Jobmarkt

Wo die Finanzindustrie noch Stellen schafft

In der Finanzbranche dominiert auf lange Sicht der Jobabbau. Betroffen sind die klassischen Kreditinstitute, vor allem Mitarbeiter mit Bankausbildung. Allerdings werden in einigen Bereichen auch Stellen aufgebaut.

Wo die Finanzindustrie noch Stellen schafft

Seit Jahren und Jahrzehnten schreitet der Stellenabbau in der Finanzbranche voran. Bestimmte Sektoren, zu denen unter anderen Leasing, Factoring, Börsenhandel, Beteiligungs- und Fondsgeschäft zählen, boomen hingegen. Große Unterschiede herrschen auch bezüglich der Mitarbeiterqualifikation: Schwindet der An­teil der Beschäftigten mit anerkanntem Berufsabschluss immer weiter, so wächst der Anteil jener mit akademischem Hintergrund.

Alles in allem umfasste die Zahl der sozialversicherungspflichtig Be­schäftigten in der Finanzbranche Deutschlands, Auszubildende nicht eingerechnet, im Mai 2021 gut 647000 und damit fast so viel wie in den beiden Jahren zuvor. Scheint angesichts der Stagnation der Abbau damit vorerst gestoppt, so zeigt sich in der längerfristigen Betrachtung ein anderes Bild: Seit Mai 2013 beispielsweise gingen 3,6% der damals gut 671000 Stellen verloren, zeigen aktuelle Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (s. Grafik). 

Die Bundesagentur zählt zur klassischen Finanzbranche etwa Kreditinstitute, Zentralbanken, Fondshäuser, Börsen, bestimmte Beteiligungsgesellschaften und sonstige Finanzierungsinstitutionen wie Leasing- und Factoringgesellschaften sowie Spezialkreditinstitute, zu denen Kredit- und Hypothekenbanken, Kreditkartendienstleister sowie Außenhandelsbanken gehören.

In ihrer Betrachtung der Finanzbranche lässt die Bundesagentur für Arbeit Versicherungen, Rückversicherungen und Pensionskassen außen vor. Würden sie berücksichtigt, kämen Stand Mai 2021 zur Finanzbranche nochmals mehr als 280000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hinzu. Insgesamt er­bringen nach dieser Rechnung knapp 930000 Menschen hierzulande Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Azubis nicht berücksichtigt. Das sind 3% weniger als acht Jahre zuvor: Im Mai 2013 waren es noch 958000 Mitarbeiter.

Vorübergehend Stagnation

Die 2019 und 2020 in der engen Betrachtung der Finanzbranche zu beobachtende weitgehend gleichbleibende Stellenzahl will Arbeitsmarktexpertin Carola Burkert nicht überbewerten: „Die Banken stehen noch immer unter massivem Druck.“ Der Langzeittrend zeige, dass die allseits bekannten Treiber Wettbewerbsdruck, Null- und Minuszins sowie Regulierungskosten die klassischen Geldhäuser zum Sparen und so zum Personalabbau verdammten – sei es durch Entlassungen, sei es durch Nichtbesetzung verwaister Stellen. „Oberflächlich betrachtet, herrscht Stagnation in der Finanzbranche, aber innerhalb der Branche sind deutliche Unterschiede erkennbar, mit Rückgängen und Zuwächsen“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit mit Blick auf die jüngere Vergangenheit.

In der Langfristbetrachtung stellt sie fest: „Der Beschäftigungsrückgang findet vornehmlich in den Kreditinstituten statt und dort wiederum vor allem in den mittleren Qualifikationsebenen.“ Innerhalb der Branche offenbaren sich demnach große Unterschiede: Die Zahl der in klassischen Kreditinstituten und Zentralbanken Beschäftigten brach zwischen Mai 2013 und Mai 2021 um fast 13% auf 503000 ein, während das branchenweite Minus 3,6% betrug. Ein Aufbau war gleichzeitig vor allem in den Beteiligungsgesellschaften sowie bei den „mit Finanzdienstleistungen verbundenen Tätigkeiten“ zu beobachten.

Zu Letzteren zählen nach Lesart des Statistischen Bundesamtes, auf das sich die Bundesagentur für Arbeit stützt, vor allem Börsen und Clearinghäuser, Wagniskapitalgeber und Depotbanken. Um 36% schwoll dort die Zahl der Mitarbeiter binnen acht Jahren an: von rund 45500 auf 61600. Seit 2008 (32700 Beschäftigte) hat sich die Zahl gar nahezu verdoppelt. Damit arbeitet mittlerweile fast jeder Zehnte in der Finanzbranche in diesem Sektor. Vor neun Jahren entsprach der Anteil noch weniger als 7%.

Noch deutlicher sind die Beteiligungsgesellschaften gewachsen. Die Mitarbeiterzahl sprang seit 2013 um den Faktor 2,5 auf mehr als 40000; seit 2008 hat sie sich versiebenfacht. Betrug der Gesamtanteil der Be­schäftigten in Beteiligungsgesellschaften an jenen in der Finanzbranche insgesamt im vergangenen Jahr 6,2%, so waren es acht Jahre zuvor nur 2,3%. Zuwächse gab es auch im Fondsgeschäft und in den sonstigen Finanzierungsinstitutionen, wenn auch nicht derart kräftig.

Mehr Universitätsabsolventen

Gleichzeitig ist die Akademisierung der Branche in den vergangenen Jahren vorangeschritten. Zwei Drittel der 647000 Finanzmitarbeiter verfügen über einen anerkannten Berufsabschluss (434000), ein Viertel über einen akademischen Ab­schluss (164700). Für den Rest lagen keine Erkenntnisse vor. Binnen acht Jahren hat sich das Gewicht weiterhin zu höheren Abschlüssen verschoben. Im Mai 2013 verfügten noch knapp 490000 Beschäftigte über einen Berufsabschluss (73%), und fast 115000 wiesen einen akademischen Werdegang auf (17%).

Weniger Fachkräfte

Die Zahl der Fachkräfte unter den Bankkaufleuten, also solcher, die Arbeitstätigkeiten nachgehen, deren Komplexitätsgrad üblicherweise mit dualer oder schulischer Berufsausbildung ausgeübt wird, hat in acht Jahren von 446000 auf 384000 abgenommen. Gleichzeitig stagnierte die Zahl der Bankkaufleute auf Spezialistenniveau bei rund 33000. Dabei handelt es sich um komplexere Tätigkeiten, denen Mitarbeiter mit maximal dreijährigem Hochschulstudium (Bachelor) nachgehen.

Zuwächse sind hingegen bei den Experten, also Mitarbeitern mit mindestens vierjährigem Hochschulstudium (z.B. Masterabschluss) oder vergleichbaren Kompetenzen zu beobachten – insbesondere bei Fi­nanzanalysten auf Expertenniveau, deren Zahl von 15500 auf 24000 zulegte. „Egal, welchen Bereich der Finanzbranche man betrachtet, überall sind im Zeitablauf höhere Anteile von Experten zu beobachten“, kommentiert Burkert.

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