Christian Schäfer, Upvest

Upvest hat vor erstem Launch Europa im Blick

Das Start-up Upvest hat eine Investment-Schnittstelle für Finanzdienstleister entwickelt. Der Launch mit dem ersten Kunden steht kurz bevor. Im Gespräch skizziert Managing Director Christian Schäfer die Pläne und Strategien des Fintechs.

Upvest hat vor erstem Launch Europa im Blick

Von Franz Công Bùi, Frankfurt

Das Berliner Start-up Upvest bietet eine API-Infrastruktur im B2B-Bereich, unter anderem für das Thema Embedded Finance. Zielgruppe sind Fintechs, etablierte Finanzinstitute sowie auch Assetmanager. Mit seiner Investment-Schnittstelle positioniert sich das 2017 von Martin Kassing gegründete Jungunternehmen als Enabler für Fintechs sowie für Unternehmen darüber hinaus.

Hierfür wurde ein Core-Banking-System auf einer Cloud-Architektur mit Micro-Services entwickelt, „mit dem wir auf Endnutzer-Ebene den kompletten End-to-End-Prozess darstellen. Wenn ein Endnutzer ein Depot bei einem Fintech eröffnet und das Unternehmen möchte in Zukunft zum Beispiel neben dem Crypto-Custodian-Geschäft auch verbriefte Wertpapiere anbieten, stellen wir dafür eine API-Infrastruktur zur Verfügung“, erklärt Christian Schäfer, Managing Director sowie Head of Brokerage & Banking bei Upvest, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Dahinter gelagert seien dann einzelne Use Cases von Marktdaten-Versorgung, regulatorischen Informationen, Nominalorders, Sparplänen, Direktanbindung an die Börsenplätze, Payment-Prozessen sowie auch Jahresend-Reportings beziehungsweise das komplette Steuer-Processing auf Endkundenebene.

Fünf BaFin-Lizenzen

Gestartet als Blockchain-Start-up hat Upvest im April für ihr „Investment as a Service“-Produkt von der Finanzaufsicht BaFin fünf Lizenzen erhalten, beispielsweise für Wertpapierhandel und Kryptoverwahrung. Mit diesen Lizenzen kann das Start-up über seine Investment-API seinen B2B-Kunden Zugang zu Verwahrlösungen und Anlageklassen wie Aktien, ETFs oder Kryptowährungen bieten, indem diese die Upvest-Produkte in das eigene Endkundenangebot integrieren und nicht eine eigene Trading- und Verwahrlösung entwickeln müssen.

Perspektivisch sollen die sofortige Einrichtung eines Anlagekontos sowie maßgeschneiderte und automatisierte Sparpläne oder Portfolios aus ETFs, Aktien und Kryptowährungen bis hin zu innovativen Anlageformen wie Fractional- oder Micro Investing möglich sein.

Vorletztes Jahr sei der Antrag für Kryptoverwahrung gestellt worden, um Dienstleistungen als Crypto Custodian anbieten zu können. Im März dieses Jahres habe die Upvest GmbH die offizielle Kryptolizenz erhalten, um sowohl Kryptowährungen als auch Kryptowertpapiere anzubieten. Das Geschäftsmodell sei jedoch im vergangenen Jahr erweitert worden: „Nicht weg aus dem Kryptobereich, sondern mehr in das etablierte Geschäft hinein.“

Vor Jahresfrist sei eine Lizenz als Wertpapierinstitut, vormals Wertpapierhandelsbank, gestellt worden, um als Finanzkommissionär tätig zu werden und Depotgeschäft für Endkunden anzubieten, führt Schäfer aus: „Die jetzt erteilte Lizenz beinhaltet zum einen den Erlaubnistat­bestand des Finanzkommissionsgeschäfts, so dass wir im eigenen Namen für fremde Rechnungen Wertpapiere handeln und abwickeln können. Ein weiterer Teil ist die Anlage-Abschluss-Vermittlung, die wir den B2B-Kunden als Haftungsdach anbieten können. Außerdem bieten wir über die Erlaubnis des Eigenhandels Use Cases wie Saving Plans oder Fractional Business an, um wirklich auch diesen kleinstteiligen Bereich investierbar zu machen.“ Und daneben gebe es das ebenfalls wichtige Depotgeschäft.

