Cum-ex-Prozess

Zeuge belastet Cum-ex-Investor schwer

Der frühere Wertpapierhändler Martin S. hat im Bonner Cum-ex-Strafprozess Strafmilderung durch sein umfassendes Geständnis erwirkt. Vor dem Landgericht Wiesbaden sagt er nun als Zeuge aus.

Zeuge belastet Cum-ex-Investor schwer

Von Anna Sleegers, zzt.

Wiesbaden

Im Cum-ex-Prozess am Landgericht Wiesbaden (Az. 6 KLs – 1111 Js 27125/12) hat der geständige Angeklagte aus dem ersten Cum-ex-Prozess am Landgericht Bonn als Zeuge ausgesagt. Der 43-jährige Brite Martin S., der gegen seine Verurteilung durch das Landgericht Bonn in Revision (Az. 1 StR 519/20) gegangen ist, schilderte am Donnerstag im Detail, wie die Cum-ex-Geschäfte am Trading Desk der HypoVereinsbank (HVB) in London in den Jahren 2006 bis 2008 umgesetzt wurden.

Fast entschuldigend sagte Martin S., dass er sich deshalb so präzise an zum Teil 15 Jahre zurückliegende Geschäfte erinnere, weil er die vergangenen vier Jahre damit verbracht habe, sie zu analysieren. „Auch habe ich aus den Gesprächen mit der Staatsanwaltschaft viel gelernt“, sagte der Ingenieur, der nach dem Studium­ im Dividendenarbitrage­geschäft der Investmentbank Merrill Lynch tätig war. 2006 habe er, inzwischen Juniorhändler am Londoner Trading Desk der HVB, mitbekommen, wie der inzwischen verstorbene Investor Rafael Roth über den ebenfalls angeklagten Steueranwalt Hanno Berger den Kontakt zu seinem damaligen Chef Paul Mora gesucht habe. Nach dem ebenfalls in dem Verfahren angeklagten Neuseeländer wird international gefahndet.

Martin S., der Roth nach eigenen Angaben bei einem Meeting in dessen Berliner Wohnung kennengelernt hat, glaubt, dass dieser wusste, wie die Cum-ex-Geschäfte funktionieren. Damit widerspricht er dessen Sohn Yoram Roth, der in einem im vergangenen Jahr veröffentlichten „Cicero“-Interview gesagt hatte, dass sein Vater die über die HVB eingefädelten Deals nicht verstanden habe und dass „dies“ ihn umgebracht habe. Ob er die Geschäfte zulasten des Fiskus oder den inzwischen per Vergleich beigelegten Rechtsstreit mit der HVB für den Tod seines Vaters im Jahr 2013 verantwortlich macht, bleibt offen.

Nachträgliche Forderungen

Martin S. ließ jedoch keinen Zweifel daran erkennen, dass Roth den Mechanismus der Cum-ex-Geschäfte durchschaut haben muss. Das leitet er unter anderem aus einem Gespräch ab, das Ende 2006 stattfand und in dem Roth und sein Steuerberater Berger gegenüber der HVB Nachforderungen stellten. „Roth erwartete, dass er ein Drittel des Profits oder 7% der Dividenden erhalten sollte“, sagte Martin S. Da 7% einem Drittel des damaligen in Deutschland geltenden Kapitalertragsteuersatzes von 21,1% entspricht, sei klar, dass der damals 73-jährige Roth verstanden habe, dass der Gewinn aus den Cum-ex-Geschäften einzig und allein aus der Erstattung der zuvor nicht gezahlten Kapitalertragsteuer stammte.

Daraus, dass die HVB auf diese Forderung einging, schließt der frühere Wertpapierhändler zudem, dass auch die beteiligten HVB-Manager im Bilde waren. Neben seinem früheren Chef Paul Mora seien dies ein damaliger Bereichsvorstand und der mitangeklagte Kundenberater Andreas B. gewesen. Martin S. habe sich gefragt, warum ein bestimmter Kunde nachträglich Ansprüche auf bestimmte Preise haben sollte, wo doch die Transaktion längst zu Preisen getätigt worden war, die für alle Kunden gleich gewesen seien. Die einzige Erklärung dafür laute: „Alle wussten genau, woher das Geld kam.“