Nachhaltig investieren

Green Finance treibt die Märkte an

Green und Sustainable Finance wird 2024 den Siegeszug an den internationalen Kapitalmärkten fortsetzen. Denn immer mehr Anleger setzen auf eine grüne, soziale oder eben auch nachhaltige Rendite.

Green Finance treibt die Märkte an

Green und Sustainable Finance treibt Märkte voran

Immer mehr Anleger setzen auf nachhaltige Renditen. Unternehmen laufen Gefahr, dass ihre Assets zu Stranded Assets werden.

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Green und Sustainable Finance wird 2024 einen hohen Stellenwert an den internationalen Finanzmärkten haben. Und es wird auch für den Standort Deutschland immer wichtiger, und zwar sowohl in der Realwirtschaft als auch an den heimischen Finanzmärkten, allen voran dem Anleihemarkt. Der Bund liefert hierfür ein klares Bekenntnis ab, und zwar dergestalt, dass der deutsche Staatsanleihemarkt immer grüner wird. "Wir werden 2024 das Emissionsvolumen in grünen Bundesanleihen erneut erhöhen können", sagte kürzlich Tammo Diemer, Geschäftsführer der Deutschen Finanzagentur, die das Liquididäts- und Schuldenmanagement des Bundes regelt, im Interview der Börsen-Zeitung. Der Standort Deutschland wird damit immer grüner. Mit grünen Anleihen (Green Bonds) werden Klima- und Umweltschutzprojekte finanziert. Es handelt sich um zweckgebundene Anleihen (Use of Proceeds Bonds), deren Erlöse genau diesen Projekten zugutekommen müssen. Es geht dabei etwa um Investitionen in erneuerbare Energien. Baut der Bund die grüne Zinskurve aus, stärkt er damit auch dem Standort Deutschland als einem grünen Standort den Rücken. Der Benchmark-Emittent der Eurozone sendet damit ein klares Signal.

Mehr Emissionen von Bonds

Das Jahr 2024 markiert ein weiteres Jahr des Übergangs in Richtung einer grünen und nachhaltigen Finanzmarktwelt und der Realwirtschaft. Die Finanzmärkte begleiten dies, auch bekannt unter dem Stichwort Transition Finance. Immer mehr Unternehmen, Banken und Gebietskörperschaften wie Länder, Gemeinden und Städte werden sich diesem Prozess anschließen (müssen). Es sind also auch hier weitere Bondemissionen von einzelnen Ländern und Unternehmensadressen zu erwarten. Auch neue Emittentenkreise werden am Markt hinzukommen mit grünen und nachhaltigen Anleihen.

Bei dem Übergang hin zu einer grünen und nachhaltigen Realwirtschaft und Kapitalmarktwelt sind in den kommenden Jahren noch einige Herausforderungen zu meistern. Denn viele Unternehmen befinden sich derzeit noch in einer Welt von Geschäftsmodellen, die kohlenstoffintensiv sind und die in den kommenden Jahren eine Abkehr davon schaffen müssen. Anteilseigener sind gefragt, gerade diese Firmen in diese Richtung zu bewegen. Es sind insbesondere die großen Assetmanager und auch Pensionsfonds, die in den nächsten Jahren aufgrund ihrer Beteiligungen die Unternehmen, aber auch Gebietskörperschaften in Richtung einer grünen und nachhaltigen Welt lenken werden. Das erfordert auch viel Überzeugungsarbeit, wenn gerade mit „alten“ Geschäftsmodellen derzeit noch gutes Geld verdient wird. Aber gerade dieser Überzeugungsarbeit kommt ein hohes Gewicht zu, bislang eher braune Unternehmen in Richtung von Green zu bewegen.

Auch Zentralbanken steuern

Eine Steuerungsfunktion übernehmen auch die internationalen Zentralbanken, die ebenfalls ihre Geldpolitik immer mehr in Richtung von Green und Sustainable Finance umstellen, etwa wenn sie Anleihen nur noch von solchen Adressen erwerben, die sich diesem Transitionsprozess komplett verschrieben haben und den Weg auch konsequent gehen. Zu denken ist hierbei an die Anlage von Devisenreserven. In dieser Hinsicht agieren Zentralbanken dann nicht anders als private Assetmanager, die Gelder im Auftrag ihrer Klienten in Fonds und maßgeschneiderten Portfolios anlegen.

