CFO-InterviewDaniela Büchel und Telerik Schischmanow

Rewe bleibt Vorreiter in Nachhaltigkeit

Die Rewe Group versteht sich als Pionier im Thema Nachhaltigkeit. Beim Debüt am Bondmarkt setzte der Lebensmittelhändler daher gleich auf eine an Klimaziele gekoppelte Anleihe.

Rewe bleibt Vorreiter in Nachhaltigkeit

IM INTERVIEW: DANIELA BÜCHEL UND TELERIK SCHISCHMANOW

Rewe versteht sich als Vorreiter in Nachhaltigkeit

Erster Bond an Klimaziele gekoppelt – Keine Eintagsfliege – Satter Zinsaufschlag bei Zielverfehlung – Transformation der Landwirtschaft dauert länger

Mit einer an Nachhaltigkeitsziele gekoppelten Anleihe hat Rewe kürzlich ihr Bondmarktdebüt gegeben. Der Lebensmittelhändler folgt damit einem Trend, nimmt in der Branche aber auch eine Vorreiterrolle ein, wie Daniela Büchel und Telerik Schischmanow im Interview erläutern.

Frau Dr. Büchel, Herr Schischmanow, Rewe hat sich sehr früh mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Jetzt hält das Thema Einzug in die Finanzierung. Welche Idee steckt dahinter?

Büchel: Für uns ist das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig. Wir waren 2008 einer der Pioniere. Das bewegt uns als Organisation, aber eben auch alle anderen Stakeholder vom Kunden über die Belegschaft und die Lieferanten bis hin zu den Kapitalgebern.

Schischmanow:  Im Kapitalmarkt wird die Verknüpfung von Finanzinstrumenten mit Nachhaltigkeitszielen mehr und mehr nachgefragt. Wir sind der erste Lebensmittelhändler in Deutschland, der eine Anleihe emittiert hat, die an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt ist.

Warum haben Sie zum Debüt am Bondmarkt gleich eine Anleihe emittiert, die an Nachhaltigkeitsziele geknüpft ist?

Schischmanow: Es ist Ausdruck dafür, dass wir es als Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit ernst meinen. Wir sind bereit, wirtschaftliche Konsequenzen zu tragen, wenn wir die Ziele nicht erreichen. Der Sustainability-Linked Bond ist ein zukunftsfähiges Konzept. Den Bondmarkt als Finanzierungsquelle zu nutzen dient auch dazu, neue Investorenkreise zu erschließen.

Im September hat Rewe-Finanzchef Telerik Schischmanow den Schritt an den Kapitalmarkt gewagt. Zum Debüt wurde gleich ein an Nachhaltigkeitsziele gekoppelter Bond emittiert. Bild: Tomas Rodriguez

Sie haben den Sustainability-Linked Bond bei 145 Investoren platziert. Können Sie aufdröseln, wie er sich auf verschiedene Investorengruppen aufteilt?

Schischmanow: Wir haben einen bunten Mix aus Family Offices, Fonds, die auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisiert sind, bis hin zu normalen Fondsinvestoren, Pensionsfonds und Banken. Was mich überrascht hat, war das große Volumeninteresse. Dabei haben uns viele Investoren gar nicht gekannt. Die Anleihe war 3,5-fach überzeichnet. Das ist für einen Debütanten ein sehr respektables Ergebnis.

Ihrer Antwort entnehme ich, dass der Bond kein einmaliger Auftritt war.

Schischmanow: Für die Zukunft ist das für uns ein Mittel der Wahl. Wir hatten viele Investoren, die genau das fragten. Für sie war das entscheidend, denn ein neuer Emittent macht viel Arbeit, die sich nur lohnt, wenn mehr zu erwarten ist. Auch für den Zweitmarkt ist es wichtig, wollen manche Investoren doch auch in der Anleihe handeln. Künftig können wir alte Finanzierungen auch über den Bondmarkt ersetzen.

Ist Ihr Investitionsbedarf so groß?

Schischmanow: Wir haben eine mittel- bis langfristige Finanzierungsstrategie. Unsere regelmäßigen Investitionsvorhaben gehen inzwischen in Richtung 3 Mrd. Euro jährlich. Auf der anderen Seite haben wir unsere Einnahmen. Da wir aber wachsen, wird es auch künftig Refinanzierungsbedarfe geben. Es ist nicht so, dass wir ein, zwei große Einzelmaßnahmen haben. Wir investieren stark in Lagerinfrastruktur, Logistik, Automatisierung, Digitalisierung und Technologie.

