehr in die Unternehmenspapiere investieren, wodurch eine Finanzierungsklemme drohte, zum Beispiel in der Autobranche. Die Regierung und die US-Notenbank Fed konnten die Refinanzierung der Wirtschaft durch die Geldmarktfonds nur mit einer Rückgabegarantie für die Fonds sicherstellen, die die Anleger beruhigte. Man kann hierin systemische Risiken sehen. Mit dem Begriff Schattenbank tue ich mich schon schwerer.- Warum widersprechen Sie den Aufsehern in der Einschätzung, dass europäische oder deutsche Produkte ähnlich gefährlich sind?Weil sie anders funktionieren. Bei deutschen Geldmarktfonds gibt es keinen CNAV und keinen quasigarantierten Preis. Bei unseren Produkten ist der NAV variabel. Das heißt, sie haben bei bonitäts- oder marktpreisbedingten Kursschwankungen ihrer Investments einen fallenden oder steigenden Anteilspreis als Korrektiv. Der Anleger sieht den wechselnden Preis und trägt die Chancen und Risiken der Anlage. Eine “Verwechslung” mit einem Bankkonto gibt es nicht. Wegen dieser völlig unterschiedlichen Funktionsweise der US-Fonds und der vielen europäischen Produkte mit variablem NAV gehören Letztere einfach nicht in die Schattenbankendiskussion. Das Volumen der Geldmarktfonds in Deutschland beträgt zwar nur noch 13 Mrd. Euro, aber die Bezeichnung als Schattenbank ist wegen ihrer strengen Regulierung falsch und ein Ärgernis.- Weil das für die Fondsgesellschaften imageschädlich ist?Vor allem für das Produkt. Aber Schatten trifft für die europäischen Fonds auch gar nicht zu, weil sie sehr streng reguliert sind durch die EU-Richtlinie für Kleinanlegerfonds (OGAW) und die Klassifizierungsstandards der Wertpapieraufsicht ESMA für Geldmarktfonds. Mehr Licht geht nicht. Es gibt keinen detaillierter regulierten Fonds als den Geldmarktfonds.- Das war aber nicht immer so, sondern geschah als Konsequenz aus dem Desaster mit den US-Fonds.Das ist richtig. Durch die dortigen Liquiditätsprobleme, die es in geringerem Maße auch in Europa gab, hat die CESR, die jetzige ESMA, zusammen mit der Investmentbranche neue Standards für Geldmarktfonds aufgesetzt. Dieser Prozess hat zwei Jahre gedauert. Durch die neue Klassifizierung mussten zum Beispiel in Deutschland zwei Drittel der Geldmarktfonds in Rentenfonds umkategorisiert werden, weil sie nicht die strengeren Liquiditätsanforderungen erfüllten. Geldmarktfonds sind nunmehr Produkte mit kurzer Laufzeit und sicherer als je zuvor. Das ist alles extrem transparent und sehr scharf reguliert – also überhaupt nicht schattig, im Gegenteil.- Das heißt, Liquiditätsrisiken als ein Kriterium für eine Schattenbank würden Sie für ein europäisches Produkt verneinen?Jedenfalls für Geldmarktfonds. Durch die ESMA-Reformen sind die Liquiditätsrisiken massiv reduziert worden. Aber da zeigt sich doch das ganze Problem der Schattenbankendiskussion: Es wird eine allgemeine, zu breite Definition angestellt und anschließend alles Mögliche darunter subsumiert, auch wenn es vom Regulierungszweck her gar nicht darunter passt. Regulierungszweck ist zu verhindern, dass Bankgeschäfte in Nichtbanken ohne Eigenkapital ausgelagert werden und damit die Eigenkapitalanforderungen an Banken unterlaufen werden. Was hat das mit Geldmarktfonds zu tun? Kein Mensch kommt auf die Idee, einen Geldmarktfonds aufzulegen, wenn er Bankgeschäfte ohne Eigenkapital tätigen möchte.- Was ist mit den Kreditrisiken?Die gibt es natürlich, wenn auch durch die hohen Bonitätsanforderungen, die Geldmarktfonds erfüllen müssen, nur in sehr geringem Umfang. Aber wer Kreditrisiken eingeht, ist doch noch lange keine Schattenbank. Dann dürfte ja niemand mehr einige der europäischen Staatsanleihen kaufen. Ich glaube kaum, dass das das Ziel der Schattenbankenregulierung ist.- Aber geht es bei der Diskussion um Schattenbanken nicht auch um die Vernetzung zwischen diesem Bereich und dem regulierten Finanzsektor? Die Bedeutung von Geldmarktfonds war nicht zuletzt auch in der Bankenrefinanzierung zu sehen. Geht es nicht um Vernetzung und Abhängigkeiten untereinander, die so undurchsichtig sind und die man besser unter Kontrolle bekommen müsste?Ich sage ja nichts gegen die Regulierung von Schattenbanken. Ich sage nur, Geldmarktfonds sind keine Schattenbanken und gehören nicht zum unregulierten Finanzsektor. Deshalb haben sie in der Schattenbankendiskussion nichts verloren. Die Frage der Vernetzung der Finanzwirtschaft ist ein Thema, das Geldmarktfonds eher weniger betrifft. Sie sind nicht gehebelt. Sie haben eine hohe Transparenz in der Anlagepolitik. Sie haben Investoren, die ihr Kapital verlieren können, Punkt. Wenn die Banken ein Refinanzierungsproblem haben, ist das in der Bankenregulierung zu beantworten, beispielsweise durch Vorgaben für den Mix von Einlagen und Interbankenfinanzierung. Das ist keine Frage per se für Geldmarktfonds.