Rohstoffkrise belastet Afrikas Märkte

Subsahara-Länder Nigeria und Südafrika stehen unter Druck - Digitale Bezahlsysteme mit Potenzial

Rohstoffkrise belastet Afrikas Märkte

Der jüngste Preissturz am Ölmarkt trifft Nigeria hart, die fallenden Notierungen für Industriemetalle drücken auf Südafrikas Wirtschaft: Aktuell sind Investitionen in die Märkte der Subsahara hochriskant. Einige Branchen könnten laut Experten aber gestärkt aus der Krise hervorgehen.Von Alex Wehnert, FrankfurtAfrika steht die große Corona-Gesundheitsnotlage noch bevor, die Märkte des Kontinents lassen sich aber längst von der internationalen Panik mitreißen. Der S&P Africa 40 Index hat seit Jahresbeginn 40,7 % seines Wertes eingebüßt, der MSCI Africa Top 50 kommt auf einen Verlust von fast 40 %.Gerade die Wirtschaft der Subsahara, die bis auf das arabische Nordafrika fast den gesamten Kontinent umfasst, ist aufgrund der hohen Abhängigkeit vom Rohstoffmarkt stark von der Krise betroffen. Die Ölpreise stürzten zuletzt auf die tiefsten Stände seit 17 Jahren ab – eine gewaltige Belastung für den Ölproduzenten Nigeria.Die fallenden Preise für Industriemetalle treffen Südafrika, dessen Export zu mehr als einem Drittel an Rohstoffen und NE-Metallen hängt. Auch die Ausgangssperre in Südafrika, in deren Folge die Arbeit in den Minen des Landes für drei Wochen ruht, kann den derzeitigen Angebotsüberschuss an Metallen wie Platin laut Experten nicht ausgleichen. IWF stutzt Nigeria-Prognose”Eine drastische Verlangsamung der Weltwirtschaft schlägt sich in diesen Ländern somit doppelt negativ nieder, Nigeria ist hier ein prominentes Beispiel”, sagt Sebastian Kahlfeld, Fondsmanager des DWS Invest Africa. Tatsächlich hat der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognose für das diesjährige Wachstum des mit Abstand bevölkerungsreichsten Landes des Kontinents zuletzt von 2,5 % auf 2 % gestutzt. Doch auch Länder, die kaum Rohstoffe exportierten und somit über günstigere Importpreise gewinnen könnten, profitieren laut Kahlfeld derzeit kaum. Ein Grund dafür sei das Ausbleiben des Tourismus, einer wichtigen Quelle für die Einnahme harter Devisen. Die Pandemie habe also selbst ohne lokale oder nationale Einschränkungen schwerwiegende Folgen für die afrikanischen Länder.Für Subsahara-Afrika im Ganzen sei infolge der derzeitigen Krise eine “sehr signifikante Abwärtskorrektur” der Wachstumsprognosen unvermeidlich, sagte Abebe Aemro Selassie, Direktor des Afrika-Referats beim IWF, dem Informationsdienstleister Bloomberg. Weltbank und IWF riefen Gläubiger dazu auf, den ärmsten Ländern der Welt die Schulden zu stunden. Bisher haben laut Selassie 20 Länder der Region eine Aufstockung bestehender Hilfsprogramme oder neue Hilfen beantragt.Indes stufte die Ratingagentur Moody’s die Bonität Südafrikas, das gemeinsam mit Nigeria die Hälfte des BIP Subsahara-Afrikas generiert, vergangene Woche auf Ramschniveau herab. “Diese Entscheidung erzwingt den Abschied des Landes aus Bond-Indizes im Investment-Bereich, wodurch unserer Ansicht nach ein Schuldenportfolio im Volumen von ungefähr 5 Mrd. Dollar oder 1,4 % des BIP gefährdet ist”, kommentiert die UBS die Entwicklung. Die Schweizer Großbank sagt für 2020 einen Anstieg der öffentlichen Verschuldung Südafrikas auf 70 % des Bruttoinlandsprodukts voraus – im Jahr 2017 waren es noch 53 %. Versorger in NötenBereits am 19. März hat die South African Reserve Bank (SARB) ihre BIP-Vorhersage für 2020 von 1,2 % auf – 0,2 % gesenkt. Grund dafür war laut Notenbankgouverneur Lesetja Kganyago neben der Coronakrise die Rezession im zweiten Halbjahr 2019 – die zweite in zwei Jahren. Gerade der staatliche Versorger Eskom steckt in einer tiefen Krise, der Schuldenberg des Unternehmens ist laut der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung inzwischen auf umgerechnet rund 26 Mrd. Euro angewachsen. Die Regierung versucht indes, das Stromnetz durch rotierendes Abschalten ganzer Städte vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Infolge der unsicheren Versorgungslage litten wichtige Sektoren wie die Landwirtschaft sowie Transport- und Bauwesen besonders.Die SARB reagierte auf die Zwangslage, indem sie ihren Leitzins um 100 Basispunkte auf 5,25 % kürzte. “Wir glauben, dass die SARB mit diesem Schritt einen Großteil