Digitaler Euro

Technologie folgt Mandat

Die Digitalisierung erfasst alle Bereiche unseres Lebens. Die Art und Weise, wie wir einkaufen und bezahlen, ist davon nicht ausgenommen. So zahlen wir zunehmend online und mit Karten, mitunter über Smartphones. Die Pandemie hat diesen Trend weiter...

Technologie folgt Mandat

Die Digitalisierung erfasst alle Bereiche unseres Lebens. Die Art und Weise, wie wir einkaufen und bezahlen, ist davon nicht ausgenommen. So zahlen wir zunehmend online und mit Karten, mitunter über Smartphones. Die Pandemie hat diesen Trend weiter beschleunigt, vor allem bei kontaktlosen Bezahlverfahren.

Angesichts dieser umfassenden Digitalisierung arbeitet auch die Europäische Zentralbank an der potenziellen Einführung einer digitalen Zentralbankwährung, dem digitalen Euro. Denn das reibungslose Funktionieren von Zahlungssystemen zu fördern, ist eine fundamentale Aufgabe der EZB. Konkret verfolgt sie dabei zwei Hauptziele: Erstens soll der Zugang zu effizienten Zahlungslösungen gewährleistet werden, die auch den Bedürfnissen der Bürger entsprechen. Zweitens soll sichergestellt werden, dass Zahlungen sicher bleiben, um das Vertrauen in die gemeinsame Währung und damit die Wirtschaft zu unterstützen.

In diesem Rahmen sind die Arbeiten der EZB auf dem Weg zu einer digitalen Währung zu sehen. Ein digitaler Euro wäre Zentralbankgeld und damit ein öffentliches Gut, wie die Zentralbanken es seit Jahr­hunderten bereitstellen. Im Oktober vergangenen Jahres hat die EZB einen Bericht zum digitalen Euro veröffentlicht. Darin wurden neben Szenarien­, die die Einführung eines digitalen Euro erforderlich machen würden, erste konzeptionelle Fragen aufgeworfen sowie Herausforderungen und Zielkonflikte be­nannt. Zeitgleich hat die EZB eine öffentliche Konsultation gestartet, die über drei Monate Erwartungen und Meinungen aus der Bevölkerung, Finanzbranche und Industrie gesammelt hat.

Dabei wurden über 8000 Antworten abgegeben – so viele wie noch nie bei einer öffentlichen Konsultation der EZB. Die meisten Rückmeldungen kamen von Bürgerinnen und Bürgern, 460 gingen von Unternehmen und Experten der Zahlungsverkehrsbranche ein. Auch wenn es sich nicht um eine repräsentative Umfrage handelte, zeichnen sich dort zentrale Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger ab: Für die Teilnehmer der öffentlichen Konsultation waren Datenschutz, Sicherheit und breite Nutzbarkeit die wichtigsten Merkmale eines digitalen Euro.

Parallel experimentierten Experten aus der EZB und den nationalen Zentralbanken des Euroraums mit verschiedenen Optionen, um die technische Machbarkeit auszuloten, um die Analyse und Bewertung konzeptioneller Möglichkeiten zu unterstützen.

Dabei wurde unter anderem die Kompatibilität existierender Zentralbank-Zahlungssysteme mit einem digitalen Euro ebenso untersucht wie die Nutzung von „Distributed Ledger“-Technologien, aber auch die Verbindung mit einer elektronischen Identität sowie verschiedenen Arten von Offline-Transaktionen getestet. Erste, vorläufige Ergebnisse dieser Experimente werden noch vor der Sommerpause veröffentlicht.

Wenngleich die Überlegungen im Detail technologieagnostisch sind, gibt es doch ein Zusammenspiel zwischen einzelnen technischen Varianten und den konzeptionellen Aspekten. So wirkt ein hohes Maß an Dezentralität, besonders in Verbindung mit Offline-Funktionalität auf die Kontrollmöglichkeiten mit Blick auf die umlaufenden Mengen insgesamt oder pro Kopf. Ähnliches gilt für die mögliche Verzinsung eines digitalen Euro bei einer Token-Lösung, die auch ohne Internetverbindung funktionieren würde.

Derartige Pfadabhängigkeiten und Interdependenzen veranschaulichen die Komplexitäten des Unterfangens. Deswegen dürfte es immer noch vier bis fünf Jahre dauern, bevor ein digitaler Euro eingeführt wird, sollte der Zentralbankrat Mitte Juli den Startschuss für ein ergebnisoffenes formelles Projekt geben.

Hinzu kommt, dass ein digitaler Euro nicht aus technischen Gründen Kompromisse eingehen kann beim Mandat oder der Sicherheit; genauso wenig darf es zu Verwerfungen an den Finanzmärkten kommen. Alle technischen Optionen haben sich dieser Zielsetzung zu unterwerfen.

Dazu gehört auch, dass Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel in den EU-Verträgen festgeschrieben sind. Das bedeutet zum einen, dass die Unterstellung, die EZB wolle mittels eines digitalen Euro das Bargeld abschaffen, keine rechtliche Grundlage hat. Und zum Zweiten wird damit einer weiteren Vermutung – die EZB werde mithilfe eines digitalen Euro die Zinsen tiefer in den negativen Bereich treiben – die ökonomische Machbarkeit entzogen: Da Banknoten nicht nur Zahlungsmittel, sondern auch Wertspeicher sind, konkret ewig laufende Null-Coupon-Anleihen der Zentralbank, könnten Bürgerinnen und Bürger stets auf Bargeld ausweichen, sollte die Verzinsung der digitalen Option unter der Nulllinie liegen.

Technologieagnostisch

Der digitale Euro soll die Gemeinschaftswährung fit machen für das digitale Zeitalter. Auch wenn es verlockend erscheint, geht es dabei nicht darum, die innovativste Technologie ausfindig zu machen, an die sich dann Geldpolitik oder Zahlungsverkehr anzupassen hätten. Vielmehr werden die technischen Lösungen zum Zuge kommen, die den digitalen Euro als attraktives Zahlungsmittel für Menschen und Firmen am besten ermöglichen und gleichzeitig die Funktionen unterstützen, die eine Kompatibilität mit den Aufgaben der Geldpolitik sicherstellen.