Liquiditäts-Krise

Atempause bei Evergrande

Im Krimi um Evergrande atmen Chinas Investoren vorerst auf. Die Marktteilnehmer schöpfen Hoffnung, dass der Immobilienriese einer unmittelbaren Pleite entgeht.

Atempause bei Evergrande

nh Schanghai

In der Krise um den chinesischen Immobilienentwickler China Evergrande schöpfen die Marktteilnehmer neue Hoffnung. Entsprechend kam es am Donnerstag zu einem ersten Wiederaufbäumen der Evergrande-Aktie sowie kräftigen Kursgewinnen bei anderen an der Hongkonger Börse notierten chinesischen Immobilienentwicklern. So sprang die Evergrande-Aktie um 17,6% an, während andere führende Immobilienwerte wie China Country Garden und Sunac China Holdings zwischen 7 und 9% zulegten.

Entscheidend für die momentane Marktberuhigung ist eine „Feuerwehraktion“ der chinesischen Zentralbank, die zum dritten Mal binnen einer Woche mit kurzfristigen Offenmarktgeschäften Liquidität einbrachte und einer Verspannung der Interbankenzinsen entgegenwirkte. Am Donnerstag wurden via Reverse Repos 110 Mrd. Yuan (14,3 Mrd. Euro) in den Geldkreislauf injiziert, was die größte Liquiditätsspritze seit Januar bedeutet. Insgesamt summieren sich die Geldmarkteinschüsse der People’s Bank of China (PBOC) auf eine Rekordsumme für einen einwöchigen Zeitraum von umgerechnet 43 Mrd. Euro. Damit setzt die PBOC ein Zeichen, dass sie sich mit Vehemenz gegen jedwede Anzeichen für Panik am chinesischen Geld- und Kreditmarkt stemmt, um eine breitere Finanzkrise im Keim zu ersticken.

Für Entlastung sorgen auch neue Hinweise darauf, dass Chinas Finanzregulatoren im Hintergrund massiv auf Evergrande einwirken, um dafür zu sorgen, dass der Immobilienriese bis auf weiteres Zahlungsausfälle mit besonders marktschädigender Wirkung verhindert. Dazu gehört die laufende Bedienung von Zinskupons auf Evergrande-Anleihen und die Auszahlung von chinesischen Privatanlegern, die bei Investmentprodukten von Evergrande engagiert sind. Gleichzeitig haben eine Reihe von chinesischen Banken mit hohem Exposure gegenüber Evergrande mitgeteilt, dass sie Kreditstundungen vornehmen können, weil ihre Darlehen an Evergrande ausreichend besichert sind und keine Klumpenrisiken vorliegen.

Am Bondmarkt konnte Evergrande die Gemüter insofern beruhigen, als ein förmlicher Zahlungsausfall (Default) für am Donnerstag fällige Zinskupons auf Yuan- wie auch Dollaranleihen vermieden wurde. Evergrande hatte für den Yuan-Bond zwar keine Zahlung bei der Clearingstelle eingehen lassen, aber eine separate Regelung mit den chinesischen Bondinvestoren getroffen. Auch die Dollaranleihe wurde am Donnerstag nicht bedient, doch greift hier eine 30-tägige „Gnadenfrist“, bevor es zu einem marktwirksamen Default-Ereignis kommt.

Zwar lässt die chinesische Regierung bislang jedwede Bereitschaft zu einer Auffangaktion mit staatlichen Mitteln vermissen, doch setzt sich im Markt die Auffassung durch, dass Peking längst einen Plan aufgestellt hat, der auf ein geordnetes Restrukturierungs- bzw. Umschuldungsverfahren hinausläuft, mit dem Evergrandes immenses Wohnungsbauprojektvolumen weitergeführt werden und ein Knall am Immobilienmarkt verhindert werden kann.

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