Additive Fertigung

Bei Formlabs liegt der Wachstums­plan im 3D-Drucker

Das 3D-Druck-Unternehmen Formlabs hat 2018 Einhornstatus erreicht, und das Wachstum setzt sich weiter fort. Die Strategie und Pläne zur Expansion erläutern CEO Max Lobovsky und Managing Director EMEA Stefan Holländer im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Bei Formlabs liegt der Wachstums­plan im 3D-Drucker

Von Franz Công Bùi, Frankfurt

Während des Rekord-IPO-Jahres 2021 sind auch einige 3D-Druck-Unternehmen aufs Parkett marschiert. Manche über Spacs (Special Purpose Acquisition Companies), so wie etwa Markforged, Velo 3D oder Shapeways an die Nyse und Rocket Lab an die Nasdaq. Andere haben den Weg des regulären IPOs gewählt, so zum Beispiel Massivit 3D in Tel Aviv, Norsk Titanium an die Euronext Growth Oslo Exchange oder Meatech 3D und Xometry, die nun beide an der Nasdaq gelistet sind.

Der 3D-Druck, auch additive Fertigung genannt, hat sich als Produktionsmethode durchgesetzt. Mittlerweile nutzen die unterschiedlichsten Branchen diese Technologien, um Prototypen oder Endprodukte kostengünstig vor Ort herzustellen – von der Automobilindustrie über den Maschinenbau oder auch der Zahntechnik bis hin zur Raumfahrt.

Der 2011 von Maxim Lobovsky, Natan Linder und David Cranor in Massachusetts gegründete 3D-Drucker-Hersteller Formlabs hat sich mit seinen Druckern im Stereolithografieverfahren (SLA) und für das selektive Lasersintern (SLS) als Anbieter für einen kostengünstigen Einstieg in die Individualisierung von Serienprodukten positioniert.

Massenanpassung möglich

3D-Drucker wie die von Formlabs sollen es industriellen Herstellern aus einer Vielzahl von Branchen ermöglichen, in nur wenigen Stunden neue Iterationen von Produkten zu entwickeln oder auch personalisierte Erzeugnisse für Endverbraucher herzustellen. Bei Letzterem etwa verfolgt das Unternehmen den Ansatz der „Mass Customization“, in etwa Massenanpassung, also die Individualisierung von sonst massenhaft produzierten Objekten. Werden mehrere SLA-3D-Drucker wie zum Beispiel das Formlabs-Modell Form3 zusammengeschlossen, lässt sich eine Art Digitalfabrik bauen, in der die Maschinen parallel die gleichen Teile drucken, jedoch mit jeweils unterschiedlichen kundenspezifischen Anpassungen, indem lediglich der Druckauftrag entsprechend angepasst werden muss.

Lobovsky beschreibt die Formlabs-Herangehensweise als horizontalen Technologieansatz mit einer Allzwecktechnologie, die für verschiedene Branchen angepasst werde, indem spezielle Materialien und Softwareunterstützung dazu angeboten würden. Damit agiere man in den Bereichen Technik, Produktdesign, Zahnmedizin, Gesundheitswesen, Kunst und Unterhaltung, also z. B. auch in der Filmproduktion oder der Schmuckherstellung. Mit Hilfe von solchen 3D-Druckern sollen Industrieunternehmen auch unabhängiger von externen Dienstleistern sowie von globalen Lieferketten werden. So konnten Unternehmen, als während der Coronakrise viele Grenzen geschlossen wurden und Lieferketten nicht wie gewohnt funktionierten, mit 3D-Druckern Lieferengpässe überbrücken. Ein weiterer Aspekt hierbei neben den Grenzschließungen, limitierten Transportkapazitäten und Lieferengpässen sei auch die globale Klimakrise.

Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zeigen sich Formlabs-CEO Lobovsky und Stefan Holländer, Managing Director EMEA, überzeugt, dass dieser Trend zur Regionalisierung weiter an Fahrt aufnehmen wird: „Vor allem durch die Pandemie haben viele unserer Kunden Know-how dieser Art in ihre lokalen Organisationen zurückgezogen. Das beobachten wir in ganz Europa, denn die Lieferketten werden immer instabiler. Deshalb sind die Unternehmen sehr daran interessiert, solche Expertise in ihre Zentrale oder ihre Entwicklungszentren zurückzuholen“, er­klärt Lobovsky. Das sei auch deswegen möglich, weil alle Formlabs-Drucker sich zentral und remote steuern ließen.

