Studie

Rückvergütungen bewähren sich

Gut 20% der von Brokern an Marketmaker im Rahmen des Payment for Orderflow weitergegebenen Trades werden besser ausgeführt als Xetra, so das Ergebnis einer Studie zu den granularen Handelsdaten. Das stützt die Argumentation, dass die Kunden vom Orderflow profitieren.

Rückvergütungen bewähren sich

Von Björn Godenrath, Frankfurt

In der sich zuspitzenden regulatorischen Diskussion um die Zulässigkeit des auch von Neobrokern eingesetzten Geschäftsmodells des Payment for Orderflow (PFOF) hat eine Studie der Danish Finance Institute und der WHU Otto Beisheim School of Management nun für Klarheit bei dem Aspekt der Kosten gesorgt. Anhand von ausgewählten Transaktionen einer zufälligen Kundenstichprobe von Trade Republic, die die Studie auch beauftragt hat, zeigt sich, dass die impliziten Kosten der Handelausführung im Schnitt deutlich besser sind als über Xetra. Dank engerer Spreads entstehe ein Preisvorteil von 0,52 Euro je 1000 Euro Handelsvolumen, heißt es. Dabei waren die Autoren der Studie so vorgegangen, dass sie den Ausführungspreis bei L&S Exchange mit dem Xetra-Orderbuch direkt vor der Ausführung verglichen und so das Delta feststellten.

Eindeutige Kostenanalyse

In der Studie mit dem Titel „Private investors and the emergence of neo-brokers: Does payment for order flow harm private investors?“ wurden außerdem die expliziten Kosten verglichen, die von Neobrokern und traditionellen Brokern dem Kunden in Rechnung gestellt werden. Selten aktive Anleger würden bei den alten Online-Brokern in der Regel Gebühren von 1,5% bis 3,5% des Ordervolumens bezahlen, hochaktive Anleger mit größeren Volumina 0,5% bis 1,0%. Bei Trade Republic lägen die expliziten Kosten bei 0,25% für selten tätige Anleger und 0,08% für hochaktive Trader. Anhand dieser Kostenanalyse erklären die Studienautoren, dass Payment for Orderflow dem Privatanleger nicht schade, sondern diesem im Gegenteil einen Nutzen stifte.

Die Kostenanalyse sollte zu einer sachlichen Betrachtung der Rückvergütungen führen, wie sie von Marketmakern wie L&S Exchange an Broker und Neobroker gezahlt werden, die ihre Orders zur Handelsausführung an diese Spezialisten routen. Denn die EU-Wertpapieraufsicht ESMA hatte im Juli erklärt, dass die Praxis der Rückvergütungen inhärente Interessenskonflikte berge, die nicht mit den sich aus Mifid II ergebenden Verbraucherschutzvorschriften vereinbar seien. In einer seltenen Form des Präjudiz erklärte die ESMA, diese Kompatibilität mit Mifid II sei „in den meisten Fällen unwahrscheinlich.“ Seitdem laufen die Untersuchungen der nationalen Aufseher, die vom eigentlichen PFOF-Verbot absehen, sofern sich ein Vorteil für den Kunden beweisen lässt.

In der Praxis sieht es so aus, dass die Marketmaker einen Teil der Marge, die aus dem Spread von Geld- und Briefkurs entsteht, an den Broker weiterreichen, womit der in der Regel vertraglich festgelegte Payment for Orderflow entsteht. Für die Handelsausführung selbst ist (in Deutschland) mit Xetra als Referenz stets „Best Execution“ in der Handelsausführung vorgeschrieben. Während die klassischen Broker den Großteil ihrer Einnahmen aus den Handelsgebühren bestreiten, entsteht das Gros der Einnahmen eines Neobrokers aus den Rückvergütungen sowie, im Fall von Trade Republic, ergänzt durch die pauschale Gebühr von 1 Euro je Trade.