ihres geldpolitischen Spielraums verbraucht hat”, heißt es von der UBS. Möglicherweise werde die Notenbank 2021 sogar dazu gezwungen sein, einige ihrer Lockerungsmaßnahmen wieder aufzuheben, wenn die Inflationsrate (4,6 % im Februar) bis dahin weiter nahe bei 4,5 % liege – diese Marke stellt den Mittelwert der SARB-Zielspanne dar.Die Währung Südafrikas könnte laut den Prognosen des Zürcher Finanzinstituts kurzfristig um 5 bis 10 % abwerten. Seit Jahresbeginn hat der Dollar um 32,2 % auf 18,50 Rand zugelegt. Da für das Land keine strukturelle wirtschaftliche Reform absehbar sei, halten die UBS-Strategen eine sprunghafte Erholung der Währung für unwahrscheinlich.In der aktuellen Lage wäre eine solche aber wohl ohnehin nicht zuträglich. So begrüßte IWF-Mann Selassie bereits die Mitte März getroffene Entscheidung der nigerianischen Zentralbank, den Naira abwerten zu lassen. Flexiblere Wechselkurse könnten den Ländern Subsahara-Afrikas nun helfen, den externen Schock und die damit verbundenen Belastungen für Umsätze und Steuereinnahmen zu absorbieren.Dennoch bleiben Investitionen in Afrikas Kapitalmärkte riskant. Einige Branchen bieten aber durchaus Potenzial. “Die Digitalisierung ist seit Jahren ein Thema mit viel Rückenwind”, sagt DWS-Manager Kahlfeld. Kenia feiere schon seit 2008 große Erfolge mit digitalen Bezahlsystemen, die sich nun auch im Rest der Region ausbreiteten. Telekommunikationsunternehmen könnten davon ebenso profitieren wie Banken, die diese Technologien vorantrieben. Zahl der ETFs äußerst geringWeniger als am Potenzial scheitern die Investitionen vieler Anleger aus Industrienationen aber an den verfügbaren Möglichkeiten. Einzelwerte kommen für Investoren in vielen Fällen nicht in Frage, die Zahl der Aktienfonds ist stark begrenzt. Derer neun finden sich in der Datenbank des Analyseunternehmens Morningstar. Bei den ETFs ist die Zahl noch kleiner: In der Kategorie Afrika und Nahost gibt es laut Morningstar nur drei dieser Produkte. “Die schwindende Zahl an ETFs auf Indizes für afrikanische Aktien lässt sich ganz einfach durch die mangelnde Nachfrage erklären”, sagt Eric Wiegand, Leiter Vertriebsstrategie Xtrackers bei der DWS.Institutionelle Anleger beschäftigten sich häufig nicht mit den sogenannten Frontier-Märkten, da Investitionen in diese nicht zu ihren Risikovorgaben passten. Und Privatanleger hätten Afrika meist erst recht nicht auf dem Radar, da es zu schwierig sei, sich über die lokale Entwicklung zu informieren. Wenn das verwaltete Vermögen eines Indexfonds dauerhaft nur bei 10 bis 20 Mill. Euro liege, bleibe dem Anbieter oft nichts anderes übrig, als das Produkt aus dem Markt zu nehmen.Bei der DWS gibt es indes momentan keine Pläne, den 2011 aufgelegten ETF auf den MSCI Africa Top 50 einzustellen. Das Fondsvermögen liegt bei 18,2 Mill. Euro, gerade in den vergangenen beiden Jahren fielen die Zuflüsse laut Wiegand gering aus. “Es würde mich wundern, wenn die Entwicklung im nächsten Jahrzehnt anders aussähe als im abgelaufenen”, sagt er. Ghana auf gutem KursTrotz der verhaltenen Aussichten für die Region sei es für Anleger aber wichtig zu beachten, dass zwischen den Märkten der 49 Länder Subsahara-Afrikas große Unterschiede bestünden. “Ostafrika mit den beiden Giganten Kenia und Äthiopien ist weiterhin sehr aktiv und überrascht gelegentlich positiv, auch wenn die Integration der Länder in der East African Community nur langsam voranschreitet”, sagt Wiegands Kollege Kahlfeld. In Westafrika sei neben Nigeria Ghana hervorzuheben, das sich sowohl politisch als auch wirtschaftlich auf einem guten Kurs befinde. Der zentrale Finanzplatz Subsahara-Afrikas bleibe aber Johannesburg.Die Chancen für Anleger in Südafrika hängen laut der UBS von einer Reihe an Faktoren ab: Dazu zählten die Entwicklung der politischen Unterstützung von Privatisierungen und eine mögliche Arbeitsmarktreform. Aber auch Stimulus-Maßnahmen der chinesischen Regierung für die heimische Wirtschaft könnten auf Afrika ausstrahlen – schließlich präsentierten sich die Unternehmen der Volksrepublik zuletzt als Retter in der Coronakrise. Alibaba-Gründer Jack Ma etwa kündigte über den Kurznachrichtendienst Twitter bereits an, 20 000 Test-Sets, 100 000 Masken und 1 000 Schutzanzüge an jedes der 54 afrikanischen Länder zu spenden.