Deutsche Bank erwartet Zeitalter der Unordnung

Verschärfter US-Konflikt mit China als prägender Faktor für Märkte - Entscheidendes Jahrzehnt für Europa

Deutsche Bank erwartet Zeitalter der Unordnung

xaw Frankfurt – Der Beginn eines neuen ökonomischen Super-Zyklus mit schwerwiegenden Auswirkungen für verschiedene Assetklassen steht nach Ansicht der Deutschen Bank kurz bevor. Das Ende der 1980 begonnenen zweiten Ära der Globalisierung habe sich durch die Corona-Pandemie beschleunigt. Nun starteten die Weltwirtschaft und die Märkte in ein “Zeitalter der Unordnung”. Sechster großer ZyklusDieses stelle den sechsten großen ökonomischen Super-Zyklus in den vergangenen 160 Jahren dar. Der erste sei eine Ära der Globalisierung zwischen 1860 und 1914 gewesen, die sowohl am Aktien- als auch am Bondmarkt eine starke Performance bedingt habe. Im Zeitalter der großen Kriege und der Depression seien die Entwicklungen der Renditen am Aktien- und Bondmarkt dann auseinandergelaufen, auf Anleiheseite sei dabei eine große Menge an Kapital ausgelöscht worden. Nach der Ägide des Bretton-Woods-Systems und der darauffolgenden hohen Inflation in den 1970er Jahren hätten sowohl Aktien- als auch Bondinvestoren seit den 1980er Jahren wieder hohe adjustierte Gewinne eingefahren. In 15 ausgewählten Industrienationen hätten die kombinierten Preisniveaus beider Assetklassen im laufenden Jahr den höchsten Stand seit mindestens 1860 erreicht.Das nun bevorstehende neue Zeitalter werde vor allem vom sich verschärfenden geopolitischen Konflikt zwischen den USA und China geprägt. Dieser werde durch den zu erwartenden Aufstieg der Volksrepublik zur vorherrschenden Wirtschaftsmacht und das Bestreben der USA, den Rivalen in eine ökonomische Ordnung amerikanischer Prägung einzuordnen, getrieben. In der Folge seien mehr Zölle und Kapitalkontrollen zu erwarten – zudem werde der globale Technologietransfer in der Folge erschwert. Sowohl Washington als auch Peking dürften darum ringen, Verbündete für sich zu gewinnen und zu beeinflussen.Die Strategen des Geldhauses erwarten zudem ein Wettrüsten – ein offener militärischer Konflikt der beiden Mächte sei zwar unwahrscheinlich, aber immerhin möglich. Auch ein demokratischer Sieg bei den an den Börsen mit Spannung erwarteten US-Präsidentschaftswahlen werde eine Zuspitzung des Streits nicht verhindern können. Gegenüber dem Kalten Krieg bestünden dabei entscheidende Unterschiede: So sei China deutlich stärker in die Weltwirtschaft integriert als der vorherige US-Gegenpol, die UdSSR. Seit China 2001 in die Welthandelsorganisation aufgenommen worden sei, habe das Land dank der umfangreich vorhandenen günstigen Arbeitskraft hohe Zuflüsse ausländischen Kapitals verzeichnet. Zugleich habe sich der Anteil der Volksrepublik an den weltweiten Exporten vervierfacht.Im Konflikt der ökonomischen Supermächte seien die Auseinandersetzungen auf technologischer Seite ein besonders entscheidender Punkt. So könne eine technologische Mauer entstehen, die eine nur äußerst geringe Interoperabilität zwischen rivalisierenden Internetplattformen, Satellitennetzwerken, Telekom-Infrastrukturen und Bezahlsystemen zulasse. Staaten und Unternehmen dürften daher gezwungen sein, sich auf eine Seite zu schlagen oder zwei verschiedene Kommunikations- und Netzwerkstandards zu verwenden.Auch für die EU-Volkswirtschaften und ihre Börsen drohten daher weitreichende Folgen. Zudem sorge die Coronakrise dafür, dass Europa ein schicksalhaftes Jahrzehnt bevorstehe. Die Pandemie habe eine ohnehin schwache wirtschaftliche Lage noch verschlimmert, die Deutsche Bank erwartet einen Einbruch der Eurozonen-Ökonomie um 8,6 % im laufenden Jahr. Die Erholung wird nach Einschätzung der Strategen im Vergleich zu den USA und China nur langsam voranschreiten, in der Zwischenzeit dürften sich die Differenzen zwischen den EU-Mitgliedstaaten ausweiten. Zugleich bestehe das Problem der hohen Staatsschuldenquoten in Europa weiterhin. Auf globaler Ebene dürften die Schuldenniveaus und die Lockerungsprogramme der Notenbanken finanzielle Schocks und Krisen nach Meinung der Deutschen Bank befördern.