Bankenaufsicht

Alvarez & Marsal ordnet EBA-Stresstest-Ergebnisse ein

Die Finanzbranche hat die Ergebnisse des diesjährigen EBA-Stresstests sehr wohlwollend interpretiert. Eine neue Analyse der Unternehmensberatung Alvarez & Marsal ordnet die Ergebnisse ein – und zeigt, was auf Banken zukommen wird.

Alvarez & Marsal ordnet EBA-Stresstest-Ergebnisse ein

Auf Banken warten weitere Stresstests

Bankenberater Alvarez & Marsal ordnet Ergebnisse ein und formuliert Kritik am EBA-Stresstest

Von Philipp Habdank, Frankfurt

Die Bankenbranche und Aufsicht haben die Ergebnisse des diesjährigen EBA-Stresstests sehr wohlwollend interpretiert. Eine neue Analyse der Unternehmensberatung Alvarez & Marsal ordnet die Ergebnisse ein – und zeigt, was auf Banken zukommen wird.

Obwohl sie den zweithöchsten jemals ermittelten Kapitalschwund darstellen, sieht die Bankenbranche in den Ergebnissen des diesjährigen Stresstests der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) vor allem eins: den Beleg für ihre stärkere Widerstandskraft. In einem neuen Report stimmt Alvarez & Marsal dieser positiven Deutung grundsätzlich zu. Bei lediglich einer Bank würden in einem harten Stressszenario alle Kapitalpuffer aufgebraucht. 17 Banken würden sich mit niedrigen Puffern immer noch im gelben Bereich bewegen, und ganze 52 Häuser würden über ausreichend Puffer verfügen.

Mehr Kapitalflexibilität

Die sogenannte Kapitalflexibilität hat sich dem Bericht zufolge gegenüber dem vorherigen Test aus dem Jahr 2021 leicht von 466 auf zuletzt 488 Basispunkte verbessert. Gemessen wird dabei die Differenz zwischen der gestressten harten Kernkapitalquote der Banken und der regulatorischen Mindestanforderung von 5,5%. Der durchschnittliche Kernkapitalschwund (Core Equity Tier 1, CET1) lag dieses Mal bei 459 Basispunkten – und damit nur um 26 Punkte unter dem letztmaligen Rekordwert aus dem Jahr 2021.

Verglichen mit den USA und Großbritannien würde der Kapitalschwund europäischer Banken im Stressszenario deutlich stärker ausfallen. Die 459 Basispunkte in Europa sind fast doppelt so hoch wie die 250 Basispunkte der US-Häuser oder die 340 Basispunkte der Briten. Das mag angesichts des diesjährigen Bankenbebens in den USA auf den ersten Blick verwundern, erklärt sich aber wohl mit der Methodik des Stresstests: Die EBA stellt vor allem auf Kapitalquoten ab. Die Bankenkrise hingegen war vor allem eine Liquiditätskrise.

Banken dürfen mehr Gewinne ausschütten

Am stärksten negativ betroffen wären dem Report zufolge Banken mit den geringsten „Income Generation Capabilities“ – also den wenigsten zusätzlichen Ertragsquellen abseits des klassischen Bankgeschäfts. Zu diesen meist sehr reifen und damit wettbewerbsintensiven Märkten zählen allen voran Deutschland, Frankreich und Dänemark.

Trotz des zweithöchsten von der EBA je gemessenen Kapitalschwunds geht Alvarez & Marsal davon aus, dass die meisten Banken ihre Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe werden erhöhen können. Die Commerzbank bekräftigte vor wenigen Tagen, an ihren Ausschüttungsplänen von 50% des Jahresgewinns festzuhalten und ein größeres Aktienrückkaufprogramm starten zu wollen. Die Aufsicht muss diesem jedoch noch zustimmen. Die Deutsche Bank beschloss Aktienrückkäufe von bis zu 450 Mill. Euro.

Schlechte Nachrichten

Aber: Die Anzeichen verdichten sich, dass der durch die Zinswende begünstigte Profitabilitätsanstieg der Banken bereits seinen Höhepunkt erreicht haben dürfte. Die Finanzchefin der Commerzbank, Bettina Orlopp, wies bei der Präsentation der Halbjahreszahlen vergangene Woche darauf hin, dass sie in den kommenden Quartalen nicht mehr mit einem stark steigenden Zinsüberschuss rechne.

Stresstest nur Momentaufnahme

Weitere schlechte Nachrichten folgten: Die Ratingagentur Moody’s senkte diese Woche für eine Reihe von US-Banken die Bonitätsnoten und setzte weitere auf ihre Prüfliste. Die Begründung der Bonitätswächter: „Die Ergebnisse vieler Banken für das zweite Quartal zeigten einen zunehmenden Druck auf die Gewinne, was ihre Fähigkeit beeinträchtigen wird, internes Kapital zu generieren.“ Und die italienische Rechts-Regierung will ihren Banken eine Sonderabgabe auf deren Rekordgewinne aufdrücken, was in Finanzkreisen für Entsetzen sorgte.

Der EBA-Stresstest ist nur eine Momentaufnahme – ein Punkt, den A&M-Director Niklas Leibecke grundsätzlich kritisiert: „Zwischen dem Festlegen der Parameter und der Veröffentlichung der Testergebnisse gibt es immer eine zeitliche Verzögerung.“ Alles was dazwischen passiert – beispielsweise eine Liquiditätskrise in den USA und eine Notübernahme der Credit Suisse – könne im Stresstest nicht wirklich abgebildet werden. Außerdem: „Der EBA-Test stellt stark auf die Kapitalquoten in einem Stressszenario ab“, sagt Leibecke. US-Banken hatten im Frühjahr jedoch vor allem Liquiditätsthemen.

Zwischen dem Festlegen der Parameter und der Veröffentlichung der Testergebnisse gibt es immer eine zeitliche Verzögerung.

Niklas Leibecke, Alvarez & Marsal

Alvarez & Marsal rechnet deshalb damit, dass auf die Banken weitere Tests zukommen werden. Diese sollten jedoch kleiner, dafür fokussierter ausfallen. Zwei stehen für nächstes Jahr bereits fest: So plant die Europäische Bankenaufsicht einen Klima-Stresstest. Er soll prüfen, wie widerstandsfähig sich Banken zeigen, um auch unter Stress die Transformation in eine nachhaltige Wirtschaft unterstützen zu können. Die Europäische Zentralbank plant zudem einen Cyber-Stresstest, um die Integrität der für die Kernsysteme der Banken wichtigen Datenbanken zu checken und die im Falle von Verlusten greifenden Notfallpläne der Banken zu prüfen.

Berater erwartet Änderungen

Darüber hinaus rechnet Alvarez & Marsal mit weiteren regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Maßnahmen – insbesondere als Konsequenz des Bankenbebens im Frühjahr. Die Berater gehen davon aus, dass die Annahmen zum Einlagenabfluss im Rahmen der Mindestliquiditätskennziffer LCR überarbeitet werden. A&M rechnet zudem mit einer häufigeren LCR-Berichterstattung sowie künftig kombinierten Kapital- und Liquiditätsstresstests. Banken könnten zudem mehr Kapital für Zinsänderungsrisiken vorhalten müssen.

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