Gastbeitrag

Digitale Investment-Angebote wirken wie eine Demokratisierung der Geldanlage

Digitale Investment-Angebote wirken wie eine Demokratisierung der Geldanlage

Gastbeitrag

Digitale Investment-Angebote demokratisieren die Geldanlage

Von Alexander Koch *)

Privatanleger setzen immer noch auf menschliche Intelligenz, wenn es um Geldanlage geht, schrieb erst vor wenigen Wochen ein großes deutsches Wirtschaftsmedium – aber stimmt das noch? Wer die Entwicklung der vergangenen Jahre beobachtet hat, kommt nicht umhin, genauer hinzuschauen, denn der Kampf um die Kunden hat sich für die etablierten Player durch die FinTech-Anbieter seit vielen Jahren verschärft und wird durch künstliche Intelligenz (KI) weiter angeheizt.

Für Anleger liegen die Vorteile dieser Entwicklung auf der Hand: Digitale Investment-Angebote wirken wie eine Demokratisierung der Geldanlage, und der regelmäßige Gang in die Bankfiliale war schon vor 15 Jahren ein Relikt. Sehr allgemein gesagt kann KI nicht nur uns Asset Managern helfen, Portfolios zu steuern, sondern über einen Robo-Advisor auch Anlegern direkt. Sind die Merkmale zu Risikobereitschaft, Finanzwissen und Anlagehorizont erfasst, wissen wir seit einigen Jahren, dass die KI eines Robo-Advisors ein passendes Kundenportfolio erstellen und verwalten kann.

Dennoch sieht man in der Branche die jüngste Entwicklung kritisch. Vor fünf Jahren vertrauten viele noch darauf, dass in erster Linie Berufsbilder im Back-Office durch die KI bedroht würde, doch der demografische Wandel und eine immer digitaler werdende Nutzergruppe könnte die klassische Anlageberatung schon bald überflüssig machen.

Ein Erklärungsansatz für die rasante Entwicklung liegt vielleicht in der sozialen Natur des Menschen, welche sich auch im Investieren spiegelt. Robert J. Shiller erklärte schon 1989, dass Investitionen in spekulative Anlagen eine soziale Aktivität seien: „Anleger verbringen einen großen Teil ihrer Freizeit damit, über Investitionen zu diskutieren und zu lesen oder über die Erfolge und Misserfolge anderer zu tratschen“. In diesem Zusammenhang hatten gesellschaftliche Netzwerke schon immer einen großen Einfluss auf Anleger.

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank im Frühjahr dieses Jahres kann als Beispiel unserer Zeit herangezogen werden und war wahrscheinlich der erste Bank-Run der Finanzgeschichte ohne lange Schlangen vor dem Gebäude. An nur einem Tag zogen die Kunden, getriggert durch die Kommunikation auf den Social-Media-Kanälen, 42 Mrd. Dollar ab.

Apps steigern Risikoneigung

Getrübt werden diese positiven Aspekte durch Untersuchungsergebnisse des National Bureau of Economic Research, die zeigen, dass die Nutzung von Anlage-Apps die Risikobereitschaft deutlich erhöht. Die Wahrscheinlichkeit, in riskante Vermögenswerte zu investieren, steigt bei der Nutzung von Anlage-Apps relativ gesehen um 67%. Ähnliches gilt für die Verstärkung des Herdentriebs. Die eigene Social-Media-Bubble kann Investitionsentscheidungen stark beeinflussen wie ein Beispiel zeigt: Eine Studie mit den 400.000 Nutzern eines der größten sozialen Netzwerke für Anleger, StockTwits, untersuchte 33 Millionen Beiträge und 14 Millionen Follower-Verbindungen. StockTwits-Nutzer, die sich selbst als „Bullen“ bezeichneten, folgten fünfmal häufiger anderen Nutzern mit einer bullischen Meinung zu derselben Aktie, als das bei selbst bezeichneten „Bären“ der Fall war. Dieses selektive Engagement führt zu den entsprechenden Unterschieden in den Newsfeeds: Über einen Zeitraum von 50 Tagen sieht ein „Bulle“ auf diese Weise 62 bullische Nachrichten mehr als ein „Bär“.

Die Nutzung von mobilen Apps, Robo-Advisorn, Social-Media-Plattformen und Netzwerken sind für die Geldanlage unverrückbar wichtige Bestandteile geworden und sie helfen in vielen Fällen, die Anlageperformance zu verbessern. Denn Menschen sind anfällig für Fehler, streuen ihre Investments nicht ausreichend und versäumen es, ihr Vermögen neu zu gewichten. KI hilft ihnen bei einer besseren Diversifizierung und beim Rebalancing der Anlagen.

Digitale Angebote sind damit also ein Gewinn für Kleinanleger und bieten einen leichteren Zugang zu einer Vielzahl von Anlageoptionen bei geringen Kosten. Laut einer Amundi-Umfrage zum Anlageverhalten bei Vorsorgeprodukten im März dieses Jahres bilden sich bereits 38% der 35-55-jährigen selbstständig eine Meinung zu Finanzthemen und treffen dann auch mit Hilfe von entsprechenden digitalen Angeboten ihre Anlageentscheidung. Dies ist eine signifikante Veränderung zur Umfrage aus 2017, in der noch 80% der Befragten angaben, Abschlüsse für Vorsorgeprodukte erst nach einem Beratungsgespräch zu tätigen.

Geänderter Markt

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass diese Entwicklung zeigt, dass sich Finanzinstitute und FinTechs auf den geänderten Markt einstellen müssen und sich mehr noch als bisher für Finanzbildung verantwortlich fühlen sollten. Letzteres vor allem, um weiterhin als aktive Spieler in einem sich rasant verändernden Umfeld wahrgenommen zu werden und um mit Programmen und Ansprache die Finanzkompetenz der Anleger/ihrer Kunden zu fördern.

Im direkten Kundenkontakt wird die größte Herausforderung sein, eine nahtlose Verbindung der digitalen Möglichkeiten mit menschlicher Beratung zu etablieren. Aber bei allen denkbaren Ausprägungen gilt: Der gesunde Menschenverstand darf ruhig auch in Zeiten von KI eingeschaltet bleiben.

Alexander Koch

Head of Third Party Distribution, Amundi