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Automobilsektor trotzt der Pandemie

Von Frank Biller *) Börsen-Zeitung, 10.12.2020 Als konjunktursensible Branche hat die Automobilindustrie besonders stark unter dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie gelitten. So stürzte der weltweite Automobilabsatz im zweiten Quartal um 31 % ab....

Automobilsektor trotzt der Pandemie

Von Frank Biller *)Als konjunktursensible Branche hat die Automobilindustrie besonders stark unter dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie gelitten. So stürzte der weltweite Automobilabsatz im zweiten Quartal um 31 % ab. Damit gingen massive Umsatzeinbrüche von durchschnittlich einem Drittel sowie hohe Verluste einher. Entsprechend überdurchschnittlich fiel die Reaktion bei Autobonds im Vergleich zu nichtzyklischen Branchen aus. Von Anfang Februar bis Anfang April, dem Hochpunkt der ersten Corona-Welle, weitete sich der Asset Swap (ASW) des iBoxx Non-Financials um 120 auf 190 Basispunkte (BP) aus. Heftiger traf es die Autobranche mit einer Ausweitung im ASW iBoxx Autos um 220 BP auf rund 320 BP. Mit der anziehenden Automobilkonjunktur – beginnend in China bereits ab April – beruhigte sich die Situation und die Spreads engten sich wieder ein.Da die Unternehmen ihre Geschäftsstrategien frühzeitig auf Krisenmodus umgestellt hatten, fielen die freien Cash-flows robust aus. Der Fokus lag dabei vor allem auf der Liquiditätssicherung mit einer Kürzung der Investitionen und der Zurückhaltung bei den Dividendenzahlungen. Zudem wurden die Sparanstrengungen intensiviert. Mit den nahezu stabilen Automobilabsätzen im dritten Quartal erholte sich die Branche deutlich schneller als erwartet.Besonders der chinesische Automobilmarkt entwickelte sich mit einem Anstieg der Fahrzeugverkäufe um rund 11 % positiv. Der Umsatz der Autobranche lag nur noch rund 5 % unter dem Vergleichsquartal und die Ebit-Marge verbesserte sich nach unserer Berechnung von durchschnittlich -3,5 % im zweiten auf rund 7,1% im dritten Quartal 2020 und lag damit überzeichnet von entlastenden Effekten wie Kurzarbeitergeld oder niedrigeren Rohstoffkosten sogar über dem Vorjahresniveau von 6 %. Dies wirkte sich auch auf die Liquiditätskennzahlen positiv aus. So stiegen bei BMW, Daimler und Volkswagen die freien Cash-flows des Automobilgeschäftes im dritten Quartal kumuliert auf rund 14 Mrd. Euro gegenüber – 2 Mrd. Euro im zweiten Quartal. Die Nettoliquidität wuchs um knapp 10 Mrd. Euro auf rund 38 Mrd. Euro. Spreads auf VorkrisenniveauZwischenzeitlich liegen die Spreads mit knapp 70 BP im iBoxx Non-Financials bzw. rund 95 BP beim iBoxx Autos wieder auf dem Vorkrisenniveau. Unverändert notieren die Spreads des Automobilsektors dabei am höchsten gefolgt von der Öl- und Gasbranche mit rund 80 BP.Die Ratingagenturen reagierten rasch auf das eingetrübte Marktumfeld. Bis Mitte des Jahres wurden mehr als die Hälfte der Automobilunternehmen um eine oder teilweise gar zwei Stufen heruntergestuft. Berücksichtigt man zusätzlich die gesenkten Ausblicke, waren sogar rund 80 % der Unternehmen von Ratingmaßnahmen negativ betroffen. Mit der Marktberuhigung und der anziehenden Fahrzeugnachfrage in Verbindung mit den guten Quartalszahlen hat der Ratingdruck nachgelassen, obgleich die meisten negativen Ausblicke der Automobilunternehmen noch nicht zurückgenommen wurden. Im dritten Quartal kam es bei den 21 im iBoxx Autos vertretenen Unternehmen bisher nur zu zwei Herabstufungen, namentlich bei Harley-Davidson und Robert Bosch.Die konjunkturellen Entwicklungen in Verbindung mit den jüngst berichteten Zahlen für das dritte