Angesichts der Gemengelage aus niedrigen Zinsen, steigender Inflation und Bedarf an Altersvorsorge öffnen sich Verbraucher auch Anlageprodukten wie ETFs und Kryptowährungen. Und die Generation der Millennials etwa orientiert sich zunehmend an verbraucherfreundlichen Angeboten wie etwa von Neobrokern wie Trade Republic oder Robinhood. Doch auch die großen Investmentplattformen müssen das rasante Nutzerwachstum und die Bereitstellung neuer Angebote zumeist mit manuellen Prozessen stemmen. Upvest will hier ihren B2B-Kunden – auch solchen ohne eigene Banklizenz – die Möglichkeit bieten, über Prozessautomatisierung und individuell anpassbare Schnittstellen etwa die Onboarding-Zeit für neue Kunden zu verkürzen und Investitionen sofort zu verwirklichen.

Für die Plattform hat Upvest Kooperationsvereinbarungen mit verschiedenen Partnern getroffen, die im Hintergrund Daten und Dienste zuliefern, allesamt „Platzhirsche in ihrem jeweiligen Segment“, wie Schäfer betont: „So etwa mit Tradegate Exchange, einer der größten Retailbörsen in Europa.“ Daneben fungiere der WM Datenservice (ein Unternehmen der WM Gruppe, die auch die Börsen-Zeitung herausgibt) als Referenz-Static-Data-Anbieter. Auf der Payment-Seite werde mit ABN Amro kooperiert, etwa für das Pooling-/Escrow-Account-Setup.

„Platzhirsche“ als Partner

Zudem sei mit BNP Securities Services der größte Custodian in Europa an Bord. Hier gebe es indes „nur“ ein Omnibus-Setup: „Alles, was wir für unseren B2B-Client über die API-Schnittstelle anbieten, also das Endkunden-Processing, findet auf unserer Seite statt.“ Im ersten Schritt sei keine direkte CSD-Anbindung (Central Securities Depository) an Clear­stream eingerichtet worden, sondern hier werde auf die BNP zurückgegriffen. Ein Vorteil sei hierbei, dass Upvest damit Zugriff auf weitere Märkte und Assetklassen habe. Es gebe also nur den einen Counterpart auf der Custodian-Seite.

Das Einzige, was Schäfer zufolge im Upvest-System nicht abgedeckt werde, sei das Thema Abgeltungsteuer-Engine. Das habe eine zu hohe Komplexität, um es im ersten Schritt komplett selbst zu entwickeln. Hier werde auf ein etabliertes System zurückgegriffen, für das die CPB Software AG eine Standardschnittstelle entwickelt hat.

Nachdem das Projekt vor etwa 15 Monaten gestartet sei, stehe der Launch mit dem ersten Robo-Advisor im Mai zeitnah bevor. Die Strategie sehe vor, mit Wealthmanagern, die kleinere Portfoliostrategien via ETFs covern, zu starten. Da müsse man direkt etwa 500 ETFs voll automatisiert bedienen, samt Abwicklung und Execution. Darauf aufbauend sollen dann weitere Assetklassen dazukommen, Krypto, Equities, Bonds etc., um das auch Neobrokern oder Neobanken anzubieten.

Denkbar seien auch Angebote über den Finanzdienstleistungsbereich hinaus, etwa Cashback-Modelle im Einzelhandel, bei denen zum Beispiel die Cashback-Summe eins zu eins in die Aktie des jeweiligen Unternehmens oder in einen ETF angelegt würde. Damit könnten auch komplett neue Zielgruppen für diese Häuser erschlossen werden, so dass diese auch näher an die B2C-Customer herankommen.