Da Sie den Debütbond an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt haben, dürften Sie nachfolgend davon nicht mehr abweichen können.

Schischmanow: Das ist so. Aber das wollen wir auch gar nicht. Wir sind überzeugt, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist. Nachhaltigkeit ist bei uns schon lange verankert, und als Genossenschaft denken wir ohnehin eher in Dekaden und in Familiengenerationen. Daher müssen wir auch nicht zwingend einer Quartalszahl hinterherlaufen, um den Börsenkurs oben zu halten. Selbst wenn die Ergebnisse einmal nicht so stark sind, können wir weiter investieren, wenn wir davon überzeugt sind, dass das für die Zukunft hilft.

Als Genossenschaft denken wir ohnehin eher in Dekaden und in Familiengenerationen.

Telerik Schischmanow

An welche Kriterien ist der Bond gekoppelt?

Schischmanow: Wir folgen dem Standard der Science Based Targets Initiative (SBTi). Seit vergangenem Jahr orientieren sich die Supermärkte und Penny in Deutschland an diesen Vorgaben. Für die Gruppe haben wir andere Klimazielvorgaben. Hier sind wir aber auch im Gespräch, ob wir SBTi auf den Konzern ausweiten.

Warum nur für Deutschland?

Büchel: Das lag einzig an Praktikabilitätsgründen. Allerdings sind Penny und Rewe in Deutschland auch die größte Einheit. Zudem haben wir hier eine gute Datengrundlage.

Wie sehen die Ziele aus?

Büchel: Es gibt Definitionen für die Bereiche Scope 1 bis Scope 3. Bei Scope 3 wird unterschieden in FLAG und Non-FLAG. FLAG steht für Forest, Land, Agriculture Guidance. Für jedes Segment haben wir uns Ziele gesetzt, bezogen auf das Basisjahr 2021. Für Scope1, Scope 2 und Scope 3 Non-FLAG streben wir bis 2030 eine Emissionsreduktion um 42% an, für FLAG ein Minus von 30% bis 2030. Hinter jedem Ziel steht eine Reihe von Einzelmaßnahmen. Das beginnt bei der Umstellung der Beleuchtung auf LED, geht über den Einsatz von Windenergie bei der Stromversorgung bis hin zu Initiativen zur Bestückung der Standortdächer mit Fotovoltaik oder dem Austauschen von Kälteanlagen und -mitteln.

Landwirtschaft braucht mehr Zeit

Was hat es mit der Aufteilung der Scope-3-Emissionen auf sich?

Büchel: Das ist eine neue Vorgabe der SBTi. Jetzt wird Scope 3 aufgeteilt, weil man gesehen hat, dass die Landwirtschaft ein ganz großer Faktor ist, um die Klimaziele zu erreichen. Dort wird die Transformation mehr Zeit brauchen, das wird jetzt berücksichtigt.

Müssen Sie die Ziele auf Jahresscheiben herunterbrechen? Sonst lässt sich doch gar nicht sagen, ob Sie die Ziele erreicht oder verfehlt haben.

Schischmanow: Wir haben die Ziele auf die Jahre 2028, 2029 und 2030 heruntergebrochen und werden darüber auch jährlich berichten. Verfehlen wir die Ziele, gibt es einen Zinsaufschlag um 85 Basispunkte. Abgerechnet wird aber zum Schluss. Bis dahin werden wir die Zeit so gut es geht nutzen.

Welches waren aus Investorensicht die wichtigsten Themen in der Roadshow?

Schischmanow: Da viele Investoren im Ausland noch nie zuvor von uns gehört hatten, ging es zunächst darum zu erklären, wer wir sind und wie eine genossenschaftliche Struktur funktioniert. Wie die Gruppe gesteuert und kontrolliert wird und wie die Mittelverwendung aussieht. Also welche Möglichkeiten es gibt, Cash aus der Gruppe herauszuziehen oder in die Gruppe einzubringen. Gegenüber börsennotierten Gesellschaften haben wir den Vorteil, dass wir nicht dividendengetrieben sind. Der Großteil unseres Ergebnisses verbleibt im System.