Quartal sowie den zuversichtlichen Erwartungen der Unternehmen geben Anlass, den Automobilsektor wieder positiver zu sehen. Zwar sind die Risiken wie eine Verschärfung durch die zweite Corona-Welle, konjunkturelle Rückschläge, insbesondere im Schlussquartal des Jahres, oder anhaltende Störungen des Welthandels nicht auszuschließen. Auch der langfristige Transformationsprozess der Branche wird die Ergebnisse belasten. Diese Herausforderungen spiegeln sich unseres Erachtens jedoch in den zwischenzeitlich erreichten Spreadlevels, was Autobonds jetzt wieder interessant macht. Sektor mit höchster CarryDer Automobilsektor bietet mit einer Rendite von rund 0,4 % gemeinsam mit dem Öl- und Gassektor die höchsten Aufschläge gegenüber der Gesamtindex-Rendite von rund 0,25 %. Mit einer kurzen Duration von 4,5 Jahren gegenüber 5,9 Jahren im iBoxx Non-Financials haben die Autobonds die höchste Carry mit einem geringeren Risiko bei steigenden Zinsen der Bundesanleihen. Das Rendite-Aufwärtspotenzial und damit das Kursrisiko der Bonds wird zusätzlich durch den verstärkten Ankauf von Corporates durch die Notenbank begrenzt. Gleichzeitig sehen wir einige Gründe für eine positive Einschätzung des Automobilsektors für Credit-Investoren. Allen voran ist die Industrie weiter auf dem Weg der Besserung. So lag die Industrieproduktion im Oktober nur noch rund 5 % unter dem Vorkrisenniveau. Der Index der monatlichen Neuaufträge für das verarbeitende Gewerbe stieg im selben Monat auf 103,4 und lag damit schon wieder über dem Stand vom Februar (102,6) – dem letzten “normalen” Monat vor Ausbruch der Pandemie.Die weltweiten Automobilverkäufe dürften 2020 um rund 15 % sinken und damit deutlich weniger als noch Mitte des Jahres mit rund 20 % befürchtet. Die Lieferketten sind derzeit stabil und der Auftragseingang liegt auf gutem Niveau. So erwarten wir für 2021 einen Anstieg des weltweiten Automobilabsatzes um rund 10 %. Damit wären bereits rund zwei Drittel des Absatzeinbruchs wieder aufgeholt. Da sich die Unternehmen in der Krise mit Anpassungsmaßnahmen auf niedrigere Volumina eingestellt und ihre Break-even deutlich abgesenkt haben, dürften die Jahresergebnisse und Free Cash-flows 2021 auf breiter Front steigen und damit eine Verbesserung der Kreditqualität mit weiter nachlassendem Ratingdruck einhergehen.Mit rund zwei Dritteln haben die auf Euro lautenden Bonds von BMW, Daimler und Volkswagen den höchsten Anteil am iBoxx Autos, der wiederum für rund 10 % des Gesamtmarktes steht. Volkswagen ist dabei mit rund 3,1 % bzw. einem Gesamtvolumen von rund 50 Mrd. Euro ein Schwergewicht.Während BMW und Daimler seit Jahresanfang von Herabstufungen betroffen waren, lag die Einstufung von Volkswagen bis auf einen negativen Ausblick stabil. Dies lag vor allem an der robusten Entwicklung der Geschäftszahlen sowie der erfolgreichen Ausgabe einer 3 Mrd. Euro schweren Hybridanleihe im zweiten Quartal. Zudem wurde der Dividendenvorschlag von rund 3,3 Mrd. Euro auf 2,4 Mrd. Euro zurückgenommen.Gegenüber Daimler in derselben Ratingklasse und BMW mit einem besseren Rating liegen die Spreads von Volkswagen höher. Die ausstehenden VW-Bonds notieren derzeit über der Marktkurve BBB und bieten damit hohe Renditen gegenüber vergleichbaren Bonitäten. Auch die ausstehenden Hybridanleihen mit Renditen von bis zu 2,8 % erscheinen attraktiv. Risikobewusste Investoren, die in der momentan sehr fragilen Marktlage zunächst abwarten möchten, könnten aber im neuen Jahr bei erwarteten Neuemissionen einen genaueren Blick auf einen Einstieg wagen. *) Frank Biller ist Senior Analyst für Automotive im Corporates Research der LBBW.