Emerging Markets

Schwellenländer heben ab

Nach einer sehr langen Phase, in der ihre von vielen erwartete Outperformance ausgeblieben ist, schlagen die Aktienmärkte der Schwellenländer nun endlich ihre Pendants in den entwickelten Volkswirtschaften. In den ersten Wochen des Jahres hat der...

Schwellenländer heben ab

Nach einer sehr langen Phase, in der ihre von vielen erwartete Outperformance ausgeblieben ist, schlagen die Aktienmärkte der Schwellenländer nun endlich ihre Pendants in den entwickelten Volkswirtschaften. In den ersten Wochen des Jahres hat der Sammelindex MSCI Emerging Markets um rund 12% zugelegt und damit den MSCI World, der die Performance der Industrieländeraktienmärkte misst, um rund sieben Prozentpunkte übertroffen. Die Emerging Markets sind en vogue. Das belegen die hohen Zuflüsse in Schwellenländeraktienfonds ebenso wie die globale Fondsmanagerumfrage der Bank of America, aus der hervorgeht, dass Emerging Markets die mit weitem Abstand beliebteste Aktienanlageregion sind.

Eine Vielzahl von Faktoren spielt den Schwellenländern derzeit in die Hände. In Phasen, in denen sich die Weltwirtschaft erholt – und es zeichnet sich mit den begonnenen Impfkampagnen für 2021 eine sehr kräftige Erholung ab – entwickeln sie sich üblicherweise überdurchschnittlich. Hinzu kommt die kräftige Erholung der Rohstoffpreise, die den rohstoffexportierenden Ländern zu einem Schub verhilft. Zudem wird die Pandemie in Asien insgesamt gesehen wesentlich besser bewältigt als in den Industrieländern, mit der Folge, dass die Wirtschaft in weit geringerem Ausmaß unter Restriktionen leidet. Obwohl sich die Schwellenländer von einer im Coronajahr 2020 bei weitem nicht so stark gedrückten Basis aus erholen werden wie die etablierten Volkswirtschaften, erwarten Experten für 2021 ein deutlich überdurchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. J.P. Morgan etwa prognostiziert 7,6%, für das globale Wachstum hingegen 5,2%.

Ein wichtiger Faktor der Outperformance ist die globale Geldpolitik, die für eine immense Liquidität sorgt, die angelegt werden muss. Insbesondere der von der amerikanischen Notenbank vor einem Jahr vollzogene Schwenk hin zu einem ultralockeren Kurs, durch den die Fed Funds Rate auf 0 bis 0,25% gedrückt wurde, treibt Emerging-Market-Assets. Denn er hat die Sogkraft des Dollar geschwächt und Kapitalzuflüsse in die Schwellenländer losgetreten, die zudem ihrerseits die Leitzinsen senken konnten. Da aber weiterhin ein erheblicher Zinsvorsprung besteht, ziehen die Emerging-Market-Währungen an, was ebenfalls Investoren in die Aktienmärkte lockt. Selbst Währungen von Ländern mit prekärem volkswirtschaftlichem Hintergrund wie beispielsweise die türkische Lira und der südafrikanische Rand werten in diesem Umfeld derzeit auf. Letzterer war in der ersten Februar-Hälfte mit einem Gewinn von rund 5% die stärkste unter 140 von Bloomberg erfassten Währungen.

Emerging Markets zählen zu den Risiko-Assets schlecht­hin, was ebenfalls ihre bemerkenswerte Outperformance erklärt. Denn an den Finanzmärkten herrscht eine sehr ausgeprägte Risikobereitschaft. In der Februar-Umfrage von Bank of America er­reich­te der Anteil der Fondsmanager, die über das übliche Maß hinaus Risiken eingehen, einen rekordhohen Wert. Auch dürfte die Bewertungslage Investoren anlocken. Da Teile der Industrieländeraktienmärkte, nicht zu­letzt der Technologiesektor, sehr anspruchsvoll bewertet sind, scheint der Aufwärtsspielraum für die Schwellenländer größer zu sein. Der Konsens für das gleitende Zwölfmonats-KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) für den MSCI Emerging Markets liegt bei 16 und damit vier Punkte unter dem Konsens für den globalen MSCI All Countries World, und das bei deutlich höherem Wachstum.

Es bestehen gute Aussichten, dass sich die Outperformance der Emerging Markets nicht nur als eine Episode von einigen wenigen Wochen erweisen, sondern auch über das Gesamtjahr Bestand haben wird. Allerdings wird es wahrscheinlich in absehbarer Zeit schwierigere Phasen geben. Die überschäumende Zuversicht der Marktteilnehmer könnte auf eine nicht mehr ferne Korrektur an den Aktienmärkten hindeuten, die überproportional die Schwellenländer treffen könnte. Auch ist abzuwarten, ob der derzeitige, von zunehmenden Inflationserwartungen getriebene Anstieg der amerikanischen Staatsanleiherenditen und des Dollar vorübergehender Natur ist oder sich, wie manche Experten meinen, noch eine Zeit lang fortsetzen wird. Tritt Letzteres ein, wäre ebenfalls eine Phase zu erwarten, in der die Aktienmärkte der Schwellenländer wahrscheinlich nicht outperformen, sondern kürzertreten müssen.