Angesprochen auf etwaige Engpässe in der eigenen Lieferkette, konzediert Lobovsky, das sei eine Herausforderung gewesen, betont aber, Formlabs habe es geschafft, alle Produkte während des vergangenen Jahres auf Lager zu halten. Das sei zwar eine Menge Arbeit für die operativen Abteilungen, die Teams in der Lieferkette und auch die Ingenieure gewesen, die die Produkte umgestalten mussten, um die verwendeten Halbleiter anzupassen. Aber letztlich habe Formlabs es geschafft, das zu lösen, ohne die Preise erhöhen zu müssen.

Laut Allied Market Research wird der globale Markt für 3D-Druck von 19,5 Mrd. Dollar im Jahr 2021 auf voraussichtlich 56,1 Mrd. Dollar im Jahr 2026 wachsen, mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 23,5% für den Zeitraum von 2021 bis 2026. Demzufolge dürfte das Marktvolumen für Endprodukte für den 3D-Druck von 6,3 Mrd. Dollar 2021 auf 17,7 Mrd. Dollar 2026 steigen, bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 22,9% in dem Zeitraum. Der Markt für Modelle für den 3D-Druck soll derweil in den fünf Jahren von 5,3 Mrd. Dollar auf 15,8 Mrd. Dollar wachsen, bei einer CAGR von 24,6%.

Zugänglicher machen

2021 bezeichnet Lobovsky als großes Wachstumsjahr, da Formlabs von einem Hauptdruckersystem zu drei Systemen übergegangen sei. Neben einem Desktop-Stereo-Lithografie-Drucker mit einem hochauflösenden Fotopolymer-System gebe es nun auch einen Großformatdrucker, mit dem sich viel größere Teile in kürzerer Zeit als bisher herstellen ließen, sowie ein System für das selektive Lasersintern. Und obwohl das neue System erst seit etwa einem Jahr auf dem Markt ist, sei es bereits das Produkt mit den höchsten Stückzahlen in dieser Kategorie, dabei höher auch als bei Unternehmen, die diese Systeme schon seit 20 Jahren verkaufen. 3D-Druck gebe es seit 35 Jahren, und die meiste Zeit über habe es nur Hunderttausend Dollar teure Systeme gegeben, die in den Forschungs- und Entwicklungslaboren großer Unternehmen zu finden gewesen seien.

Volkswagen oder andere Unternehmen hätten ein Labor mit diesen Maschinen betrieben und hierfür speziell ausgebildete Bediener engagiert, wodurch aber die Verbreitung der Drucker nicht so groß gewesen sei, wie sie es hätte sein können. Formlabs habe sich darauf konzentriert, die Technologie zugänglicher zu machen, wobei Zugänglichkeit für Lobovsky zweierlei bedeutet: zum einen günstigere Produktionskosten und zum anderen Benutzerfreundlichkeit. Denn selbst wenn man die Technologie billiger machen würde, bleibe immer noch der spezielle Bediener, der die Technologie erlernen müsse, und das sei sehr teuer.

Die Kunden von Formlabs setzen sich aus den unterschiedlichsten Firmen zusammen, wie etwa Sportartikelhersteller New Balance oder Gillette, die kundenspezifische Rasierklingen und Teile drucken. Airbus, Apple, Bosch, Ford, GE, Siemens oder Tesla, sie alle hätten Dutzende von Maschinen in vielen verschiedenen Abteilungen im Einsatz.

Zunehmend würden die Drucker auch für die Gesundheitsbranche zum Einsatz kommen, vor allem beispielsweise in der Dentalindustrie. Dort sehe Formlabs viele der Anwendungen mit dem höchsten Volumen. In der Dentalbranche sei die Herstellung von Teilen mit 3D-Druck am meisten verbreitet. Laut Bericht von Allied Market Research erwirtschaftete der globale Markt für 3D-Druck im Gesundheitswesen im Jahr 2020 1,03 Mrd. Dollar und wird bis 2030 schätzungsweise 5,84 Mrd. Dollar erreichen, mit einer CAGR von 2021 bis 2030 von 20,1%.

Medizinische Geräte im Fokus

Zu den Hauptakteuren auf dem Markt für 3D-gedruckte medizinische Geräte gehören 3D Systems Corporation, Envisiontec, Stratasys, Arcam AB und Cyfuse Biomedical sowie eben auch Formlabs, mit deren 3D-Druckern sich etwa individuell auf Patienten zugeschnittene Teile, betriebsinterne F+E-Projekte, kommerzielle Kleinserien bis hin zu Modellen der Patientenanatomie in voller Lebensgröße sowie große Medizinprodukte auf Basis biokompatibler, sterilisierbarer Materialien erstellen lassen.