Breites Investorenspektrum

Heißt das, der Nachhaltigkeitsaspekt spielte letztlich gar keine große Rolle?

Schischmanow: Doch, durchaus. Aber das hing stark von den Zielgruppen ab. Bei den Family Offices und Fonds, die heute schon stark auf solche Kriterien achten, wurden die Ziele und Maßnahmen genau hinterfragt. Aber es gab auch andere Fonds, die mehr Wert auf Sicherheit legen. Es war ein sehr breites Spektrum.

Sie haben in der Vergangenheit vor allem auf Bankfinanzierung und Schuldscheine gesetzt. Sind Schuldscheine angesichts der gestiegenen Zinsen inzwischen zu teuer geworden?

Schischmanow: Der Schuldscheinmarkt ist sehr speziell und weitgehend auf Deutschland begrenzt. Das hat zur Folge, dass das Volumen ein Stück weit begrenzt ist. Wenn man die Finanzierung auf eine breitere Basis stellen und sich unabhängiger machen will, dann ist der Schritt in den Anleihemarkt richtig. Jetzt hat es gerade gepasst, weil wir eine Refinanzierung brauchten und beim Thema Nachhaltigkeit mit der Überprüfung durch SBTi einen guten Zeitpunkt hatten.

Frau Büchel, die im Vorstand für Nachhaltigkeit zuständig ist, gehört nicht zur Finanztruppe. Warum bündeln Sie die ESG-Themen im Treasury?

Schischmanow: Wir stimmen uns eng zwischen den Fachbereichen ab. Das Thema ESG im Finanzbereich wird ganz eng begleitet vom Team von Frau Dr. Büchel. Ich selbst leite die Nachhaltigkeitssäule Energie, Klima, Umwelt. Insofern haben wir einen guten Schulterschluss und kurze Entscheidungswege. Wir schauen, wie Investitionsbedarfe schnell in die Budgetplanung kommen. Die Fachbereiche machen das miteinander. Auch das Rechnungswesen ist eingebunden.

Daniela Büchel arbeitet seit 2006 für Rewe und sitzt seit Anfang des Jahres im Vorstand mit Zuständigkeit für Personal und Nachhaltigkeit. Bild: Rewe Group


Im engen Schulterschluss haben Daniela Büchel und Telerik Schischmanow im September den ersten Bond des Lebensmittelhändlers Rewe platziert. Da beim Debüt am Kapitalmarkt gleich auf eine an Nachhaltigkeitsziele gekoppelte Anleihe gesetzt wurde, war ein Zusammenspiel der beiden Vorstandsmitglieder – Schischmanow ist für die Finanzen zuständig, Büchel für HR und Nachhaltigkeit – Pflicht. Die beiden verbindet ihre langjährige Zugehörigkeit zur genossenschaftliche Rewe Group ebenso wie ihre erst kurze Zugehörigkeit zum Konzernvorstand.


Wie binden Sie die ESG-Themen in die Berichterstattung ein?

Büchel: Die Nachhaltigkeitsberichtserstattung liegt in meinem Bereich. Bislang war es ein separater GRI-Bericht, den wir koordiniert haben. Wie sich das künftig entwickelt, Stichwort: CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive, Anm. d. Red.), weiß heute noch niemand. Das ist eine Riesenveränderung. Wir schauen gerade, wie wir uns dafür organisatorisch aufstellen. Das ist sicherlich eine Herausforderung.

Bis wann wollen Sie klimaneutral wirtschaften?

Büchel: Klimaneutralität streben wir bis 2050 an. Nach SBTi muss man bis dahin 90% reduzieren, 10% darf man neutralisieren mit sehr speziell definierten Maßnahmen.

Welcher Anteil Ihrer CO2-Emissionen entfällt denn auf Scope 3? Das ist in aller Regel doch das Gros.

Büchel:  Das ist das Gros. Es sind mehr als 80%. Das ist die eigentliche Schwierigkeit, weil wir Scope 3 nur mittelbar beeinflussen können. In Scope 1 und Scope 2 sind wir sehr gut unterwegs. Seit 2006 haben wir unsere spezifischen Treibhausgasemissionen schon halbiert. Scope 3 können wir nur zusammen mit den Lieferanten gestalten. Wir sind mit den Eigenmarkenlieferanten schon dabei, Ziele zu setzen. Die großen Markenlieferanten verfolgen selbst schon ambitionierte Ziele.

