Immobilienfinanzierung

Zinswende bremst Preisboom der Wohnhäuser nur moderat

Innerhalb weniger Wochen sind die Zinsen in der privaten Baufinanzierung kräftig gestiegen. Das bremst den Boom am Immobilienmarkt absehbar aus – doch ein Preisrutsch ist nicht absehbar.

Zinswende bremst Preisboom der Wohnhäuser nur moderat

Von Jan Schrader, Frankfurt

So viel Zinswende war selten: Um sage und schreibe 0,7 Prozentpunkte stiegen die Sätze für 15-jährige Hypothekendarlehen seit Anfang Februar, wie die Kreditvermittlungsplattform Interhyp ausweist. Der Zuwachs ist so deutlich wie seit 2015 nicht mehr (siehe Grafik). „Diesen rasanten Anstieg in so kurzer Zeit haben die meisten Experten nicht erwartet“, sagt Mirjam Mohr, Interhyp-Vorständin für das Privatkundengeschäft.

Gerade die Inflation, die in den Kriegstagen weiter anzieht, facht die Zinsen an. Banken gleichen damit eine mögliche Geldentwertung in der Zukunft aus und preisen eine etwaige Straffung der Notenbankpolitik ein. Zudem sind die Renditen für Bundesanleihen in den vergangenen Monaten gestiegen, was auf das Marktsegment der Pfandbriefe ausstrahlt und eine Refinanzierungsquelle von Banken somit verteuert. Auch die Regulierung steht der Kreditvergabe im Weg: Für Hypothekendarlehen müssen Banken einen zusätzlichen Puffer von 2 Prozentpunkten für die Mindestkapitalquote beachten, wie die Finanzaufsicht BaFin am gestrigen Mittwoch verfügte. Damit setzt sie der Kreditvergabe Grenzen.

Der kräftige Zinsanstieg bremst absehbar das Preiswachstum der Immobilien. Wohnobjekte, die bisher gerade noch erschwinglich waren, geraten allein aufgrund der zusätzlichen Zinsen für Privatleute plötzlich außer Reichweite. Ein Darlehen von 400000 Euro mit einem Sollzinssatz von 1,5% zum Beispiel lässt sich bei einer monatlichen Rate von 2000 Euro innerhalb von 19 Jahren und vier Monaten abbezahlen. Steigt der Zins auf 2,2%, dauert es bei gleicher Rate 20 Jahre und elf Monate. Alternativ müsste die monatliche Belastung auf etwa 2130 Euro steigen, um das Darlehen genauso schnell abzustottern. Für Kreditkunden kommt eine Zinserhöhung also einem Preisanstieg der Immobilien gleich.

Auch kann der Zuwachs von 12,4%, den der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) für selbst genutztes Wohneigentum für das vergangene Jahr festhält, nicht auf Dauer Bestand haben. Bei dieser Rate würden sich die Immobilienwerte alle sechs Jahre verdoppeln. Der rasante Anstieg der Wohnhauspreise in den zurückliegenden Jahren verdeckt zudem, dass Phasen sinkender Immobilienwerte nicht unmöglich sind. Vor allem in den 1980er und den 1990er Jahren sowie um die Finanzkrise, aber auch noch danach sanken die Preise in einigen Metropolen rund um den Globus zum Teil deutlich, wie die UBS festhält.

Kein Verfall in Sicht

Das heißt aber noch lange nicht, dass auch Deutschland vor einem Preisverfall steht. Das Zinsniveau ist nur ein Faktor von vielen. Auch künftig bleibt Wohnraum knapp. Ein abrupter Preissturz sei unwahrscheinlich, sagt daher VDP-Haupt­geschäftsführer Jens Tolckmitt. „Wir erwarten mittelfristig ein Auslaufen auf hohem Niveau.“ Ein Preissturz hingegen setze voraus, dass viele Verkäufer auf eine geringe Nachfrage stießen. Doch gebaut werde einerseits noch immer zu wenig, andererseits seien die meisten Immobilien solide finanziert und ein Abverkauf durch eine Masse an Hauseigentümern unwahrscheinlich. Das spreche für weiterhin steigende Preise.

Beziffern will der Verband die künftige Entwicklung allerdings nicht. Tatsächlich ist die Unwägbarkeit gerade für den Immobilienmarkt groß. Die Gemenge­lage aus Ukraine-Krieg und Flüchtlingsstrom, Pandemie und Home­office, Inflation und Markterwartung und vielen anderen Phänomenen ist schwer greifbar. Zwar steigen Immobilienpreise umso langsamer, je stärker die Zinsen anziehen. Doch der statistische Zusammenhang zeigt sich im langjährigen Vergleich lediglich moderat. Auch schlägt die Zinsentwicklung zeitverzögert auf die Immobilienmärkte durch. Erst im Jahresverlauf wird allmählich sichtbar, wie stark das Wachstum der Immobilienpreise tatsächlich abflacht.

Der Ukraine-Krieg führte zu Beginn noch dazu, dass die Bundesanleihen als sichere Wertpapiere stärker gefragt waren und die Renditen sanken. Doch der Effekt ist bereits wieder dahin, auf die Zinsen für Immobilienkredite wirkte sich der zeitweilige Rendite-Knick der Staatsanleihen nicht aus.

Richtung 3 Prozent

Stattdessen haben sich die Marktbeobachter auf weiter steigende Zinsen eingestellt. Bereits in diesem Jahr sei ein Niveau nahe 2,5% oder gar 3,0% denkbar, erklärt Interhyp-Managerin Mohr. Mittelfristig steigende Zinsen erwartet auch die Rivalin Hypoport mit ihren Vergleichsportal Dr. Klein. Der Wunsch nach Absicherung ist groß: Privatleute wählen zunehmend eine längere Zinsbindung für Kredite aus und klären frühzeitig ihre Anschlussfinanzierung, wie beide Vergleichsportale übereinstimmend berichten. Der Pfandbriefbankenverband VDP hält sich mit einer Zinsprognose zurück, erwartet aber ebenfalls keine Trendwende. „Den Tiefpunkt der Zinsentwicklung haben wir vermutlich bereits hinter uns“, sagt Tolckmitt.

Zwar erweisen sich verbreitete Marktprognosen mitunter als falsch. Doch moderat steigende Zinsen und Immobilienpreise erscheinen als Basisszenario für die nahe Zukunft realistisch. Der Erwerb von Wohneigentum wird für Privatleute damit teurer – schon wieder.

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