Zahlungsverhalten

Zahlungsmoral leidet unter Inflation

Laut einer Umfrage des Finanz- und Inkassodienstleisters Intrum ist es inzwischen Gang und Gebe, verlängerte Zahlungsfristen zu erbitten. Die Inflation erschwere es, Lieferanten pünktlich bezahlen.

Zahlungsmoral leidet unter Inflation

wbr Frankfurt

Der europaweite tätige Finanz- und Inkassodienstleister Intrum hat in einer Umfrage das Zahlungsverhalten in der Wirtschaft ermittelt. 77% der Befragten in Deutschland gaben an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten gebeten worden seien, längere Zahlungsfristen zu akzeptieren. Als Grund gaben 53 % der Unternehmen an, dass sie längere Fristen hingenommen haben, da sie die Beziehung zum Kunden nicht schädigen wollten; ebenfalls etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer antworteten, dass sie längere Zahlungsziele akzeptierten, um das Risiko eines Konkurses zu vermeiden. Befragt wurden insgesamt 11007 europäische Unternehmen in 29 Ländern. In Deutschland nahmen 600 Unternehmen teil.

Als Grund für die schlechtere Zahlungsmoral wurde auch genannt, dass es wegen der Inflation schwieriger werde, Lieferanten pünktlich zu bezahlen. 54% der Befragten gaben an, dass es schwerfalle, Prozesse oder die Verwaltung in dem Maße zu verbessern, um Zulieferer und Partner pünktlich zu bezahlen.

Liquidität unter Druck

Längere Zahlungsfristen und Zahlungsverzug bedeuten einen späteren Geldeingang und damit eine verzögerte Liquidität, schreibt Intrum. Um gegen Zahlungsverzug vorzugehen, gaben die Befragten an, dass sie in 44% Vorauskasse nutzen. Das sind fast doppelt so viele wie 2020. Auf Platz zwei rangieren die Kreditprüfungen mit 32%, deren Anteil aber tendenziell zurückgegangen sei. Auch Kreditversicherungen werden mit 18 % deutlich weniger genutzt als vor zwei Jahren.

Die Verbesserung des Forderungsmanagements als eine strategische Aufgabe wurde als besonders wichtig angesehen. 78% der Befragten wollen sich dabei auf die frühen Zahlungsrückstände konzentrieren.

Maßnahmen für den Fall, dass ein Kunde letztendlich in Zahlungsverzug gerät oder gar nicht zahlt, seien für 50% das Einleiten rechtlicher Schritte. Doch es gibt auch andere Wege. „Wir haben vor kurzem damit begonnen, automatische Telefonanrufe an unsere Schuldner zu testen. Wenn zwei Rechnungen nicht bezahlt werden, wird der Kunde automatisch angerufen, um ihn zu erinnern”, wird Inna Alne von Myfitness Lettland in der Untersuchung zitiert. Und Jan Hansson von Klarna berichtet: „Wir haben beschlossen, alle revolvierenden Kredite abzuschaffen, die sehr lange laufen können, und wir haben längere Zahlungsfristen eingeführt, um die Zahl der Kunden zu verringern, die frühzeitig in Zahlungsrückstand geraten.”

Die Aussichten für ein verbessertes Zahlungsverhalten in Deutschland sind gemessen an den Ergebnissen der Umfrage wie 2021 weiterhin wenig erfreulich. 58% der Befragten sind besorgt, dass immer mehr Schuldner nicht mehr pünktlich zahlen. Gründe seien die aktuellen Herausforderungen wie Inflation und Unterbrechung von Lieferketten sowie Umweltrisiken. 57% rechnen damit, dass es bei Schuldnern ihres Unternehmens sogar zu Zahlungsausfällen kommen könnte.

Intrum spricht regelmäßig über die Folgen verspäteter Zahlungen auch mit der Europäischen Union. Das Unternehmen fokussiert sich in den Gesprächen darauf, wie die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr so effektiv wie möglich gestaltet werden könne. Die Richtlinie empfiehlt, dass die Zahlungsfristen für Unternehmen höchstens 60 Tage und für Behörden 30 Tage betragen sollten. Zudem haben Unternehmen gemäß der Richtlinie automatisch Anspruch auf Verzugszinsen und mindestens 40 Euro als Entschädigung. Doch 60% der Befragten in der Studie nutzen das nicht. Wichtig sei aus Sicht der Befragten eine Revision der EU-Vor­schriften, eine bessere Durchsetzung der Zahlungsverzugsrichtlinie und eine stärkere Mediation.

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