Wir haben in Summe 5.000 SBTi-relevante Lieferanten.

Daniela Büchel

Beim Einkauf von Obst und Gemüse haben Sie mutmaßlich nicht ganz so viel Macht?

Büchel: Macht ist im Handel ein schwieriges Wort. Wir können viele Dinge gemeinsam angehen. Es geht ja nicht nur um bestimmte Pflanzenschutzmittel, sondern zum Beispiel auch um Anbaumethoden. Wir sind in vielen Dingen schon vertikalisiert und damit aktiver Teil der Lieferkette. Wir haben in Summe 5.000 SBTi-relevante Lieferanten.

Was bedeutet das am Ende, wenn es eng wird mit der Zielerreichung? Switchen Sie dann auf den Markenartikler, weil der die Nachhaltigkeitsvorgaben erfüllt?

Schischmanow: Es ist zweifelsohne bei den kleinen und mittelgroßen Lieferanten eine Challenge, weil viele die Ressourcen, um die ganzen Maßnahmen und Berichtspflichten zu erfüllen, erst aufbauen müssen. Unser Ziel ist es aber natürlich, dass das gemeinsam gelingt.

Büchel: Wir versuchen, so viele Lieferanten wie möglich auf die SBTi-Plattform zu bekommen. Das ist der wissenschaftsbasierte Ansatz, der das 1,5-Grad-Ziel unterstützt. Es ist wichtig, die Zahlen zu haben, mit SBTi hätten wir alle die gleiche Datenbasis. Jetzt gilt es, Überzeugungsarbeit zu leisten. Viel ist aber auch durch die Regulierung wie beispielsweise das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder CSRD vorgegeben. Das kann ein Motor für den gemeinsamen Ansatz sein, und wir bieten dafür die Plattform. Es braucht einen, der es anschiebt. Wir wollen das sehr gerne sein. 

Die Aktionswoche im August bei Penny, in der es um die wahren Kosten der Produkte ging, ging ja genau in diese Richtung. Das hat Ihnen aber nicht nur Lob, sondern auch viel Kritik eingebracht. Welche Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen?

Büchel: Noch sind wir dabei, die Ergebnisse auszuwerten. Wir haben gesehen, dass es in der meinungsbildenden Öffentlichkeit eine breite Akzeptanz gibt. Viel schwerer ist es, das Thema bei der Kaufentscheidung am Regal zu erklären. Mit der Aktion wollten wir vor allem auf das Thema aufmerksam machen. Es ist sehr erklärungsbedürftig und das Problem kann kein Discounter im Alleingang lösen kann. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, das wir in der Nachhaltigkeitstransformation angehen müssen.

Im August hat der zu Rewe gehörende Discounter Penny eine Aktionswoche durchgeführt, um auf die "wahren Kosten" von Lebensmitteln aufmerksam zu machen. Bild: picture alliance/Snowfield Photography

Die Akzeptanz endet am Portemonnaie. Alle wollen gesunde, nachhaltige Produkte, den Preis dafür will jedoch kaum jemand bezahlen.

Büchel: Zumindest nicht in dieser Größenordnung. Denn wenn man die wahren Kosten zugrunde legt, ist der Preisaufschlag stattlich. Für Kunden ist das schwer zu verstehen. Bekommt man Zeit, das Thema zu erklären, sieht es besser aus. Mit den landwirtschaftlichen Verbänden sprechen wir gerade, hier gab es teilweise Missverständnisse. Der Mehrwert liegt aus unserer Sicht darin, dass die Daten Eingang in eine wissenschaftliche Studie der TH Nürnberg und der Uni Greifswald finden. Die Studienergebnisse können durchaus richtungsweisend sein, auch für die EU. Dort spielt das True Cost Accounting eine wichtige Rolle.

Bringt Sie eine solche Aktion in der Diskussion mit den Landwirten weiter oder ist das eher kontraproduktiv?  

Büchel: Wir haben ein kontroverses Thema angesprochen – darüber kommt man aber auch ins Gespräch. Wir stehen mit unseren Partnerinnen und Partnern in der Landwirtschaft sowieso im engen Austausch – auch zu diesen Themen.

Das Interview führte Annette Becker.

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