China

Die ominöse Welle

Nach zwei Tagen Flucht aus China-Aktien hat es zwei Tage mit fulminanten Zukäufen gegeben. Peking hat die Anleger mit einem geschickt formulierten Statement beruhigt. Nun müssen aber Taten folgen.

Die ominöse Welle

Zwei Tagen kapitaler Flucht aus China-Aktien sind zwei Tage mit fulminanten Zukäufen gefolgt. Die Leitindizes in Hongkong und Schanghai haben sich vom Absturz praktisch voll erholt. Auslöser für die fulminante Wende war einzig und allein ein Regierungsstatement mit verbalen Versprechen zu schwungvollen Konjunkturhilfen, Stabilisierung des Immo­bilienmarkts, geschmeidigerer Coronabekämpfung und freundlicherer Behandlung von Tech-Unternehmen. Garniert wurde es mit einem Grundbekenntnis der Kommunistischen Partei zur Priorisierung der Wirtschaftsentwicklung und einer Art Schwur der Finanzregulierer zur künftig umsichtigen Wahrung von Investoreninteressen.

Fassen wir also zusammen: Chinas Finanzmarktgemeinde scheint wegen Ukraine, Corona, Konjunktur, Tech-Misere und überhaupt in Panik geraten zu sein, aber der gute Hirte in Peking fand die richtigen Worte, um seine Schäfchen zu beruhigen. Ist nun alles wieder im Lot? Es kommt wohl auf die Perspektive an. Aus Sicht der Regierung kann man sich zunächst einmal auf die Schulter klopfen. Es braucht nur ein rhetorisch und marktpsychologisch gekonntes Presse-Statement, um die Börsen sofort wieder auf Kurs zu bringen und ausländisches Kapital bei der Stange zu halten.

Aus Sicht der Marktteilnehmer drängt sich eine andere Logik auf. Peking hat sich mit Handlungsversprechen überraschend weit aus dem Fenster gelehnt und eine völlig unübliche Tonlage gewählt. Statt der gewohnten Mahnungen an Investoren, sich nicht irrational zu verhalten, dringt diesmal ein Anflug von Selbstkritik durch. Man hat vielleicht nicht immer richtig kommuniziert und verpflichtet sich zu mehr Transparenz. Leistet Peking damit eine Art Offenbarungseid, dass man mit all den ideologisch verbrämten Wirtschaftskonzepten und politisch überfrachteten Regulierungsattacken der letzten Monate etwas übertrieben hat, und gelobt nun Besserung?

Für chinesische Anleger ist das eine Sondersituation, auf die es nur einen sinnvollen Handlungsreflex gibt, nämlich: rein ins Getümmel und dann weitersehen. „Buy now, ask later“ nennt man das im Börsenjargon. Wer die prächtige Welle mitnehmen konnte, muss sich nun allerdings fragen, ob da wirklich noch ein paar weitere kommen. Das setzt nämlich voraus, dass den ermutigenden Worten echte Taten folgen. Dazu ist jede Menge Skepsis angebracht. Der nächste sinnvolle Handlungsreflex ist wohl, das kurze Kurserfolgserlebnis mitzunehmen und sich schleunigst aus dem Wasser zu trollen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.