2018 habe die Mitarbeiterzahl von Formlabs bei 500 gelegen, jetzt seien es ungefähr 700 in Standorten in Deutschland, Japan, China, Ungarn und North Carolina sowie in Massachusetts. Wobei ein besonderes Augenmerk auf der Expansion nach China liege. Lobovsky betont, China sei das größte Land für die Herstellung von Kunststoffteilen in der Welt, also sehr wichtig für die Drucktechnologie. Und es gebe dort viele Wachstumsmöglichkeiten, auch wenn es durchaus nicht ganz einfach sei, als ausländisches Unternehmen dort im Wettbewerb zu bestehen.

Wie Holländer betont, sind daneben Deutschland als zweitgrößter Markt und Mitteleuropa insgesamt sehr wichtig für Formlabs. Dabei sei der ständige Dialog mit den Kunden enorm wichtig, denn die würden ihre Ideen mitteilen, an denen sie arbeiten und die sie ausbauen wollen, und es gebe dann eine enge Zusammenarbeit, um mehr und mehr Anwendungen zu entwickeln: „Wir haben mittlerweile ungefähr 100000 Systeme auf dem Markt, was uns eine enorme Hebelwirkung für das gesamte Geschäft gibt“, führt Holländer aus.

Dementsprechend habe sich auch der Umsatz entwickelt, der Lobovsky zufolge vor drei Jahren bei etwa 100 Mill. Euro pro Jahr gelegen habe. Allein im ersten Quartal 2021 seien es 45 Mill. Euro gewesen. Die Wachstumsrate sei sehr hoch, sie liege bei etwa 50%, doch Lobovsky konzediert: „Sicherlich wachsen wir nicht mehr so schnell wie in den ersten Jahren, als wir von null auf 100 Mill. gestiegen sind. Aber wir wachsen noch doppelt so schnell wie der Markt bei über 100 Mill. Euro Umsatz, das schaffen nur sehr wenige Unternehmen.“ Gewinnzahlen gibt das Unternehmen indes nicht öffentlich bekannt.

Einhornstatus seit 2018

Formlabs hat insgesamt sechs Finanzierungsrunden absolviert, die letzte 2021 unter der Leitung von Softbank. Dabei seien 150 Mill. Dollar bei einer Bewertung von 2 Mrd. Dollar aufgenommen worden. Seit Sommer 2018 zählt das Unternehmen zu den Einhörnern, also Start-ups, die eine Bewertung von mehr als 1 Mrd. Dollar erreicht haben. Seinerzeit stieß der ehemalige Vorstandschef von General Electric, Jeffrey Immelt, im Vorstand dazu. Allerdings ist er nun nicht mehr im Board, dafür aber andere Fortune-500-CEOs, wie etwa Carl Bass, ehemals CEO von Autodesk, oder Barry Schuler, der frühere CEO von AOL, wie Lobovsky betont.

Ob Technologien wie zum Beispiel künstliche Intelligenz (KI) oder vielleicht die Blockchain künftig im 3D-Druck zum Einsatz kommen könnten, sieht Lobovsky mit Skepsis: „Es gibt viele fortschrittliche Algorithmen, um den Prozess bei der Dru­ckereinrichtung zu automatisieren, für den normalerweise ein erfahrener Bediener erforderlich ist. Und daran arbeiten wir definitiv weiter. Doch für mich sind KI und Blockchain vor allem Schlagwörter, die manche Unternehmen an Dinge, die sie tun, anheften, obwohl sie nicht wirklich so innovativ sind.“

Befragt dazu, ob Formlabs in absehbarer Zeit ebenso wie etliche andere 3D-Druck-Unternehmen aufs Börsenparkett strebt, erklärt Lobovsky, ein IPO stehe derzeit akut nicht im Raum: „Wir bereiten uns sicherlich auf die Möglichkeit eines Börsengangs vor. Aber wir haben keine konkreten Pläne, etwas anzukündigen. Gemessen am Umsatz sind wir größer als alle 3D-Druck-Unternehmen, die in den letzten Jahren an die Börse gegangen sind. Auch mit Blick auf die Rentabilität sind wir besser, so dass wir sicherlich an die Börse gehen könnten, aber wir lassen uns Zeit. Wir wollen ein gutes, reifes Unternehmen sein und nicht vorschnell an die Börse gehen.“

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