Shareholder Activism und seine Folgen

Aggressiven aktivistischen Investoren entschieden entgegentreten

Shareholder Activism und seine Folgen

Dr. Hans-Ulrich WilsingLeiter der Corporate-Praxis bei Linklaters DeutschlandWährend vor allem in den USA und England seit mehreren Jahren sogenannte aktivistische Aktionäre zunehmend Einfluss auf die Geschäftsführung börsennotierter Unternehmen gewinnen, ist diese Erscheinung in Deutschland deutlich jünger. Sie stößt hier bei Vorständen und Aufsichtsräten überwiegend noch auf wenig Gegenliebe. Natürlich betont jeder Vorstand die Bedeutung des Dialogs mit institutionellen Investoren; mit aktivistischen Aktionären tun sich die Organe deutscher Gesellschaften jedoch bislang fast durchweg schwer. Woran liegt das? Liegt es daran, dass die aktivistischen Aktionäre fast ausnahmslos ausländische Fonds sind, deren Corporate-Governance-Verständnis vor allen Dingen von der monistischen Unternehmensverfassung geprägt ist? Kommt es wegen unserer in Vorstand und Aufsichtsrat unterteilten, dualistischen Unternehmensverfassung zu Verständnisschwierigkeiten? Das mag in den ersten Jahren so gewesen sein, etwa im Fall Deutsche Börse/TCI; mittlerweile werden aktivistische Fonds jedoch überwiegend von deutschen Anwälten rechtlich beraten und in Deutschland durch deutsche Fondsmanager vertreten. Selbst angelsächsische Fondsmanager haben in den letzten Jahren die Unterschiede zwischen dem monistischen und dem dualistischen System verstanden. Die Hauptschwierigkeit dürften Manager hierzulande damit haben, dass der aktivistische Aktionär sich unmittelbar – mehr oder weniger öffentlich – in die Geschäftsführung des Unternehmens einmischt. So forderten solche Aktionäre zuletzt bei der Schweizer ABB die Trennung von bestimmten Unternehmensteilen. Das ist ein deutscher – eigenverantwortlich leitungsbefugter und weisungsfreier – Vorstand (noch) nicht gewohnt. Solche Themen werden bislang allenfalls mit dem Aufsichtsrat diskutiert, möglicherweise auch oberflächlich in der Generaldebatte der jährlichen ordentlichen Hauptversammlung. Der Vorstand sieht sich in der Auseinandersetzung mit aktivistischen Aktionären nun aber teilweise einer geschickt und professionell inszenierten öffentlichen Debatte über konkrete Geschäftsführungsentscheidungen ausgesetzt.In diesem Zusammenhang spielt eine Rolle, dass sich die Haltung in der deutschen Wirtschaftspresse zu diesem Thema im Laufe der letzten Jahre deutlich gewandelt hat. Dies spielt den aktivistischen Aktionären in die Hand: Während noch vor rund zehn Jahren aktivistische Aktionäre in der deutschen Presse überwiegend als Renegaten dargestellt wurden, beäugt die aktuelle Presse ihre Tätigkeit zwar immer noch leicht misstrauisch. Sie applaudiert aber zunehmend den Forderungen nach der Trennung von bestimmten Unternehmensteilen oder der personellen Umbesetzung von Unternehmensgremien. So zuletzt gut am Beispiel Stada AG abzulesen, in der Presse war u. a. vom “Aufbrechen von Verkrustungen” zu lesen. Verständliche Schwierigkeiten haben deutsche Unternehmenslenker in der Auseinandersetzung mit aktivistischen Aktionären außerdem mit dem Umstand, dass deren aggressive Vertreter zunehmend und gezielt die Organhaftung und deren Vorfeldaufklärungsinstrumente wie die Sonderprüfung nutzen. So wird mit persönlichem Druck auf die Unternehmensorgane eine Situation erzeugt, in der die Verwaltung oder die übrigen Großaktionäre den Forderungen der aktivistischen Aktionäre leichter nachgeben. Ist denn aber etwas daran auszusetzen, dass aktivistische Aktionäre sich aktiv, professionell und oft auch unter Rückgriff auf die den Aktionären im deutschen Aktienrecht zur Verfügung stehenden Instrumente in die Geschäftsführung einmischen? Grundsätzlich und rein juristisch gesehen wohl nicht. Es ist das gute Recht eines Aktionärs, als Teilhaber auch mit den verfügbaren rechtlichen Mitteln und im Rahmen der ihn bindenden Treuepflicht zu versuchen, seine Forderungen durchzusetzen. Problematisch ist die