Evergrande

Chinas Lehman-Moment?

Vieles an den Turbulenzen rund um den finanziell angeschlagenen Immobilienriesen Evergrande erinnert an den Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008. Doch es gibt entscheidende Unterschiede.

Chinas Lehman-Moment?

Die drohende Zahlungsunfähigkeit des chinesischen Immobiliengiganten China Evergrande ist in mancherlei Hinsicht mit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 zu vergleichen. Evergrande kommt auf Verbindlichkeiten von insgesamt umgerechnet 313 Mrd. Dollar, das sind nicht weniger als rund 2% des chinesischen Bruttoinlandsproduktes. Dem Vernehmen nach steht die immer wieder mit einem Schneeballsystem verglichene Evergrande bei mehr als hundert chinesischen Banken und bei einer Vielzahl von chinesischen Privatanlegern in der Kreide.

Auch internationale Anleger sind betroffen, Evergrande ist der größte asiatische Emittent von High-Yield-Dollar-Bonds, derzeit mit einem ausstehenden Volumen von rund 19 Mrd. Dollar. Damit stellt sich die Frage, ob die Gefahr besteht, dass in Parallele zum Fall Lehman Brothers gar eine neue internationale Finanzkrise ausgelöst werden könnte. Denn wie bei Lehman wird für möglich gehalten, dass eine Vielzahl anderer Player aus dem Immobilien- und dem Finanzsektor in Mitleidenschaft gezogen werden und kollabieren könnte. Insgesamt hat der chinesische Immobiliensektor Schulden von 4,7 Bill. Dollar.

Nach einer internationalen Finanzkrise sieht es derzeit aber nicht aus, denn die von Evergrande bei internationalen Investoren über Offshore-Bonds aufgenommenen Mittel reichen dafür kaum aus. Und der gesamte chinesische Immobiliensektor hat sich nur zu 4,5% über den Offshore-Bondmarkt finanziert.

Auch wenn in Peking wohl nicht daran gedacht wird, das Unternehmen mit Staatsgeldern zu retten, ist damit keineswegs gesagt, dass es zu einem unkontrollierten Zusammenbruch von Evergrande kommen muss, der zweifellos innerhalb Chinas deutlich spürbare Auswirkungen zeigen würde. Aktuell ist die People’s Bank of China in der Sache im Finanzsektor stark involviert, und es sollte auch nicht übersehen werden, dass China Evergrande ganz im Gegensatz zu Lehman über zahlreiche werthaltige Assets verfügt, die losgeschlagen werden können – was letztlich der Hauptgrund für die Zurückhaltung der Regierung ist, die zudem im Gegensatz zur Situation in vielen westlichen Ländern in der Lage ist, das Banken- und Finanzsystem des Landes zu kontrollieren.

Und wenn China derzeit im Allgemeinen bestrebt ist, aus seinen aufgeblähten und unproduktiven privatwirtschaftlichen Wirtschaftssektoren die Luft abzulassen, dürfte das dem Land auf längere Sicht nur gut tun.

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