Derivate

Derivate­mythen lassen sich einfach entkräften

Die Emittenten von Aktienanleihen, Optionsscheinen und Zertifikaten sind vielen Vorurteilen ausgesetzt. Dabei ist es gar nicht so schwer, einige der größten Missverständnisse auszuräumen.

Derivate­mythen lassen sich einfach entkräften

Immer wieder sehen sich Derivate­emittenten dem Vorwurf ausgesetzt, von Verlusten ihrer Kunden zu profitieren. Auch wenn sich dieser Mythos hartnäckig hält, sieht die Realität anders aus.

Bei der Emission von Optionsscheinen sowie bei Hebelzertifikaten und Anlagezertifikaten versucht die ausgebende Bank, ihr Risiko möglichst gering zu halten. Vereinfacht gesagt geht der Emittent deshalb genau zu dem Zeitpunkt ein Absicherungsgeschäft (Hedge) ein, zu dem der Kunde ein Derivat von ihm erwirbt. Kauft der Anleger z. B. ein Long-Turbozertifikat, beschafft sich der Derivatehändler die zugrundeliegenden Aktien. Gewinnt die Aktienposition an Wert, betrifft dies auch das Zertifikat, welches der Emittent dann zu einem höheren Preis zurücknehmen muss, und vice versa. Sobald der Investor seinen Optionsschein an die ausgebende Bank zurückgibt, wird diese ihren Hedge wieder auflösen.

In der Praxis wird dabei natürlich nicht jede Position einzeln betrachtet. Da sich die verschiedenen Risiken beim Derivatehandel zum Teil kompensieren, gleicht der Emittent lediglich die Risikospitzen aus. Das Ziel, sich möglichst risikoneutral aufzustellen, gilt aber weiterhin. Er profitiert damit in keiner Weise von den Verlusten seiner Kunden. Ganz im Gegenteil ist er sogar daran interessiert, dass die Anleger mit seinen Produkten Gewinne erzielen. Nur in diesem Fall werden Derivatekäufer dem Optionsschein- und Zertifikatemarkt insgesamt und damit auch den Produkten des jeweiligen Emittenten treu bleiben. Ohne zufriedene Kunden, die mit ihren Transaktionen langfristig Geld verdienen, lassen sich keine Geschäfte machen. Außerdem ist der Mythos, dass Quotierungsaussetzungen im Interesse des Emittenten liegen, noch immer weit verbreitet. Als sogenannte Marketmaker stellen die Emittenten unter gewöhnlichen Bedingungen regelmäßig An- und Verkaufskurse für die von ihnen begebenen Wertpapiere. In seltenen Fällen kann es aber dazu kommen, dass die Anbieter den Handel in ihren Produkten temporär oder dauerhaft aussetzen. Gründe hierfür sind neben technischen Störungen (z. B. Hard- oder Softwareprobleme) unter anderem die fehlende Handelbarkeit des Basiswertes oder extreme Kursveränderungen, deren Ursachen auch zum Schutz der Anleger zu­nächst überprüft werden müssen, um stets marktgerechte Preise stellen zu können.

Notwendige Aussetzung

In all diesen Fällen setzen die Emittenten den Handel nicht „böswillig“ zu ihrem eigenen Nutzen aus, wie Kritiker bisweilen behaupten, sondern notgedrungen. So hat der Derivateanbieter ein grundsätzliches Interesse an einem störungsfreien Handel ohne Aussetzer. Jede Handelsunterbrechung bedeutet Einnahmeausfälle und ist zusätzlich mit einem Imageschaden für den Emittenten verbunden. Im hochkompetitiven Derivatemarkt kann jede Schwäche bei der Handelsstabilität und -qualität zu einem Abwandern der anspruchsvollen Kunden zu einem Mitbewerber führen. Aufgrund der oben beschriebenen neutralen Risikopositionierung („der Emittent profitiert explizit nicht von etwaigen Verlusten des Kunden“) hat die ausgebende Bank auch keinen Nutzen davon, Verkaufsaufträge ihrer Kunden in fallenden Märkten hinauszuzögern, auch wenn diesbezügliche Behauptungen bei Crashs mit extremen Schwankungen und sehr hohem Handelsaufkommen immer am lautesten vorgebracht werden.

Zudem werden Derivate häufig als Finanzprodukte wahrgenommen, die ausschließlich von „Zockern“ genutzt werden. Dabei weisen viele Derivatestrukturen wie beispielsweise Aktienanleihen, Bo­nus-, Discount-, Express- oder Kapitalschutz-Zertifikate deutlich geringere Anlagerisiken auf als die Aktien, auf die sie sich beziehen. Dem wird von fachkundigen­ Kritikern auch nicht ernsthaft widersprochen. Da die genannten Produkte ihre komparativen Wettbewerbsvorteile gerade in Seitwärtsmärkten und bei leicht fallenden Kursen des Basiswertes ausspielen, sorgen sie zudem für eine Renditeverstetigung des Gesamt­depots und tragen damit zur Reduzierung des Portfoliorisikos bei. Der Mythos kann sich also schon sachlogisch nur auf Hebelprodukte beziehen.

Risikoreduktion

Aber auch auf Optionsscheine, Turbos und Mini-Futures trifft er nicht zu. In ihrer Short-Variante können sämtliche der genannten Produkte dazu eingesetzt werden, einzelne Positionen oder das Portfolio als Ganzes teilweise oder vollständig gegen Verluste abzusichern. In dem Fall reduzieren sie sogar das Risiko für den Anleger. Aber auch der Kauf von Hebelprodukten zu Spekulationszwecken ist nicht grundsätzlich mit Zockerei gleichzusetzen. Vielmehr können Calls und Turbos long von gut informierten Anlegern auch zur Renditesteigerung oder als Substitut für eine Aktienposition verwendet werden, wobei der Hebeleffekt eine deutlich geringere Gesamtposition notwendig macht.

Wichtig ist dabei allerdings, dass die Produkte sachgemäß und entsprechend der eigenen Risikoneigung eingesetzt werden. Dies gilt insbesondere für Turbozertifikate und Hebelzertifikate. Käufer sollten sich zudem stets auf solche Derivate beschränken, bei denen sie sich über die Funktionsweise sowie die Einflussfaktoren auf die Preisbildung und das Anlagerisiko eindeutig im Klaren sind. Viele Emittenten sowie der Deutsche Derivate Verband (DDV) stellen auf ihren Websites dazu umfangreiches Informationsmaterial zur Verfügung und bieten kostenlose Webinare und Schulungen an. Denn am Ende des Tages kommt ein ausgeprägtes Derivatewissen nicht nur den Anlegern selbst zugute, sondern liegt auch im Interesse der Produktanbieter.