- Dann stellt sich allerdings die Frage, wer sind die Investoren dahinter, welche Risiken verbergen sich dadurch?Das sind zigtausende von Investoren, Kleinanleger wie Institutionelle, Versicherungen, Banken, Unternehmen und so weiter. Diese suchen eine täglich liquide, sichere und rentable Geldmarktanlage. Geldmarktfonds sind nicht einfach eine Refinanzierungsquelle für Banken ohne ausreichende Einlagenbasis. Bei allem Verständnis für Diskussionen über zu starke Interdependenzen innerhalb der Finanzbranche – die Geldmarktfonds spielen dabei doch eine Nebenrolle.- Sie verneinen also grundsätzlich systemische Risiken durch die europäischen oder deutschen Geldmarktfonds? Wir haben ja durch die Lehman-Pleite und die Staatsschuldenkrise gesehen, dass man auch mit dem Unvorstellbaren rechnen muss.Systemische Risiken und Schattenbanken sind nicht deckungsgleich. Abgesehen davon haben wir in Deutschland nur noch 13 Mrd. Euro in den Produkten. Andere europäische Länder haben mehr, insbesondere Frankreich mit über 370 Mrd. Euro. In Europa gibt es keinen einheitlichen Geldmarkt wie in den USA. Für Europa insgesamt kommt man zwar auf 1,1 Bill. Euro in Geldmarktfonds, aber dieses Geld wird sich in über 20 Ländern nicht so homogen verhalten, wie es in den USA der Fall ist.- Schauen wir jetzt nach vorne, was die Geldmarktfonds dennoch wohl an verschärfter Regulierung zu erwarten haben. Im Herbst will die internationale Wertpapieraufsicht Iosco Empfehlungen diesbezüglich vorlegen. Was erwarten Sie?Wir gehen davon aus, dass die Iosco zwischen Fonds mit fixem und variablem NAV differenziert. Vielleicht empfiehlt sie auch eine allgemeine Umstellung auf den variablen Ansatz.- Zudem soll es schärfere Transparenz- und Liquiditätsanforderungen geben. Was würde dies für die deutschen und europäischen Fonds bedeuten, und könnte die Branche damit leben?Es ist schon so viel im Hinblick auf Transparenz und Liquidität durch die ESMA-Reformen gemacht worden. Da muss man schon lange überlegen, was sich da überhaupt noch verschärfen lässt. Wir unterstützen beispielsweise einheitliche Regeln für die Mindestliquidität von Geldmarktfonds. Aber von mir aus reden wir weiter darüber. Doch bitte nicht im Rahmen der Schattenbankendebatte, da gehören die Geldmarktfonds nicht rein. Der Finanzstabilitätsrat hat einen Stein ins Wasser geworfen und die Wellen ziehen jetzt immer breitere Kreise. Es begann mit US-Geldmarktfonds. Dann waren es plötzlich alle Geldmarktfonds. Im Grünbuch der EU-Kommission sind es schon Credit-InvestmentFonds allgemein inklusive ETF. Wo hört das bitte auf?- Da ist die Diskussion doch schon zu weit fortgeschritten. Die Geldmarktfonds sind auf jeden Fall drin in den geplanten Schattenbankenreformen, die Iosco-Empfehlungen sind doch nur ein erster Schritt.Die Frage ist, welche Geldmarktfonds und was geregelt werden soll. Uns geht es darum, diese Diskussion an der richtigen Stelle zu führen. Es können doch für Geldmarktfonds nicht die gleichen Regeln gelten wie für Zweckgesellschaften. Die Transparenz ist nicht vergleichbar, und die diskutierten Eigenkapitalanforderungen sind für Zweckgesellschaften (SPV) sicher ein wirksames Instrument, greifen aber bei Geldmarktfonds ins Leere.- Sie sagten bereits, Eigenkapitalanforderungen wären das Ende der Geldmarktfonds. Ist das nicht übertrieben?Wesensmerkmal eines Investmentfonds ist es, dass die Assets gesondert verwaltet und verwahrt werden, als Sondervermögen, und eben nicht auf der Bilanz des Managers geführt werden. Das ist das Besondere an unserem Geschäftsmodell: die Trennung zwischen der Bilanz des Vermögensverwalters und den Vermögenswerten der Anleger. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern weltweit verwalten Asset Manager das Kapital ihrer Anleger nach dem Treuhandprinzip. Daher braucht der Asset Manager nur wenig Eigenkapital. Das ist der Unterschied zu einer Bank oder Versicherung. Der Ansatz der Schattenbankendiskussion war, dass man die Auslagerung von Bankgeschäften an Nichtbanken ohne Eigenkapital verhindern will. Mit SPV haben einige Akteure die Eigenkapitalanforderungen für Banken umgangen. Das soll verhindert werden. Und das ist gut so. Aber da gibt es keine Parallele zu regulierten Fonds.- Wie kann man die Dynamik der Schattenbankendebatte im Hinblick auf die Fonds denn noch stoppen?Wir als deutsche und europäische Branche dürfen nicht nachlassen, die Europäische Kommission und die internationalen Aufseher über die unterschiedlichen Funktionsweisen von regulierten Fonds im Vergleich zu den Schattenbanken aufzuklären. Die angedachten Instrumente zur Regulierung von Schattenbanken eignen sich nicht für Geldmarktfonds. Man darf nicht Kraut und Rüben in einem Topf zusammenwerfen.—-Das Interview führte Silke Stoltenberg. Zuletzt erschienen:- “Es gibt nichts umzusetzen” – Interview mit ICFR-Ökonom Richard Reid (13.7.)