REGULIERUNG VON SCHATTENBANKEN - GASTBEITRAG

Kritik an Regulierungsplänen von Geldmarktfonds

Börsen-Zeitung, 9.1.2014 Geldmarktfonds sind für professionelle Marktteilnehmer so etwas wie ein Lebenselixier. Rund 1 000 Mrd. Euro sind derzeit in Geldmarktfonds investiert. Die Investoren sind Corporate Treasurer, Sovereign Wealth Funds,...

Kritik an Regulierungsplänen von Geldmarktfonds

Geldmarktfonds sind für professionelle Marktteilnehmer so etwas wie ein Lebenselixier. Rund 1 000 Mrd. Euro sind derzeit in Geldmarktfonds investiert. Die Investoren sind Corporate Treasurer, Sovereign Wealth Funds, Versicherungen und andere institutionelle Kapitalanleger, die ihre kurzfristigen liquiden Mittel flexibel und gleichzeitig sicher angelegt wissen wollen. Dabei haben Investoren eine klare Prioritätenabfolge im Hinblick auf ihre Anlageentscheidung. An erster Stelle steht der Kapitalerhalt des investierten Geldes, an zweiter Stelle kommt die Liquidität – die Mittel müssen jederzeit wieder zur Verfügung stehen – und erst an dritter Position steht eine adäquate Rendite. Verwerfungen im SystemZu Recht hat die Aufsicht auf diesen wichtigen Markt ein Auge geworfen. Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass Störungen im Bereich der Geldmarktfonds zu größeren Verwerfungen im Finanzsystem führen können. Was war passiert? Im Zuge des turbulenten Jahres 2008 waren in den USA eine Reihe von Geldmarktfonds von der Krise um die in die Insolvenz gegangene Investmentbank Lehman betroffen.In dem ältesten Geldmarktfonds der USA, dem Reserve Primary Fund, befanden sich Forderungen gegen Lehman Brothers. Als diese ausfielen, wurde eine Neubewertung der Assets erforderlich. Die Neubewertung fiel niedriger aus und es kam zu einer Situation, die als “Breaking the Buck” bezeichnet wird. Infolge des gesunkenen Nettoinventarwerts und der daraus resultierenden gestiegenen Anteilsrückgaben wurden die Assets in diesem Geldmarktfonds eingefroren und der Fonds wurde abgewickelt. Anleger kamen so vorübergehend nicht an ihr Geld. Es gibt bereits klare RegelnTrotz einer Rückzahlungsquote im Fall des Reserve Primary Fund von über 99 % reagierte die europäische Aufsicht umgehend und veröffentlichte im Mai 2010 über das Committee of European Securities Regulators (CESR) neue Richtlinien. Mit den “CESR’s Guidelines on a Common Definition of European Money Market Funds” wurden klare Regeln erlassen, wie Geldmarktfonds definiert werden, in welche Assets sie grundsätzlich investieren dürfen und welche Anforderungen ebendiese Assets im Hinblick auf Kreditqualität, Risikodiversifikation und Laufzeiten einhalten müssen. Die Qualität der Produkte selbst, ebenso wie die der angewandten Risikomanagementtechniken im Hinblick auf Kredit- und Marktrisiken, wurde so auf ein noch mal höheres Niveau gehoben.Die unter dem Namen Money Market Fund Guidelines bekannte Richtlinie lässt bei der Auflage von Geldmarktfonds zwei unterschiedliche Fondstypen zu. Bei dem einen weist der Geldmarktfonds einen konstanten Anteilspreis aus, wobei generierte Erträge akkumuliert und monatlich ausgeschüttet werden. Angelehnt an diesen Tatbestand des “konstanten Anteilspreises/Nettoinventarwertes” – auf Englisch “Constant Net Asset Value” – werden diese Fonds kurz als CNAV-Fonds bezeichnet. Rund die Hälfte der auf dem europäischen Markt befindlichen Geldmarktfonds arbeitet nach dieser Methode. Die andere Hälfte der Geldmarktfonds verwendet einen “variablen Nettoinventarwert”, abgekürzt VNAV. Bei beiden Fondstypen sind die zugrunde liegenden Assets die gleichen. Es handelt sich lediglich um unterschiedliche Fondskonzepte bei identischem Risikoprofil.Zusätzlich zu den Vorgaben, die die Richtlinie gibt, haben weitere freiwillige Maßnahmen von Verbänden wie der IMMFA (Institutional Money Market Funds Association) die Sicherheit erhöht. Dennoch hat die Europäische Kommission am 4. September 2013 neue Vorschläge zur Regulierung von Geldmarktfonds vorgelegt, die unseres Erachtens über die gesetzten Ziele hinausgehen und bei Implementierung für Störungen nicht nur dieses Marktes sorgen könnten.Die Europäische Kommission vertritt in ihrem “Proposal for a European Framework for Money Market Funds” die Auffassung, dass es sich bei Geldmarktfonds um eine Art Schattenbanken handele, da diese Fonds einerseits Liquiditäts- und/oder Fristentransformation betreiben und Gelder mit einlageähnlichen Merkmalen entgegennehmen. Damit, so die Logik, müsste auch eine neue Regelung erforderlich werden, die ähnliche Aspekte wie bei der Regelung von Banken berücksichtigt.Die Europäische Kommission hat drei Themenbereiche im Blick: Sie sieht erstens die Gefahr, dass bei Schwierigkeiten in einem Geldmarktfonds Investoren ihr Geld rasch auch aus anderen Geldmarktfonds abziehen, da befürchtet wird, dass eine spätere Rückgabe der Anteile mit Verlusten einhergehen könnte. