Cum-ex-Prozess

Verteidiger in Cum-ex-Prozess wollen hinschmeißen

Die beiden Pflichtverteidiger im Cum-ex-Prozess gegen Hanno Berger vor dem Landgericht Wiesbaden wollen ihre Mandate niederlegen. Sie sehen das Vertrauensverhältnis mit Berger unwiderruflich gestört.

Verteidiger in Cum-ex-Prozess wollen hinschmeißen

tl Wiesbaden

Großer Knall im Cum-ex-Prozess gegen Hanno Berger vor dem Landgericht Wiesbaden: Die beiden Pflichtverteidiger Sebastian Kaiser und Michael Simon wollen ihre Mandate niederlegen. Simon begründete dies gestern mit einem unwiderruflich gestörten Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Verteidigung. Vorausgegangen waren dem Antrag auf Entpflichtung Aussagen von Berger vor Gericht, das Verfahren sei nicht mehr fair, weil er von seinen (Beweis-)Anträgen keine Kopien machen (auch nicht über seine Anwälte) und keine Einschreiben verschicken könne. Berger beschwerte sich dann noch, „ein oder zwei“ Besuche der beiden Verteidiger bei ihm in der Justizvollzugsanstalt seien „nicht ausreichend“ – was die Anwälte wiederum als Beweis für das zerstörte Vertrauensverhältnis nahmen und in der Sache als falsch zurückwiesen.

Die Staatsanwaltschaft forderte das Gericht auf, den Entpflichtungsantrag zurückzuweisen, da dessen Gründe außerhalb des Verfahrens lägen. An den zahllosen Beweisanträgen der Pflichtverteidiger sehe man, dass es eine ordnungsgemäße Verteidigung gebe. Kleine persönliche Differenzen führten nicht zur Zerrüttung, so die Oberstaatsanwaltschaft Frankfurt in ihrer mündlichen Stellungnahme vor Gericht. „Wir sehen keine Zerrüttung.“

Beobachter geben den Entpflichtungsanträgen und dem ebenfalls gestellten Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung wenig Chancen. Denn sonst müssten neue Pflichtverteidiger bestellt werden, die sich erst in die äußerst komplizierte Steuermaterie einarbeiten müssten. Das würde wiederum eine mehrwöchige Unterbrechung des seit Juni 2022 laufenden Prozesses bedeuten (Az: 6 KLs-1111 Js 18753/21). Der letzte Prozesstag im Februar beginnt am heutigen Freitag um 9.30 Uhr. Die Entscheidung über die Entpflichtung der Pflichtverteidiger dürfte die Vorsitzende Richterin Kathleen Mittelsdorf gleich zu Beginn verkünden.

Der gestrige Prozesstag vor dem Landgericht Wiesbaden – ganz kurzfristig verlegt in das Justizzentrum an der Mainzer Straße – begann routinemäßig mit der Einvernahme einer weiteren Zeugin. Ruth B., 2006 und 2007 im Customer Service für institutionelle Depotkunden bei der Deutschen Bank in Eschborn tätig, berichtete von der Bitte einer Mitarbeiterin der Anwaltssozietät Dewey Ballantine in Frankfurt (bei der Berger damals leitend beschäftigt war), Steuerbescheinigungen für Aktientransaktionen zu erhalten, die der Interdealer Broker Icap für die HypoVereinsbank im Auftrag der Rafael Roth Financial Enterprises (RFE) durchgeführt hatte. Icap war Kunde der Deutschen Bank. Die Deutsche Bank lehnte das Ansinnen ab, da bei ihr keine Aktienbestände von Icap lagen. Außerdem habe die Bank 2006 keine Dividende an RFE gezahlt, da die Aktien vor dem Ex-Tag verkauft worden seien. Ob Leerverkäufe damals ein Thema waren, konnte die Zeugin nicht mehr sagen. Auch zu Änderungen durch das Jahressteuergesetz ab 1. Januar 2007 war ihr nichts mehr in Erinnerung.

In einem ersten Prozess zur Cum-ex-Materie vor dem Landgericht Bonn war Berger im Dezember 2022 wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden (Az. 62 KLs 2/20).

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