Gelder von privater Seite stehen für den Übergangsprozess in den nächsten Jahren ausreichend zur Verfügung. So schätzt die Gobal Sustainable Investment Alliance, dass in den kommenden Jahren hierfür Investmentgelder rund um den Globus von mehr als 35 Bill. Dollar (die Billion im deutschen Sinn) in Frage kommen.

Druck entsteht

Für den Kapitalmarkt wird es in den nächsten Jahren aber noch aus einer ganz anderen Hinsicht interessant. Denn es wird zu einer Spaltung von Assets kommen. Emittenten von Anleihen, die sich dem Prozess entweder komplett verschließen oder diesen nur zu langsam angehen, werden erfahren, dass sich Anleger von ihren Kapitalmarktinstrumenten – auf der Eigenkapitalseite, also Aktien, und auf der Fremdkapitalseite, d.h. Bonds – abwenden. Und das wird sich dann in der Performance dieser Papiere zeigen. Aktien werden underperformen, und Bonds werden zu höheren Renditen am Markt platziert werden müssen. Von dieser Seite entsteht ein Druck auf die Emittenten, sich grüner und nachhaltiger ausrichten zu müssen. Denn ansonsten werden ihre Assets zu sogenannten Stranded Assets, Eigenkapitalkosten steigen, Fremdkapitalkosten ebenso, der Druck von Aktionären und Bondinvestoren wird zunehmen. Am Markt wird zunehmend zwischen solchen Unternehmen unterschieden, die sich dem Übergang stellen, und solchen, die ihn eher vernachlässigen und verschleppen. Viele Experten sind sich darüber einig, dass es als Erstes die Kohleindustrie treffen wird, wenn es um die Frage geht, welche Assets denn zu den gestrandeten Vermögenswerten gehören werden.

Zentral wird in diesem Zusammenhang das Verhalten auch vieler Privatanleger sein. Im Mittelpunkt stehen dabei die sogenannten Millennials, also die kurz vor der Jahrtausendwende geborenen Menschen. Viele von ihnen zeigen ein komplett anderes Anlageverhalten, als es bislang von den vorherigen Generationen bekannt ist. „Für Menschen, die heute 20, 30 oder auch 40 Jahre alt sind, gibt es keine Alternative zwischen Rendite und Nachhaltigkeit. Entweder gibt es nachhaltige Rendite oder gar nichts“, so etwa Deborah Zurkow, globale Investmentchefin bei Allianz Global Investors (AGI), im Interview mit dieser Zeitung mit Blick auf die Millennials, denen es auf eine grüne oder nachhaltige Rendite ankommt.

Es geht dabei auch nicht mehr nur um Ankündigungen oder Versprechungen, was einzelne Adressen zu tun gedenken. Denn damit werden sich Anleger in den kommenden Jahren kaum noch zu Investments überzeugen lassen. Es geht um konkrete Messbarkeiten, die sich heute bereits an den Märkten eingestellt haben und die in den nächsten Jahren noch eine sehr viel stärkere Ausprägung erfahren werden, als das heute der Fall ist. Dabei geht es um das sogenannte Greenium. Das ist im Bereich der grünen Anleihen der Renditeunterscheid zwischen Green Bonds eines Emittenten und den herkömmlichen, also nichtgrünen Anleihen des gleichen Emittenten. Im Bereich der Bundesanleihen erreicht er über die Bund-Kurve hinweg betrachtet eine Differenz, die zumeist im einstelligen Basispunktebereich liegt. Das Greenium erreichte aber auch schon mal 11 bis 12 Basispunkte. Das ließ der Bund im Dezember wissen. Doch mit einer immer stärkeren Ausrichtung zu grün und nachhaltig, wird sich, davon gehen Experten aus, auch das Greenium – stärker ausweiten.

Daumen runter

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das Greenium dann auch auf die sozialen und nachhaltigen Anlageinstrumente, also etwa im Fremdkapitalbereich auf Social Bonds und Sustainable Bonds ausweiten wird, so dass auch dort eine klare Messbarkeit der jeweiligen Einsatzformen zutage tritt. Es ist ist zu erwarten, dass gerade die grünen, sozialen und nachhaltigen Anlageformen zu niedrigeren Renditen am Markt platziert werden können. Das bedeutet auch für die Unternehmen einen gewissen Disziplinierungszwang. Denn wollen sie nicht, dass ihre Assets von der Kapitalmarktbühne verschwinden, werden sie sich dem Prozess von Transition Finance und damit hin zu einer nachhaltigeren Realwirtschaft und Finanzmarktwelt stellen müssen. Sonst droht ihnen: Daumen runter aus Investorensicht. Das werden sie vermeiden wollen.

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