Im GesprächNiels Beier, Accenture

Worldcoin konkurriert mit staatlichen Initiativen für sichere E-Identity

Nils Beier von Accenture hält das Konzept von Worldcoin für vielversprechend. Eine universelle digitale Identität sei auf der Grundlage von pseudonymisierten Daten besonders attraktiv.

Worldcoin konkurriert mit staatlichen Initiativen für sichere E-Identity

Im Gespräch: Nils Beier

Worldcoin konkurriert mit staatlichen Initiativen für sichere E-Identity

Der Experte von Accenture sieht Vorteile in pseudonymisierten persönlichen Daten – EIDAS-Verordnung dürfte mit dem digitalen Euro zusammenlaufen

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Worldcoin, das zweite von OpenAI-Chef Sam Altman gegründete Unternehmen, hat in den vergangenen Wochen Wellen geschlagen. Seit das Projekt mit dem Rollout des Augenscan in der Fläche auch in Europa begonnen hat, genießt dieses Start-up eine ungeheure Aufmerksamkeit. Dabei wird auch hinterfragt, ob auf dem Weg zum Ziel eines bedingungslosen Grundeinkommens auf Basis der hauseigenen Kryptowährung WLD alles mit rechten Dingen zugeht. Deutsche Datenschutzbehörden sind an der Sache dran – und geben sich zunächst entspannt mit Blick auf Worldcoin.

"Der Scan der Iris als biometrisches Merkmal ist nur die Basis für den als Hash bezeichneten Code."

Nils Beier

Für Nils Beier von Accenture steht bei Worldcoin der Aspekt der Schaffung einer universellen digitalen Identität, der World ID, im Vordergrund. Er hält das Konzept für vielversprechend, weil es verschiedene Ebenen miteinander verbindet: „Der Scan der Iris als biometrisches Merkmal ist nur die Basis für den als Hash bezeichneten Code. Dieser besteht dann als Zahlenreihe, die eine unverwechselbare digitale Identität schafft. Und das ist dann eingebettet in ein ganzes Ökosystem inklusive Blockchain und Token für die Incentivierung der Nutzer.“

Der Gedanke dahinter: Die Kryptowährung WLD stellt einen (steigenden) Wert dar, den zunächst mal alle als Belohnung erhalten, die sich vor Ort zum Scan der Augen über das als „Orb“ bekannte Gerät bewegen. 25 WLD erhält man, wenn man sich in der App registriert hat und seine ID dort hinterlegt.

Zur Verfügung stehen grundsätzlich maximal 10 Milliarden WLD. Davon sind bislang 125 Millionen Token ausgegeben und in den Handel gekommen. Bei voller Verwässerung (also bezogen auf die maximale Menge) käme WLD auf eine Marktkapitalisierung von 18 Mrd. Dollar. Ein Teil WLD ist für die Stiftung, die Gründer und VC-Investoren reserviert – das typische Muster von Start-ups im Kryptosektor.

Aber wie groß sind die Erfolgsaussichten von Worldcoin wirklich? Beier macht darauf aufmerksam, dass sich Worldcoin nicht nur mit verschiedenen anderen privaten Projekten zur Schaffung von universalen Identitäten im Wettlauf befindet, sondern auch mit verschiedenen staatlichen Initiativen zur Schaffung einer manipulationssicheren E-Identity.

Separater Datenhaushalt

In Deutschland wäre das ein moderner digitaler Personalausweis nebst App, an dem derzeit gearbeitet wird. Im Vergleich zu staatlichen Lösungen weise das private Angebot den Vorteil auf, die persönlichen Daten zu pseudonymisieren. Worldcoin pflegt für die Daten des Irisscan einen separaten Datenhaushalt und hat sich verpflichtet, diese Daten dann zu löschen.

"Bei der Verknüpfung der biometrischen Daten mit dem Hash bestehen noch Möglichkeiten zur Optimierung. Zudem ist die zentrale Speicherung der sensiblen Daten ein stark diskutiertes Thema."

Nils Beier

Doch in der Verknüpfung mit dem Hash geht es um Feinheiten. Beier zufolge wird diskutiert, ob 80% der biometrischen Merkmale für den Hash adäquat sind oder ob nicht doch 70% oder weniger reichen könnten – je weniger von den persönlichen Merkmalen einfließen, desto besser. „An der Stelle bestehen noch Möglichkeiten zur Optimierung. Zudem ist die zentrale Speicherung der sensiblen Daten ein stark diskutiertes Thema“, so der Geschäftsführer und Managing Director bei Accenture.

