Preise für Industriemetalle zu hoch

Auswirkungen der Rezession und des Handelskriegs werden noch unterschätzt - Nickel als Ausnahme

Preise für Industriemetalle zu hoch

Angesichts der Rezession der globalen verarbeitenden Industrie und des andauernden Handelskriegs zeigen sich die Preise vieler Industriemetalle trotz gewisser Rückgänge ungewöhnlich robust. Insofern besteht noch Potenzial für weitere Rückgänge der Notierungen.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtMit der Anlage in Industriemetallen hatten Investoren im laufenden Jahr meist wenig Freude. Bis auf wenige Ausnahmen haben die Notierungen deutlich nachgegeben. So notiert beispielsweise Kupfer derzeit um rund 6 % unter dem Niveau vom Jahresanfang. Bei Aluminium und Zink beträgt der Preisrückgang 7 % und bei Zinn sogar 15 %. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: So hat sich Blei gegenüber dem Stand von Ende Dezember um 5 % verteuert. Den Vogel abgeschossen hat Nickel, das einen immensen Preisanstieg um nicht weniger als 65 % verzeichnete.Grundsätzlich leiden die Industriemetalle derzeit unter den schwachen Konjunkturaussichten. Wenn man sich die verarbeitende Industrie ansieht und dabei unproduktive Branchen wie den FIRE-Sektor (Finance, Insurance, Real Estate) oder Teile des Dienstleistungsbereichs ausblendet, befindet sich die Welt bereits in der Rezession. In praktisch allen wichtigen Industrieländern und auch in vielen Schwellenländern sind die Einkaufsmanagerindizes, die sich als durchaus zuverlässige Indikatoren erwiesen haben, unter die Marke von 50 gerutscht oder die Industrieproduktion gab bereits nach. In den USA ist der ISM-Einkaufsmanagerindex sogar auf den niedrigsten Stand seit 2009 – dem Ende der schweren Rezession im Gefolge der Finanzkrise – gefallen. Die Schwäche der verarbeitenden Industrie ist Folge der stark zurückgegangenen Investitionen, was wiederum auf die in weiten Teilen der Industrie enttäuschende Ertragslage zurückzuführen ist. Zuversichtliche RhetorikIn diesem bereits schwierigen konjunkturellen Umfeld hat sich der von US-Präsident Donald Trump begonnene Handelskrieg mit China als eine schwere zusätzliche Belastung erwiesen, die zu einer Verschlimmerung der Rezession führt. Dieser Streit dürfte der Welt noch lange erhalten bleiben, weil es darin gar nicht um tatsächlich oder angeblich unfaire Handelspraktiken geht, sondern letztlich darum, dass China die USA als führende Weltmacht ablöst, was Letztere geradezu verzweifelt mit dem letzten verfügbaren Mittel, dem Wirtschaftskrieg, zu verhindern oder zumindest zu verzögern versucht. Insofern kann sich Washington eine Einigung, mit der China leben könnte, gar nicht leisten. Der zuweilen eingestreute Trump-Optimismus hinsichtlich einer dann immer kurz bevorstehenden Einigung mit Peking hat übrigens nach Einschätzung von Trump-Kritikern nur die Funktion, die US-Börse und die übrigen Kapitalmärkte zu stabilisieren – um so eine Wiederwahl des Präsidenten zu sichern, für den die Indexstände von Dow Jones und S&P 500 die mit Abstand wichtigsten Konjunkturindikatoren sind.Vor diesem Hintergrund dürften die Preise von Industriemetallen wie Kupfer immer noch deutlich zu anspruchsvoll sein. Mit aktuell rund 5 722 Dollar je Tonne Kupfer steht die Notierung derzeit noch deutlich höher als etwa im Januar 2015, als zeitweise 4 330 Dollar gesehen wurden – auch wenn sie sich inzwischen deutlich vom Jahreshoch von April von rund 6 600 Dollar entfernt hat. Zur Robustheit des Kupferpreises hat beigetragen, dass es im bisherigen Jahresverlauf unerwartet hohe Produktionsausfälle gegeben hat, die von den Analysten von J.P. Morgan auf immerhin 839 000 Tonnen beziffert wurden. Kein FrühindikatorMöglicherweise ist “Dr. Copper” aktuell kein Frühindikator für die weltweite Konjunktur, sondern ein nachlaufender Indikator. Dafür spricht auch die jüngste Analyse von Fitch für den Kupfermarkt, die für 2019/20 wegen eines steigenden Angebots im kommenden Jahr und der schwachen Konjunkturaussichten von einer Überversorgung des Weltmarktes ausgeht, nachdem es in der ersten Jahreshälfte 2019 nach Angaben der International Copper Study Group (ICSG) noch ein Defizit von 220 000 Tonnen gegeben hat. Für China als dem wichtigsten Nachfragerland wird beispielsweise von einem Anstieg des Kupferverbrauchs im laufenden Jahr von gerade noch 0,5 % ausgegangen, verglichen mit einer Prognose von 2,8 % Wachstum zum Jahresanfang. Außerhalb Chinas soll in den ersten sechs Monaten des Jahres nach Berechnungen der ICSG der Kupferverbrauch bereits um 3 % nachgegeben haben. Auffällig ist zudem, dass spekulative Investoren an der Chicagoer Terminbörse CME überwiegend Short-Positionen auf Kupfer halten, auch wenn die Rohstoffanalysten vieler Banken noch zuversichtlich sind. So rechnet beispielsweise Goldman Sachs unverdrossen mit einem Anstieg des Kupferpreises binnen sechs Monaten auf 6 500 Dollar.Mit Blick auf Konjunktur und Handelskrieg ist auch bei den Notierungen anderer Industriemetalle noch Potenzial für Korrekturen. So bauen sich beispielsweise bei Aluminium derzeit die Bestände in den Lagerhäusern in der London Metal Exchange (LME) auf.Ganz anders ist die Lage jedoch bei Nickel, dessen Preis aufgrund einer besonderen Situation – nämlich dem angekündigten indonesischen Exportverbot für Erz ab dem kommenden Jahr – gut unterstützt erscheint. Auffällig ist, dass die Bestände dieses Metalls in den LME-Lagerhäusern auf den niedrigsten Stand seit sieben Jahren gefallen sind. Offensichtlich decken sich Konsumenten und Händler derzeit so umfangreich ein, wie es nur geht. Hier könnte die Rally also durchaus noch weitergehen.