US-Rüstungskonzern

Lockheed profitiert vom Rüstungs­wettlauf

Für die US-Rüstungskonzerne sind es derzeit ausgesprochen gute Zeiten. Das gilt auch für den Marktführer Lockheed Martin, dem sich in den kommenden Monaten und Jahren noch viele neue Chancen bieten.

Lockheed profitiert vom Rüstungs­wettlauf

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Es sind derzeit ausgesprochen gute Zeiten für Rüstungskonzerne, insbesondere aus den USA. Der Ukraine-Krieg und die in vielen Teilen der Welt stark zunehmenden geopolitischen Konflikte, an denen die USA oft beteiligt sind, haben die Nachfrage nach den Produkten der Unternehmen stark ansteigen lassen. Einer der Hauptprofiteure ist der führende amerikanische und weltgrößte Rüstungskonzern Lockheed Martin. Sein Aktienkurs hat sich bereits für die Anleger sehr erfreulich entwickelt. Auf Sicht von einem Jahr hat die Aktie 4% an Wert zugelegt, der führende US-Benchmark-Index S&P500 hingegen 11,6% eingebüßt. Allerdings war zuletzt eine gewisse Schwäche zu beobachten, denn seit Jahresanfang hat die Aktie knapp 4% verloren, während der S&P500 einen Anstieg von rund 4% erreichte. Über die vergangenen zwei Dekaden hat die Aktie Anlegern aber eine durchschnittliche jährliche Rendite von 12% geboten.

Die Kursanstiege der Aktien haben nicht etwa erst mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs begonnen, sie sind schon wesentlich länger zu beobachten. Bereits seit rund zehn Jahren zeigt sich die Aktie dynamischer als der Gesamtmarkt – der Krim-Konflikt 2014 und die Zunahme der Spannungen zwischen den USA einerseits und Russland und China andererseits kamen der Aktie zugute.

Die Frage ist aber nun, ob der deutliche Anstieg der Aktie bereits die zweifellos weiterhin günstige Auftragslage und Ergebnisperspektiven bereits weitgehend eingepreist hat, so dass nun das Potenzial für den Aktienkurs ausgereizt ist. Aktuell ist die amerikanische Analystengemeinde davon überzeugt, denn von insgesamt 26 Häusern raten nicht weniger als 16 lediglich dazu, die Aktie im Portfolio zu behalten. Zudem gibt es zwei Verkaufsempfehlungen. Demgegenüber gibt es gerade einmal sieben Kaufempfehlungen und eine Einstufung des Titels mit „Overweight“. Das durchschnittliche Kursziel wird bei 492,48 Dollar gesehen, was bei einem aktuellen Kurs von 475,70 Dollar nur noch wenig Kurspotenzial bieten würde.

Bewertung nicht überzogen

Die Bewertung der Aktie ist jedenfalls nicht überzogen. Auf Basis der Ergebnisse der vergangenen zwölf Monate ergibt sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 21,6. Wettbewerber Raytheon kommt hingegen auf 27,6. Andere Unternehmen der Branche werden noch höher bewertet, wie beispielsweise der Kommunikations- und Elektronikspezialist L3 Harris mit 35,3. Allerdings gibt es auch große Rüstungskonzerne, die wie Northrop Grumman mit 14 oder BAE Systems mit 19,2 niedriger bewertet sind.

Lockheed Martin kann für sich in Anspruch nehmen, viele der Waffensysteme anzubieten, die die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten dringend kaufen müssen, um die an die Ukraine abgegebenen und von der russischen Armee zerstörten Systeme und die aufgebrauchten Munitionsvorräte wieder aufzufüllen. Hier profitieren die Konzerne wie Lockheed Martin davon, dass die europäischen und asiatischen Verbündeten der USA dazu übergegangen sind, hauptsächlich amerikanische Waffen zu kaufen und nicht mehr wie früher üblich lokal entwickelte und produzierte Systeme – eine erstaunliche, aber aus US-Sicht durchaus erwünschte Entwicklung. Dementsprechend kommt der Konzern auf einen Auftragsbestand von rund 150 Mrd. Dollar bei einer Book-to-bill-Ratio von 1,2.

Ein gutes Beispiel für die große Palette an aktuell besonders relevanten konzerneigenen Erzeugnissen ist die F-35. Diese ist das einzige in Produktion befindliche westliche Kampfflugzeug der fünften Generation (5G), das trotz mangelnder Manövrierfähigkeit gegen die gegnerischen 5G-Modelle Suchoi Su-57 und die Chengdu J-20 eingesetzt werden kann. Dementsprechend ist die Nachfrage trotz aller Mängel des Flugzeugs hoch. Die F-35 kostet allein das Pentagon nicht weniger als 1,7 Bill. Dollar. Zuletzt hat auch Deutschland das von den Gesamtkosten her teuerste Kampfflugzeug aller Zeiten bestellt. Dabei langt Lockheed Martin vor allem bei den Wartungskosten zu, was langfristige Einnahmen sichert. Allerdings steht der Konzern unter Druck, die zahlreichen Mängel und Konstruktionsfehler der F-35 endlich in den Griff zu bekommen.

Neben den Kampfflugzeugen sind die Sikorski-Hubschrauber die zweitgrößte Sparte des Konzerns. Hier sichern die Black-Hawk-Modelle und die absehbaren Orders für den schweren Transporthubschrauber CH-53K King Stallion den Absatz.

Als ein wesentlicher Wachstums- und Ergebnistreiber in den nächsten Jahren gilt die Sparte für hyperschallschnelle Raketen und Raketenabwehrsysteme. So hat Lockheed Martin erst kürzlich einen Auftrag der amerikanischen Marine zur Integration von überschallschnellen Raketen in die Zerstörer der Zumwalt-Klasse über bis zu 2 Mrd. Dollar erhalten. Der Ukraine-Krieg hat zudem bewiesen, dass Artilleriesysteme in Peer-to-Peer-Konflikten großen Ausmaßes entgegen den bisherigen Erwartungen der Nato eine – oder sogar die – zentrale Rolle spielen. Das durch den Krieg bekannt gewordene Himars-Raketenartilleriesystem wird von Lockheed Martin hergestellt. Auch hier winken sehr umfangreiche Aufträge, jüngst hat bereits Polen Himars-Systeme zum Preis von 10 Mrd. Dollar bestellt. Und selbst der finanzschwache Kleinstaat Litauen gibt dafür 500 Mill. Dollar aus. Mit einer operativen Gewinnmarge von 13,7% ist die entsprechende Sparte „Missiles and Fire Control“ die lukrativste im ganzen Konzern. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs haben sich die Erlöse in dem Segment in etwa verdoppelt.

Angesichts der zunehmend schwierigen militärischen Lage der Ukraine und der durch den Krieg weitgehend leergeräumten Lagerbestände der Nato an Waffensystemen und Munition ist damit zu rechnen, dass das Bündnis seine Rüstungsausgaben noch einmal sehr deutlich hochfahren wird, auch wenn sie sich bereits auf Rekordniveau bewegen. Dabei wird es vor allem auf Rüstungsgüter wie Kampfflugzeuge, Hyperschallraketen, Raketenabwehr und Artilleriesysteme ankommen – Bereiche, in denen Lockheed Martin stark vertreten ist. Der zu erwartende massive Anstieg der Rüstungsausgaben dürfte in dieser Form noch nicht eingepreist sein. Lockheed Martin, zu 70% seiner Einnahmen vom Pentagon abhängig, und sein Aktienkurs werden davon besonders profitieren.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.