DIE BLOCKCHAIN-KOLUMNE

Über das Narrativ vom "wertlosen" Bitcoin

Börsen-Zeitung, 7.11.2020 In Gesprächen, die ich führe, flammt immer wieder das Narrativ vom "wertlosen" Bitcoin auf - Anlass genug, sich damit eingehender zu befassen. Vorneweg: Die Diskussion um den "fairen" oder "intrinsischen" Wert löst seit...

Über das Narrativ vom "wertlosen" Bitcoin

In Gesprächen, die ich führe, flammt immer wieder das Narrativ vom “wertlosen” Bitcoin auf – Anlass genug, sich damit eingehender zu befassen.Vorneweg: Die Diskussion um den “fairen” oder “intrinsischen” Wert löst seit langem Kopfschütteln bei mir aus. Schließlich ist Wert ja nichts Abstraktes, sondern etwas sehr Konkretes. Wenn ich etwas zu einem gewissen Zeitpunkt veräußern kann, dann hat es einen Wert. Wenn ich dies nicht kann, ist es zumindest zu diesem Zeitpunkt wertlos. Nehmen wir z. B. ein Haus. Wenn ich dieses Haus zu einem gewissen Zeitpunkt X verkaufen will, aber schlichtweg keinen Käufer – und zwar wirklich keinen – finde, dann ist der Verkaufswert des Hauses zu diesem Zeitpunkt null. Man spricht in diesem Falle dann auch gern von Marktwert und führt an, dass Marktwert und intrinsischer Wert beispielsweise aufgrund von Informationsasymmetrien durchaus voneinander abweichen können – wobei das Argument der Informationsasymmetrien in meinen Augen durchaus diskutabel ist und die Berechnungsmethoden des intrinsischen Wertes ohnehin anfällig für Fehler sind. Maximale FördermengeIn vielen Beiträgen zum Wert von Bitcoin wird der Vergleich mit Gold angeführt – völlig zu Recht. So ist Gold zweifelsohne rar. Der Abbau dieses seltenen Metalls verschlingt überdies Unsummen unterschiedlicher Ressourcen: Energie für den Einsatz und die Produktion von Maschinen, menschliche (Kinder-)Arbeitskraft, Chemikalien sowie substanzielle natürliche Ressourcen. Haben Sie schon einmal eine Landschaft gesehen, vor und nachdem die Goldminen angelegt und wieder verlassen wurden?Im Gegensatz zu Bitcoin ist bei Gold aber weder abschließend bekannt, wie viel des begehrten Edelmetalls auf der Erde (oder im Weltall) vorhanden ist und wie viel Gold zu welchem Preis aktuell gefördert wird oder schon wurde. Dies ist bei Bitcoin fundamental anders: 21 Millionen, dann ist Schluss. Die maximale Fördermenge pro Tag ist zumindest recht genau ausrechenbar, und es gibt absolut nichts und niemanden, der dies ändern könnte. Auch Bitcoin verbraucht Energie – sehr viel Energie. In Anbetracht der genannten Kollateralschäden beim Goldabbau halte ich es gleichwohl für vertretbar, Bitcoin als – vergleichsweise – umweltschonend zu beschreiben.Zurück zum “intrinsischen” Wert: Hier wird vielfach angeführt, dass Gold auch für den Einsatz beispielsweise in Maschinen oder Platinen benötigt werde und allein schon deshalb einen gewissen “Wert” besäße. Das mag stimmen, dennoch stelle ich die These auf, dass dieser Wert als Produktionsfaktor im Vergleich zu der Wertaufbewahrungs- sowie “Sammelfunktion” (in Form von Schmuck oder Münzen) vermutlich eher einen Bruchteil im Rahmen der Preisfindung ausmacht. Der Wert von Bitcoin ist realNeben dem rein spekulativen Element – das an dieser Stelle gar nicht in Abrede gestellt werden soll – liegt der Wert von Bitcoin auch in anderen Themen, deren sich der größte Teil der Menschheit aufgrund der mangelhaften “Usability” aktuell erst langsam gewahr wird. So war es mir persönlich beispielsweise kürzlich durch Nutzung der Bitcoin-Blockchain möglich, eine internationale Transaktion für eine Gebühr von 0,30 Dollar durchzuführen, die im traditionellen Banksystem zwischen 50 und 80 Dollar gekostet und 3 Tage gedauert hätte. Unsere Bitcoin-Transaktion settelte innerhalb von 80 Minuten. Das hat für mich vielleicht keinen intrinsischen, aber einen sehr realen Wert.Wenn Sie in Ländern mit stark abwertenden Fiatwährungen leben, und davon gibt es auf der Welt mehr, als wir denken, bietet Bitcoin trotz seiner Volatilität einen großen Mehrwert zur Sicherung des Vermögens. Und obgleich ich sicherlich nicht zu den im Bitcoin-Space überproportional häufig vertretenen Apokalyptikern zähle, betrachte ich die massive Geldmengenausweitung schon länger mit gewisser Sorge. Und das augenscheinlich nicht allein: Mittlerweile werden von uns bekannten Aktiengesellschaften Bitcoin im Gegenwert von mehr als 10 Mrd. Dollar (vermutlich als Hedge gegen Inflationsrisiken) gehalten. Das ist, verglichen mit dem Gesamtmarkt, gering, zeigt aber einen Trend auf. Denn die meisten größeren Bitcoin-Ankäufe fanden in der jüngeren Vergangenheit statt, da mittlerweile auch die institutionelle Infrastruktur bereitsteht.Stellen Sie sich die Preisbewegung vor, wenn sich 10 % der Unternehmen entscheiden, 1 % ihrer Assets in Bitcoin zu allokieren. Was ganz nebenbei schon seit einigen Jahren Sinn ergeben hätte. Denn berechnet man die Auswirkungen kleinerer Beimischungen digitaler Assets auf typische institutionelle Portfolios, verbessert sich die Sharp Ratio dieser Portfolios signifikant. Nicht (nur) die Performance – die Sharp Ratio! Auch das hat zunächst erst einmal nichts mit dem intrinsischen Wert zu tun. Aber auch an dieser Stelle ist der Wert “real”. Sven Hildebrandt ist CEO der Blockchain-Spezialberatung DLC Distributed Ledger Consulting. Seine DLT-Kolumne erscheint monatlich.