Der Umgang mit dem Datenschatz ist ein neuralgischer Punkt. In Großbritannien machte das Information Commission Office (ICO) deutlich, dass wer biometrisch Daten verarbeite, zuvor immer ein Data Protection Impact Assessment (DPIA) durchlaufen müsse. Wobei dem ICO dabei nicht klar zu sein scheint, dass die Datenverarbeitung eines britischen Scan in Deutschland geschieht.

Die französische Datenschutzbehörde CNIL hat zu Protokoll gegeben, dass die Datensammlung „fragwürdig“ aussehe und man das Vorgehen von Worldcoin untersuche. Die Franzosen haben ihre Bedenken an das Bayerisches Landesamt für Datenschutz weitergegeben, das in der europäischen Ordnung für die Überwachung – die Datenverarbeitung findet in Erlangen statt – zuständig ist. Den Franzosen liegt besonders am Herzen, ob die Worldcoin-Kunden ausreichend über die Datenverarbeitung informiert worden sind und ausreichend Gelegenheit zum Widerspruch hatten.

Bei einer experimentierfreudigen Klientel, die scharf ist auf die Coins, dürften solche Bedenken kaum Gehör finden. Doch schon der Schatten eines Verdachts auf Fehlverhalten kann für maximale Aufregung und Vorverurteilung sorgen; vor diesem Hintergrund war es gut zu sehen, dass die bayerischen Datenschützer ganz unaufgeregt Entwarnung gaben und dem Start-up eine gute Kooperation bescheinigten.

Abgrenzung von Bots

Soweit sich das feststellen lässt, holt Worldcoin ordnungsgemäß die Zustimmung der Kunden ein. Die World-ID soll ja gar nicht nicht ausweisen, wer die Person ist – sondern nur bestätigen, dass der Nutzer in Abgrenzung zu Bots ein echter Mensch ist, was bei Registrierungen und Transaktionen in digitalen Ökosystemen elementar ist.

Der Kryptoteil des Ökosystems läuft über die Stiftung und das Worldcoin Protocol, also den Entwickler der Blockchain. Diese beiden Gesellschaften sind nicht mit einer Gewinnabsicht verbunden, die Dachgesellschaft „Tools for Humanity“ und ihre deutsche Tochter sehr wohl.

Stiftung sitzt auf den Caymans

In der Erwartung regulatorischer Hindernisse hat Altman die Stiftung offshore auf den Cayman Islands angesiedelt. Wegen restriktiver Gesetze zu biometrischen Daten sind keine Scans in den US-Bundesstaaten Illinois, Texas und Washington sowie den Städten Portland, Oregon und Baltimore, Maryland, vorgesehen. Da Worldcoin den Zugriff der SEC fürchtet, will man mit WLD sowieso die USA meiden.

ID für öffentliche Dienste

Dafür steht Europa zusammen mit Afrika und Lateinamerika im Fokus für den Rollout von Worldcoin. Dabei könnte sich die Wettbewerbslandschaft für die E-Identity schon bald verändern: In Europa soll schon Ende 2023 die sogenannte EIDAS-Verordnung in Kraft treten, die elektronische Transaktionen im gesamten Binnenmarkt regelt. Privatpersonen und Unternehmen sollen dann ihre eigenen nationalen elektronischen Identifizierungssysteme (eIDs) nutzen können, um auf öffentliche Dienste zuzugreifen.

Beier erwartet, dass dieses Projekt irgendwann zusammenlaufen wird mit dem digitalen Euro. Denn im Moment habe man für den digitalen Euro nur die KYC-Prozesse der Banken für das Onboarden und Transaktionen aus der Wallet heraus. Eine voll funktionsfähige EIDAS-Infrastruktur plus digitalem Euro – das könnte Worldcoin für digitale Identitäten für viele Use Cases obsolet machen.

Aber darüber entscheiden die Verbraucher, denen eine gut integrierbare Token-App mit Coolness-Faktor möglicherweise lieber ist als die offizielle staatliche Lösung. Und der digitale Euro kommt frühestens 2026.

Worldcoin ist ein ambitioniertes und vielschichtiges Projekt. Für Nils Beier, Geschäftsführer im Bereich Finanzdienstleistungen bei Accenture Strategy, steht bei Worldcoin der Aspekt der Schaffung einer universellen digitalen Identität, der World ID, im Vordergrund. Er hält das Konzept für vielversprechend.