Tatsache – und hieran krankt die öffentliche Diskussion über dieses Thema etwas -, dass es den aktivistischen Aktionär als feststehende Kategorie nicht gibt. Vielmehr umfasst dieser Begriff eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Typen. Aktivistische Aktionäre sind nicht nur die großen, international agierenden Fonds, die auf eine Repräsentation im Aufsichtsrat dringen und dort auch rechtliche Mitverantwortung übernehmen. Es sind auch die sehr aggressiv agierenden Investoren, bei denen man mit guten Gründen bezweifeln kann, ob ihre kurzfristigen Renditeziele sich mit dem von den Unternehmensorganen zu verfolgenden Unternehmensinteresse decken. Aktivistischer Aktionär ist schließlich auch der auf die Ausnutzung einer ganz bestimmten, kurzzeitigen Konstellation ausgerichtete Fonds. Dies war zuletzt etwa bei der Shortselling-Aktion von Muddy Waters bei Ströer gut zu beobachten. Alle drei Typen sind Aktionäre der börsennotierten Gesellschaft. Der Vorstand kann und darf sich “seine” Aktionäre grundsätzlich nicht aussuchen. Er muss sich aber im Rahmen ordnungsgemäßer Geschäftsführung auf das Auftreten aktivistischer Investoren vorbereiten. Es besteht dabei freilich ein wesentlicher Unterschied zwischen den verschiedenen Typen, die unter den unscharfen Begriff “aktivistischer Aktionär” fallen: Insbesondere größere Fonds, die z. B. über die Repräsentanz im Aufsichtsrat unternehmerische Mitverantwortung übernehmen, spüren sehr schnell, dass es im Aufsichtsrat für ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied tatsächliche und rechtliche Grenzen bei der Durchsetzung persönlicher Zielsetzungen gibt. Diesen Aktionären geht es meist um inhaltliche Themen. Sie lassen sich auf die rechtlichen Spielregeln zur Durchsetzung ihrer Interessen ein. Das ist ein insgesamt gesunder Vorgang. Der Typus aggressiv agierender aktivistischer Investor und der extreme Typus des Investors, der teilweise selbst beeinflusste, kurzfristige Sondersituationen gezielt ausnutzt, verhält sich fundamental anders. Auch er stellt zwar öffentlich unternehmerische Zielsetzungen in den Vordergrund und verweist zur Untermauerung seiner Forderungen auf bestehende oder angebliche Schwachpunkte in der Geschäftsführung oder Strategie des Unternehmens. Dahinter steht aber nicht die inhaltliche Zielsetzung, diese Schwachpunkte tatsächlich zu beseitigen oder den Unternehmenserfolg mittel- und langfristig in seinem Sinne zu fördern. Vielmehr dienen diese Darlegungen als bloßes Vehikel für die Verfolgung sehr kurzfristiger Zielsetzungen, die mit einer langfristigen Stärkung des Unternehmens wenig zu tun haben.Auch die zuletzt genannten Investorentypen sind Ausprägungen des Kapitalmarkts und die Verwaltung eines börsennotierten Unternehmens kann sie nicht grundsätzlich verhindern. Im Sinne der langfristigen Förderung des Unternehmensinteresses wird die Verwaltung solchen Investoren jedoch entschlossen entgegentreten müssen. Neben der laufenden, transparenten Kommunikation der Strategie und Situation des Unternehmens im Rahmen der Regelberichterstattung sowie im Dialog mit maßgeblichen Investoren kann es insoweit sinnvoll sein, unter Einbeziehung externer Berater mögliche Angriffspunkte zu identifizieren und darauf bezogene rechtliche Abwehrmaßnahmen sowie eine PR-Strategie zu entwickeln. Nur so kann im Fall einer aus Sicht der betroffenen Gesellschaft schädlichen Attacke zeitnah und zielgenau reagiert und ein möglicher Schaden für die Gesellschaft verhindert oder zumindest eingegrenzt werden. Soweit Investoren über die Hauptversammlung Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen versuchen, kann dem oftmals wirksam durch Maßnahmen zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz (sogenanntes Proxy Soliciting) begegnet werden. So lässt sich der Dialog mit den großen Stimmrechtsberatern, welche ihrerseits zahlreiche große, selbst aber nicht aktive Investoren beraten, aufnehmen und so können einzelne oder mehrere Ankeraktionäre gewonnen werden.