Wirtschaft rüttelt am Rechnungszins

Forderung nach Moratorium und neuer Bilanzierung

Wirtschaft rüttelt am Rechnungszins

ak Köln – Arbeitgeber und Versicherungsmathematiker warnen vor bilanziellem Sprengstoff in den HGB-Bilanzen der deutschen Wirtschaft. Der im Dauerzinstief kontinuierlich sinkende Rechnungszins für die Pensionsverpflichtungen führe dazu, dass auf die deutsche Wirtschaft bis Ende 2022 Zusatzbelastungen von voraussichtlich rund 80 Mrd. Euro zukommen, heißt es in einem Positionspapier. Verfasst haben es die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS), ein Zweig der Deutschen Aktuarvereinigung. Diskontierungssatz fällt stetigSie fordern, den HGB-Rechnungszins für Pensionsverpflichtungen grundlegend zu reformieren. Bisher wird er aus einem zehnjährigen Durchschnittswert des Marktzinses für hochwertige Unternehmensanleihen errechnet. Das führt im Dauerzinstief zu einem stetig fallenden Diskontierungssatz, so dass Unternehmen ständig ihre Pensionsrückstellungen erhöhen müssen. Die Aktuare prognostizieren, dass der Rechnungszins allein zwischen 2020 und 2022 von 2,3 % auf 1,55 % sinken wird. Laut IVS hat dies zur Folge, dass die Pensionsrückstellungen in diesem Jahr um 24 Mrd. Euro, im kommenden Jahr um 34 Mrd. Euro und 2022 um 21 Mrd. Euro aufgestockt werden müssen.Eine Mini-Reform des Rechnungszinses wie im Jahr 2016, als der Gesetzgeber die Betrachtung des Marktzins-Durchschnitts von zehn statt sieben Jahren erlaubte, reicht Aktuaren und Arbeitgebern nicht mehr aus. Um Zeit für eine grundlegend neue Methode zu bekommen, fordern Aktuare und Arbeitgeber ein Zinsmoratorium. Bis Ende 2022 soll der HGB-Rechnungszins auf dem Niveau des letzten Bilanzstichtags eingefroren werden. Zum 31. Dezember 2019 war das ein Wert von 2,71 %. Der daraus entstehende Einmaleffekt könnte beim Auslaufen des Moratoriums von 2023 an auf 15 Jahre verteilt werden, falls bis dahin keine neue Regelung gesetzlich verankert wird. Die kommenden zwei Jahre sollen genutzt werden, um “gemeinsam mit Sachverständigen, der Politik, der Finanzaufsicht, den Wirtschaftsprüfern und den Arbeitgeberverbänden eine tragbare und zukunftsfähige Lösung für eine neue Festlegung des Rechnungszinses in der Handelsbilanz zu erarbeiten und umzusetzen”, heißt es im Papier.Die Aktuare sprechen sich für einen gesamtwirtschaftlichen Rechnungszins aus, der zwar auch nicht die unterschiedliche Rentabilität verschiedener Branchen widerspiegele, aber geeigneter sei als ein Kapitalmarktzins. “Wir plädieren, auf die Rendite der deutschen Wirtschaft abzustellen und nicht auf Finanzprodukte”, verdeutlichte IVS-Chef Friedemann Lucius, der auch Vorstandssprecher des Betriebsrentenberaters Heubeck ist, in einem Pressegespräch. Ein Dorn im Auge ist den Unternehmen zudem, dass der Rechnungszins in der Handelsbilanz zwar stetig sinkt, in der Steuerbilanz aber noch immer ein Rechnungszins für Pensionsverpflichtungen von 6 % angesetzt wird. Der höhere Aufwand für Pensionsrückstellungen in der Handelsbilanz wird jedoch steuerlich nicht berücksichtigt.