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass solch eine Störung zu einer Situation der Illiquidität auf Investorenseite führen könnte. Und drittens, dass eine Störung im Markt für Geldmarktfonds eine Ansteckungsgefahr für andere Bereiche des Finanzmarktes bedeuten könnte, da diese Mittel dann nicht mehr zur kurzfristigen Finanzierung der Wirtschaft zur Verfügung stünden.Die Kommission schlägt fünf Ansätze vor, um diesen möglichen Gefahren zu begegnen: eine Ausweitung der Transparenz in den Produkten, Restriktionen bei der Rückgabe von Anteilen, Restriktionen auf Portfolioebene, Kapital- und Liquiditätspolster und gravierende Änderungen bei einem Teil des Marktes, nämlich den CNAV-Fonds. Sehr konservativAuch wenn einige der Ansätze der EU-Kommission nachvollziehbar sind, bleibt festzustellen, dass CNAV-Fonds als sehr konservativ bezeichnet werden können. Sie sind in der Ausgestaltung dem EU-Vorschlag in Teilen sogar voraus, da viele zusätzliche Maßnahmen bereits greifen, die durch den Verband IMMFA initiiert wurden. Dazu zählen zusätzliche Liquiditätspuffer, strengere Diversifikationsvorgaben, erweiterte Anforderungen an Stresstests, ein Verzicht auf den Einsatz von Derivaten sowie erhöhte Transparenz der Portfolien.Somit wirken hier drei Ebenen: CNAV-Fonds unterliegen bereits strengeren Regeln, als es die Regulatoren vorschreiben. Es gibt einen Code of Practice der IMMFA, der für zusätzliche Sicherheit sorgt. Zudem erfolgt eine neutrale Review durch Ratingagenturen.Auch wenn die vorgesehenen Vorschläge der EU-Kommission zu Transparenz und Limiten im Sinne der Schaffung einheitlicher Regeln für alle ESMA-regulierten Geldmarktfonds grundsätzlich zu begrüßen sind, gehen andere Regulierungsvorschläge unseres Erachtens zu weit. Die von der Europäischen Kommission unterbreiteten Vorschläge beruhen auf einer Arbeitshypothese, die davon ausgeht, dass CNAV-Fonds stressanfälliger sind als VNAV-Fonds. Dies ist unseres Erachtens nicht belegt. Institutionelle Investoren treffen Desinvestitionsentscheidungen unabhängig von der Tatsache, ob es sich um CNAV- oder VNAV-Produkte handelt.Ein wesentlicher Aspekt der geplanten Regelungen der Kommission für Geldmarktfonds ist die Vorgabe eines Kapitalpuffers für CNAV-Fonds von 3 %, obwohl diese Fonds wie oben dargelegt sehr konservative Investmentprodukte sind. Die Benachteiligung von CNAVFonds ist nicht nachvollziehbar und hätte erhebliche Konsequenzen. Refinanzierung bricht wegDerzeit sind rund 500 Mrd. Euro in CNAV-Produkten angelegt, hauptsächlich von institutionellen Anlegern. Hierfür wären über einen Zeitraum von drei Jahren verteilt 15 Mrd. Euro an Eigenkapitalunterlegung erforderlich. Würde das Eigenkapital von Banken aufgebracht, fehlten diese Mittel unter anderem auch als Eigenkapitalbasis für die Kreditvergabe an die Realwirtschaft. Zudem bekämen Corporate Treasurer eine wichtige Anlagemöglichkeit genommen und müssten ein umfangreiches internes Risikomanagement aufbauen. Da Geldmarktfonds außerdem zu den wichtigsten Käufern von verbrieften kurzfristigen Forderungen gehören, besteht die Gefahr, dass diese Möglichkeit der Refinanzierung für Großunternehmen sowie für den deutschen Mittelstand wegbrechen würde.Auch vor dem Hintergrund, dass die regulatorische Diskussion in den USA in eine ganz andere Richtung geht und Geldmarktfonds mit konstantem NAV dort weiter ein geschätztes Anlageinstrument sind, werden Investoren rasch reagieren. Regulierungsarbitrage oder – aus Sicht der Corporate Treasuries betrachtet – eine Verschiebung von Geldern außerhalb des europäischen Geldmarktes wären die wahrscheinliche Folge. All diese Überlegungen sollten in der weiteren Diskussion über die Vorschläge der Europäischen Kommission bedacht werden.—-Holger Naumann, Geschäftsführer, Deutsche Asset & Wealth Management Investment GmbH