In der Pipeline gebe es mittelgroße, große und sehr große B2B-Clients. Vorverträge, Verträge oder LOIs mit einzelnen Partnern seien abgeschlossen, könnten aber jetzt noch nicht genannt werden. Es gehe erst mal um die größten Wealthmanager in Deutschland und auch die größten Fintech-Unternehmen in Europa. Zu den Upvest-Konkurrenten zählen die Solarisbank oder Lemonmarkets, die dem Vernehmen nach ähnliche Brokerage-as-a-Ser­vice-Angebote entwickeln. Doch im paneuropäischen Markt sieht Schäfer – Stand heute – keine Wettbewerber, die eine API-Infrastruktur komplett in einem Fullstack anbieten, also mit eigenem Corebanking-System, eigener Anbindung an eine Börse, eigenem Custody-Account. Alle bisherigen API-Infrastrukturen, die es am Markt gebe, würden auf etablierte Banksysteme und etablierte Custodians aufsetzen. Im End-to-End-Ansatz von Upvest würden hingegen die Prozesse nicht in einzelnen Streams gedacht, sondern immer komplett von Anfang bis Ende, so dass eine Order von dem Punkt der Orderaufgabe bis zum Settlement komplett über deren Corebanking- System dargestellt werden könne.

Perspektivisch sei auch angedacht, illiquide Assets wie etwa Immobilien über den Weg der Tokenisierung in liquide Assets zu transformieren. Aber dieses Ziel werde nicht mehr im laufenden Jahr erreicht, sondern eher im nächsten oder übernächsten Jahr. Technisch sei Upvest dazu perspektivisch in der Lage, doch regulatorisch könne man tokenisierte Wertpapiere derzeit nicht liquide handeln. Aber wenn das irgendwann aufsichtsrechtlich möglich wäre, hätte Upvest eine Lösung mit einem Marketmaker in der Hinterhand.

Ziel sei es, in wenigen Jahren mehrere Milliarden Euro an Kundengeldern über die Plattform zu verwalten. Bei der Upvest Security, die nun als Wertpapierinstitut Finanzkommission, Depotgeschäft, Eigenhandel erbringen werde, werde nun mit dem ersten Kunden gestartet, dementsprechend gebe es derzeit noch keine Assets under Management.

Es gebe unterschiedliche Gebührenmodelle, um es dem B2B-Kunden kostenkalkulationsseitig so einfach wie möglich zu machen, erklärt Schäfer: „Die Revenue Streams der Upvest sind Basispunkte je nach Assets under Custody und Handelsvolumen. Bei den bestehenden B2B-Angeboten von etablierten Dienstleistern gibt es Preiskataloge, die auf eine Vielzahl von Gebührenparametern zurückgreifen. Wir haben hier einen einfachen modularen Ansatz entwickelt.“ Auf der Revenue-Seite gebe es ein entsprechend einfaches Modell, das auch skalierbar sei. „Wir kennen das aus anderen Modellen, dass es dann doch viele versteckte Kosten gibt, beispielhaft pro Überträge- oder Corporate-Action-Verarbeitung, wo es für den B2B-Client dann doch schwierig wird, das zu kalkulieren“, führt Schäfer weiter aus.

20 Mill. Euro eingeworben

Zu den Investoren nach der vor einem Jahr absolvierten Serie-A-Finanzierunsgrunde gehören neben den Risikokapitalfirmen Earlybird, HV Capital, Notion Capital, ABN Amro Ventures, Speedinvest und Partech auch die Fintech-Gründer Maximilian Tayenthal (N26) und Felix Haas (IDnow) sowie Reiner Mauch, Mitgründer der Consorsbank. Insgesamt seien rund 20 Mill. Euro eingeworben worden. Doch was Angaben zur Bewertung angeht, möchte sich Upvest zurückhalten. Das Fintech sei dabei, weitere Kapitalrunden auch mit Bestandsinvestoren zu machen. Und dann werde es dazu Bewertungen geben, die auch veröffentlicht werden.

Stand heute gibt es laut Schäfer keine IPO-Pläne. Das heiße nicht, dass es in ein paar Monaten nicht anders sein könne. Aber jetzt werde erst das System at Scale aufgebaut, um den europäischen Markt anzugehen. Dazu soll auch die Mitarbeiteranzahl, die Ende 2020 noch 40 betrug, von derzeit 90 auf 150 bis Ende des Jahres gesteigert werden.

Die Strategie sei von vornherein auf Europa angelegt. Upvest möchte aus Deutschland heraus über das EU-Passporting­ den europäischen Markt erschließen. Parallel werde auch der UK-Markt, der ja nicht mehr zur EU gehört, dahingehend analysiert, inwieweit über weitere Lizenzen auch dieser Markt im nächsten Jahr anvisiert werden könne.

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