Herangezogen für die Untersuchung wurden die Handelsdaten von 100000 Trade-Republic-Kunden, die ihr Depot vor Juli 2020 eingerichtet hatten. Untersucht wurde dann der Zeitraum bis Mitte Juli 2021. Sichtbar für die Forscher waren die ISIN eines Wertpapiers, der Zeitstempel einer Transaktion bis zur Millisekunde, die Anzahl der gehandelten Aktien, der Ausführungspreis und das Xetra-Orderbuch zum Zeitpunkt der Handelsausführung. Nur Aktien- und ETF-Käufe wurden untersucht. Gehandelt wurden im Sample 1921 unterschiedliche Wertpapiere, davon das Gros Aktien mit 1136 Stück. Insgesamt wurden vom Sample 2,21 Millionen Trades getätigt mit einem durchschnittlichen Wert von 1433 Euro, was das kumulierte Handelsvolumen auf 2,2 Mrd. Euro stellt. Davon ausgehend, dass die Stichprobe repräsentativ ist und für rund 10% der Kundenzahl steht, schätzen die Forscher das Handelsvolumen von Trade Republic im Zeitraum Mitte 2020 bis Mitte 2021 auf rund 22 Mrd. Euro – was 0,8% des Xetra-Volumens ausmachen würde. Die Forscher gehen davon aus, dass die Xetra-Preise durch das Neobroker-Modell nicht signifikant beeinflusst werden können und schlagen vor, das noch mal separat zu untersuchen.

Die durchschnittliche Spread-Verbesserung beträgt den Daten zufolge 42,9%, was für die Stichprobe einen „Total Benefit“ von 1,78 Mill. Euro ausmacht im simulierten Xetra-Vergleich. Granular betrachtet waren 21,1% der Orders besser ausgeführt als Xetra, 78,1% genauso gut und nur 0,9% schlechter als Xetra.

Kursstellung kompetitiv

Rückvergütungen sind in allen europäischen Ländern üblich, außer in den Niederlanden. Länder wie Italien und die Niederlande lobbyieren nach Informationen der Börsen-Zeitung heftig für die Abschaffung von PFOF. In Deutschland scheint die Sachlage aber so zu sein, dass sich der Netto-Nutzen von PFOF gut belegen lässt. Die Bayerische Börse als Betreiber des Handelsplatzes Gettex hatte kürzlich erklärt, allein der Wettbewerb unter den Marketmakern sorge dafür, dass man den Orderflow an andere Anbieter verlieren würde, stellte man überhöhte Preise. Gettex und L&S Exchange sind regulierte Handelsplätze, die für sich reklamieren, dass hierzulande auch Wettbewerb herrsche, wenn der Hauptmarkt geschlossen sei. Außerdem könne nicht von verdeckten Provisionszahlungen die Rede sein, so der Vorstand der Bayerischen Börse, Andreas Schmidt, im Oktober gegenüber der Börsen-Zeitung. Neobroker führten in der Regel direkt auf ihrer Website auf, wie viel Geld der Broker vom Marketmaker pro Orderausführung erhalte. Dies sei transparenter als bei manch anderen angebotenen Finanzprodukten.

Der Umgang mit Payment for Orderflow ist auch Gegenstand der Konsultation zur europäischen Retail-Investor-Strategie. Diese zielt auf eine Erhöhung der Privatanlegerquote sowie auf Maßnahmen zum Verbraucherschutz. EU-Kommissarin Mairead McGuiness wird bis Ende November über die Retail-Investor-Strategie informieren. Anfang November hatte sie vorgeschlagen, mit dem sogenannten „Consolidated Tape“ einen einheitlichen Blick auf europäische Handelsdaten zu schaffen, um auf der Basis die Einhaltung von Best Execution zu beurteilen. Ein Gesetzesvorschlag könne im Rahmen der Review der Mifir 2 erfolgen, heißt es.

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